„[...] Schreiben ist entweder das Mittel der Befreiung von gesellschaftlichen Fesseln, Konventionen und Zwängen, oder es ist nichts. Null und nichtig.“ (hier der ganze Artikel)Und meine innere Antwort/Reaktion darauf? Ja! Was sonst? Ich meine, wie sonst sollte ich antworten/reagieren (mal ganz abgesehen davon, dass der Text ja gar keine Antwort will/fordert/braucht).
Ja!
Und nein.
Denn ja, genau das (so vereinnahme ich die Worte, den einen stark behauptenden Satz) bedeutet mir mein Schreiben: Mittel zur Befreiung. Zur Befreiung von – schon da trenne ich mich von den Worten des anderen, denn ja, Fesseln sind es auch bei mir, von denen ich mich in einem langen und andauernden Prozess befreie, aber ob diese Fesseln aus dem gleichen Material sind? Darum geht es auch nicht. Und natürlich brauche ich, um dies über mich und mein Schreiben zu sagen, nicht die Worte, den starken Satz eines anderen, denn ich weiß das ja in mir, weiß es besser und richtiger, als es ein von außen drauf Schauender wissen oder auch nur ahnen kann, dass es genau so ist und stimmt, für mich. Ich brauche diese Worte nicht, die vertrauten des Fremden, brauche diesen starken Satz nicht, den ganzen kleinen großen Text nicht, der da aus fremder Feder kommt. Brauche ihn nicht, da er längst in mir ist. Okay, hin und wieder ein Spiegel zur Bestätigung: Ja, du bist noch da, Entfesslungswille, bist noch genauso wahr und stark da wie je, wirst bleiben, ja, das wirst du. Und ein Spiegel zur Erinnerung: Da sind noch Reste der Fesseln, lass nicht nach. Ja, dafür sind sie gut, diese fremden Worte, Sätze, Texte. Deshalb greife ich zu, nehme sie mir, verleibe sie mir ein, erlaube mir das, überhaupt: nichts als Erlaubnis, Selbsterlaubnis, entfesselte.
Und nein. Nein, nein, nein!, tobt es zugleich in dir, denn eine deiner Fesseln heißt „Ausschließlichkeit“, heißt „die eine Wahrheit“. Von der hast du dich zuerst befreit, als es soweit war, als du anfingst. Von der hast du dich befreit und willst es bleiben, in aller Konsequenz. Willst kein „entweder oder“ mehr, sondern nur noch das „sowohl als auch“, das „alles“, selbst im krassest scheinenden Widerspruch, ja, dann erst recht, weil dich das herausfordert wie ein unermesslicher Ozean.
(Und warum wechsle ich jetzt eigentlich vom ich zum du? Immer wieder passiert mir das, erst im letzten Blogeintrag habe ich mich selbst darauf aufmerksam gemacht. Es muss etwas bedeuten, deshalb ändere ich es nicht, wie ich es kurz überlegt habe, das du im Nein-Abschnitt zum ich, wie es noch im Ja-Abschnitt steht. Nein, ich lasse es so, es ist relevant, denke ich mir, in irgendeiner mir noch nicht einleuchtenden Weise.)
Nein auch deshalb, weil ich die anderen Beweggründe und Formen des Schreibens nicht so als null und nichtig abtun kann und will. Immerhin liebe ich Geschichten, Fiktion, halte das Erzählen, ob mündlich, schriftlich oder im Film oder ... für gesellschaftlich bedeutend, mag in gewissem Maße sogar den Schund (den ich nicht in Anführungszeichen setze, weil ich mir durchaus erlaube, hin und wieder, ein Urteil zu fällen über gewisse Literatur und sie Schund zu nennen und dann nicht zu sagen „Ich finde“ oder „Meiner Meinung nach“, sondern „Das ist“, ja, so, das erlaube ich mir hin und wieder, auch das ist Teil meiner Freiheit), mag also diesen Schund auch, weil er Teil des Ganzen ist, wichtig für die Beleuchtung und die Reibung, physikalisch ausgedrückt, wichtig für die Freiheit, die über meine eigene Freiheit, die keine wäre ohne die der anderen, hinausgeht.Verzettele ich mich? Nein. Was ist das überhaupt für ein Wort: verzetteln? Darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Nein, ich begebe mich hinein und lasse mich mitreißen, bewusst, und jetzt hangele ich mich wieder ans Ufer, schüttle mich, nehme meine Umgebung wahr, denke: ach, du hast ja noch ein paar Stündchen, bis du zur Arbeit musst, könntest bei diesem schönen Wetter doch ... dies und das und jenes ... alles ist möglich, hab mich schon für eins entschieden, jedenfalls hinaus, beschwingt, danke für den Text, den einen starken Satz, die Worte, danke für den Spiegel, der mich nicht meinte, in den ich trotzdem, ohne um Erlaubnis zu fragen!, einen Blick warf und dann sah, was wichtig ist, für mich, immer noch. Danke.