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Donnerstag, 26. Januar 2017

Stein und Rose reloaded

Vor sieben Jahren habe ich ein kleines pazifistisches Gedicht geschrieben, mit dem ich hin und wieder neu konfrontiert werde, wenn meine Statistik mir anzeigt, dass es jemand aufgerufen hat.

Stein und Rose

Du hebst den Stein
Ich pflücke die Rose
Du holst weit aus
Ich strecke den Arm
Du wirfst den Stein
Ich reiche die Rose
Du triffst mich nicht
Aber ich treffe dich

(Man könnte auch sagen I had a dream)

Was dieses Gedicht für mich bedeutet und wie ich zu seiner Aussage stehe, unterliegt über die Jahre einem Wandel.
Ganz am Anfang stand es in meinem Blog an prominenter Stelle, war immer gleich zu sehen und zu lesen. Irgendwann nahm ich es heraus, die Gründe sind komplex und beschämend simpel zugleich: Es wurde mir peinlich, da es mir (zu) naiv schien, nahezu kitschig, unterkomplex in einer komplexen Welt (dreimal komplex in einem Satz, uff ...).
Und heute?
Unablässig bin ich mit Nachrichten aus der Welt beschäftigt, reflektiere sie und meine Reaktion darauf, bin manchmal erstaunt über mich selbst, manchmal auch erschrocken, aber es schält sich etwas heraus, das schon damals, vor sieben Jahren (und wahrscheinlich schon in den Jahrzehnten zuvor) Grundlage meiner inneren Haltung war und ist:
Ich bin Pazifistin und (nicht aber!) eine radikale Verfechterin von Freiheitsrechten. Das ist nicht bequem, unter anderem deshalb, weil sich mein Platz häufig zwischen den Stühlen befindet. Beispiel: Auf welchen Stuhl soll ich mich setzen, wenn (alternativ: unter welchem Hut lässt sich zusammenfassen, dass) ich folgende Ansichten vertrete (eine kleine Auswahl, die willkürlich ist und keinen Prioritäten folgt):

– Refugees welcome! Ausnahmslos. 

– Dem Islam ist dringend kritisch zu begegnen. Dies hat mit Islamophobie nichts zu tun und leitet sich ab aus einer grundsätzlich kritischen Haltung gegenüber ausnahmslos jeder Religion, da jede in fundamentalistischer Ausprägung zu alleinigem Wahrheitsanspruch, geschlossenem Denk- und Argumentationssystem, Unterdrückung und Unterwerfung neigt.
„Es gab christlichen Terror wie zu Zeiten der Kreuzzüge, und es gab jüdischen Terror wie durch die Untergrundorganisation Irgun zur Zeit der israelischen Staatsgründung. Es gibt – man mag es kaum glauben – buddhistischen Terror in Myanmar gegenüber der islamischen Minderheit, und es gibt hinduistischen Terror, wie etwa in Form des Massenmords an Muslimen 2002 im indischen Gujarat.“
 (aus: Oliver Jeges:  Islamophobie? Wir nennen es Aufklärung, Welt online, 28.10.2014, ein Artikel, der nach wie vor aktuell und wichtig ist)

– Frauenrechte sind Menschenrechte sind universell.

– Sexuelle Übergriffe, verbale ebenso wie tätliche, sind zu verfolgen und zu bestrafen bzw. durch jedes mögliche rechtsstaatliche Mittel zu verhindern. Ausnahmslos.

– Jeder Mensch hat ein Recht auf Asyl und darf auch dann nicht abgeschoben werden, wenn er straffällig wird, so lange sein Herkunftsland nicht wirklich sicher ist, d.h. die Menschenrechte vollumfänglich vertritt.

– Dank an die Polizei in der Kölner Silvesternacht 2016 für das Garantieren der Freiheitsrechte der Frauen. 

– Nein zu verstärkter Abschiebepraxis (s.o.).

– Ja zum Nein des Verfassungsgericht zum NPD-Verbot. In meinen Augen ein Zeichen der Stärke unserer Demokratie. (auch wenn ich zugegebenerweise erstmal schlucken musste)

– Ja zu einer aktiven unablässigen Erinnerungskultur. Nein zur AfD und ihren nationalsozialistischen, zur Geschichtsklitterung neigenden Tendenzen.

– Ja zur geplanten Abschaffung des Paragraphen 103 der „Majestätsbeleidigung“.

– Nein zur Witzfigur Trump.

– Dank an alle, die gegen ihn und seine Politik der Dummheit demonstrieren.

– ...

Diese Liste stellt ein Sammelsurium dar, das unvollständig ist, aber vielleicht deutlich macht, warum ich mich weder auf links noch auf rechts platzierte Stühle setzen möchte. Und ich will mich noch nicht einmal, obwohl ich mich ihnen am nächsten fühle, den Humanisten anschließen. Solidarisch sein – ja, am ehesten noch mit Frauen (aber auch da nicht ausnahmslos), immer mit Einzelnen, Freiheitsliebenden; einer Gruppierung, einem Verein beitreten – nein. 

Ausgangspunkt für diese Gedankensammlung war aber das Gedicht von Stein und Rose.
Ich finde mich wieder darin, nachdem ich es lange als zu einfach, als unterkomplex empfunden habe. Ich möchte wieder Rosen pflücken gegen die Steinewerfer. Keine überzüchteten Rosen ohne Dornen, nein, wildduftende müssen es sein, an denen man sich die Finger blutig sticht. Ich möchte diese Rosen auf die Stühle derer legen, die sich so sicher sind, auf der richtigen Seite zu sitzen. Auf die Rednerpulte derer, die ihre Fäuste niedersausen lassen zur Unterstreichung ihrer populistischen Parolen. Auf die Wege derer, die im Gleichschritt marschieren. 
Man könnte auch sagen I have dream. Yes, I have.


Sonntag, 29. März 2015

Wochenrückblick 23. - 29. März 2015

Gelesen:

Anne Tyler: Der leuchtend blaue Faden 


Ich habe mal an irgendeiner Stelle gesagt, dass ich in meinem nächsten Leben am liebsten eine Romanfigur von Elizabeth Strout wäre. Hiermit füge ich hinzu, dass ich mich bei Anne Tyler genauso gut aufgehoben fühlen würde. Sie selbst bezeichnet ihre Familienromane als "Milch und Kekse"; für mich sind sie großartige Abbildungen ganz gewöhnlicher Menschen in ganz gewöhnlichen Beziehungsgeflechten, liebevoll, klug und psychologisch genau gezeichnet, erhellend und wärmend zugleich. Ich verschlinge jedes einzelne ihrer Bücher, so auch ihr jüngstes, in dem sie – zum wiederholten Male und trotzdem neu – die Geschichte "einer mehr oder weniger glücklichen Familie über mehrere Generationen" (NDR) erzählt.


Geschaut:

True Detective




Es gab schon einige Serien, die mich wirklich begeistert haben. Erst in der vorigen Woche habe ich mich nach der letzten Folge schweren Herzens von den Protagonisten von "Borgen" verabschiedet.

Diese Woche dann "True Detektive", und ich muss sagen, es ist die erste Serie seit "Twin Peaks", die einen vergleichbar unwiderstehlich-schauerlichen Zauber auf mich ausübt wie Lynchs Kultserie. 

Das verdankt sich dem perfekten Zusammenspiel von atmosphärisch starken Bildern, ungewöhnlichen Dialogen und Exkursen, die sich in einer Bandbreite zwischen abweisend-wortkarg und düster-philosophisch-ausschweifend bewegen, einem wunderbaren, der morbiden Stimmung angepassten Soundtrack:



Desweiteren natürlich der ganzen verwickelten, leicht surrealen, auf drei Zeitebenen erzählten Geschichte um die Aufklärung einer ritualartigen Mordserie. Und last but not least den wirklich grandiosen Hauptdarstellern Matthew McConaughey und Woody Harrelson. Die beiden sind echt ein Traumpaar. Applaus!

Ich bin gespannt auf die zweite Staffel der Serie, die mit einer komplett neuen Story und neuem Cast daherkommen wird.

Vorerst aber:
Fünf ✰für "True Detective I".


***

und weiter mit dem Wochenrückblick:

Gedacht:

Irgendwas blüht (dir) immer.


Gemieden:

Twitter, in den Tagen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine am 24.3., weil ich die Kommentar- und Replyflut nach solchen Ereignissen nicht ertrage.


Gesucht:

einen Ort, irgends


Gefunden:

Fiktion
"ein Modellprojekt deutsch- und englischsprachiger Autoren, das die sich durch die Digitalisierung eröffnenden Chancen für die Wahrnehmung und Verbreitung anspruchsvoller Literatur weiterzuentwickeln sucht. Dies geschieht auf mehreren Ebenen:"
(in Stichworten; hier im Detail nachzulesen)
– alle Titel kostenlos
– alle Titel simultan deutsch/englisch
– Aufbau eines internationalen Autorennetzwerks
– Vertiefung der Debatte über das Uberheberrecht
– Entwicklung eines neuen, die Konzentration fördernden digitalen Leseformats

Dies könnte im weitesten Sinne eine Übung in Freiheit und Unabhängigkeit sein. Grund genug für mich, dieses Projekt gespannt zu verfolgen.

Darauf gestoßen bin ich über einen Beitrag im Literaturcafé.

Gepriesen sei das Netz. Halleluja.


Gefreut:

über Astrid, die seit dem 13. Januar wöchentlich einen ausführlichen Artikel über Raif Badawi schreibt und darin die neuesten Infos mit eigenen Gedanken zum Thema verknüpft. Sie hat sich vorgenommen, "erst dann auf[zu]hören, über diesen mutigen Blogger zu posten, wenn seine Strafe ausgesetzt ist."

Es ist enorm wichtig, dranzubleiben, auch bzw. erst recht dann, wenn das Medieninteresse langsam nachlässt und sich verlagert. Daher an dieser Stelle noch ein Link zu einem Appell von Raif Badawis Frau Ensaf Haidar.


Gearbeitet:

Viel. Und deshalb bis auf einen Amnestyaufruf und meinen Rückblick nichts gebloggt in dieser Woche. So what? Time works. 


Was man so:




oder so:




oder anders interpretieren kann.


***


Ich wünsche all meinen Leser_innen einen guten Start in die neue Woche.

Und vergesst nicht, von Zeit zu Zeit einen Blick/einen Fuß aus dem Fenster/vor die Tür zu werfen/zu setzen. Weil nämlich:


Donnerstag, 19. März 2015

Échauffé und Fasciné am Frühstückstisch

E. (echauffiert über die neuesten "Nachrichten" in den diversen Medien):

"Ich finde das so unfassbar ..., so dermaßen ..., das muss man sich mal vorstellen, das kann man doch nicht einfach so stehen lassen, so unkommentiert, so ohne persönliche Handlungskonsequenz, da müsste man eigentlich ..., da sollte man doch wirklich ... und zwar möglichst schon gestern, und dann ist da auch noch ..., hast du das gelesen/gesehen/gehört?, ist es nicht ..., mir fehlen die Worte, dabei sollten sie mir nicht fehlen, sondern zuspringen, dass ich sie festhalten kann Schwarz auf Weiß, um aufs schärfste zu reagieren, zu plädieren, zu demonstrieren, man kann doch nicht einfach immer alles so unberührt, so unangefasst, so als ginge es uns nichts an, so nach-mir-die-Sintflut-gemäß ...., einfach alles den anderen überlassen, der Zeit womöglich, auf die aber auch nicht immer Verlass ist, oft genug beruhigt es sich nämlich nicht von selbst, sondern eskaliert, und spätestens da wünscht man sich, man hätte früher/rechtzeitig, als es noch möglich war, also noch nicht fünf nach zwölf ..., man hätte da ..., also weißt du, jetzt lass mich doch nicht so allein in meiner Empörung, jetzt sag du doch auch mal was, das kann doch nicht so spurlos an dir vorübergehen, du musst doch auch eine Meinung dazu haben, das geht doch schließlich jeden was an, also bitte, ich frage dich, ich fordere dich auf, dich zu beteiligen, dich zu äußern, und zwar schleunigst, und offen und ehrlich und vor allem in aller Deutlichkeit zu sagen, was du über diese ganzen Sachen denkst. Also?"


F. (fasziniert von der Amsel, die in den Sträuchern vorm Fenster ein Nest baut):

"Hmhm ..."