Ich kann zur Zeit einfach nicht den Mund halten, will mich auch nicht beruhigen. Also lass ich's raus:
Es gibt da gerade so eine komische Tendenz, sich von Charlie Hebdo zu distanzieren. „Je ne suis pas Charlie“ heißt da die Parole.
[WICHTIG!: Ich beziehe das Folgende ausdrücklich nicht auf diejenigen, die sich aus Respekt vor den ermordeten Mitarbeitern nicht mit ihnen identifizieren wollen, die aus Respekt nicht deren Mut für sich vereinnahmen wollen und können, die also aus Gründen des Respekts vor den Opfern nicht „Je suis Charlie", sondern – wenn überhaupt – „Je ne suis pas Charlie" sagen (oder eben auch schweigen).]
Nein, ich beziehe mich auf diejenigen, die ein Problem mit den Inhalten von Charlie Hebdo haben. Mit „Je ne suis pas Charlie" ist da dann gemeint, dass man die Karikaturen der Satirezeitschrift nicht befürwortet (was man ja auch nicht muss!), sie sogar ganz schlimm findet (was man ja auch darf!). Begründung: Sie seien respektlos, geschmacklos, verletzten religiöse Gefühle, beträfen auch friedliche Muslime, nicht nur gewalttätige usw.
So weit, dass man den Karikaturisten nun auch noch eine Mitschuld an ihrer eigenen Ermordung gibt, geht natürlich keine_r, nein, diese Tat wird – so anständig ist man dann doch – aufs schärfste verurteilt. Aber ... Immer ist dieses Aber angehängt.
Als ginge es darum, ob uns die Karikaturen gefallen oder nicht. (Mir gefallen sie größtenteils übrigens auch nicht.) Als spielte es eine Rolle, ob wir uns durch sie beleidigt, verletzt, provoziert fühlen oder nicht. Völlig egal, absolut irrelevant ist das!
Ich sage JE SUIS CHARLIE, weil mit der Ermordung der Mitarbeiter ein Anschlag auf uns alle – ja, auch auf mich – und unserer Recht der freien Äußerung und des freien Denkens verübt wurde. Jeder Anschlag in dieser Richtung betrifft Jede_n. Denn dieses Freiheitsrecht ist ein universelles, das nur dann insgesamt und als solches existiert, wenn es für jede_n Einzelne_n existiert.
Was ist daran so schwer zu verstehen? Das will mir einfach nicht in den Kopf.
Dies ist das Titelblatt der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe von Charlie Hebdo.
Und bei NETZPOLITIK.ORG findet man einen kurzen guten Artikel dazu.
Soeben schrieb ich dort einen Kommentar (was ich mir in solchen Fällen in der Regel verkneife, aber hier musste ich einfach ...), den ich, weil er ein über den Artikel hinausgehendes Statement beinhaltet, hier rüber kopiere. Meine Meinung:
Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Satire MUSS UNBEDINGT respektlos mit Religionen (allen) umgehen, da diese nämlich ihrerseits – zumindest in ihren fundamentalistischen Ausprägungen – die Freiheitsrechte des Menschen mit Füßen treten und ihren eigenen Glauben den universellen, unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechten überordnen. Das in den Menschenrechten und in unserem Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Religionsfreiheit beinhaltet aber ganz wesentlich auch das Recht auf Freiheit von Religion und ihrer Einflussnahme.
Religion darf nicht herrschen. Sie nimmt sich dieses Recht aber in vielen Teilen heraus, und das muss in jeder Form kritisiert werden, auch durch auf die Spitze getriebene Satire.
Ich hänge noch an (vorsichtshalber, ja, denn auch ich fürchte mich ein wenig, das gebe ich kleinlaut zu): Ich befürworte absolut und halte für notwendig einen in Schrift und Bild respektlosen – im Sinne von nicht unterwürfigen – Umgang mit den (allen!) Religionen, ihren Oberhäuptern, den Auslegern der Schriften, den selbsternannten „Bestimmern" und Herrschern, NICHT mit den gläubigen (oder ungläubigen!!!) Menschen.
Ich hoffe, ihr seht den Unterschied.
Soviel für heute. Kann sein, da kommt noch mehr. So ist das eben, wenn ein empfindlicher Nerv getroffen wurde.
Ach doch, noch eine Kleinigkeit: Mir gefiel, was Max Moor am Sonntag am Ende von TTT über den „Terror der Humorlosen" sagte. Hier das anderthalbminütige Video.