Dienstag, 31. Mai 2016

Freundinnen

"Wie du das alles bewältigst." Sie staunt über meine Tatkraft.

"Ach, ich weiß nicht. Es bleibt trotzdem so vieles liegen", wiegele ich ab. 
Das ist keine falsche Bescheidenheit meinerseits, ich sehe es wirklich so. Mag sein, dass ich zu hohe Erwartungen an mich habe. Aber es ist nun einmal Fakt, dass die Welt noch nicht gerettet ist.

"Hey!" Sie streicht mir über den Arm. "Du musst die Welt nicht im Alleingang retten."
Sie kann meine Gedanken lesen, konnte es schon immer. Sie durchschaut mich, das nervt manchmal.

Wir sind Freundinnen, ein eingespieltes Team. Eingefahren. Festgefahren, denke ich in Augenblicken wie diesem, aber das ist irgendwie gemein. Oder?
Wir kennen uns gut, das hat etwas Beruhigendes. Und es engt uns ein. Abweichendes Verhalten bewerten wir gerne als nicht authentisch. Aber liegen wir damit richtig? 
Wieviel Entwicklung trauen und gestehen wir einander noch zu? Wieviel Überraschendes sind wir noch bereit anzunehmen, mit offenen Armen?

Manchmal wünschte ich, wir lernten uns gerade erst kennen und machten uns ganz neu miteinander vertraut. Ob wir dann freier wären, offener im Nehmen und im Geben? Ob wir uns sympathisch wären und mehr voneinander erfahren wollten?
Vielleicht entschieden wir uns heute dafür, entfernte Bekannte oder gar Fremde zu bleiben.

"Worüber grübelst du denn jetzt schon wieder nach, hm?" Sie zwickt mich in die Wange und wuschelt mir durchs Haar.

Soll ich’s ihr sagen?
Soll ich sagen, dass ich wünschte, wir kennten uns nicht, um unserer Freundschaft eine neue Chance zu geben? Auch auf die Gefahr hin, dass ...

"Bitte, sag’s nicht", flüstert sie, hält die Luft an und nimmt meine Hand, umschließt sie so fest, dass ich weiß: Sie wird mich nicht mehr loslassen.

Auf immer, denke ich, jede so oder so zu deutende Betonung vermeidend, und erleichtert atmet sie aus.

Montag, 30. Mai 2016

alle Arten von Büchern

„Daher möchte ich Sie bitten, alle Arten von Büchern zu schreiben, sich vor keinem Thema zu scheuen, wie trivial oder umfangreich es sein mag.“
(Virginia Woolf 1928 zu ihren Schriftstellerkolleginnen) 

Sonntag, 29. Mai 2016

Lust auf ... (Momentaufnahme)

Was man von ihr wissen kann, wenn sie schweigt:
Dass sie schweigt. Nichts weiter.


Sie sitzt im Basilikumduft der Küche (dieser unglaublich üppige Busch im roten Topf), das Fenster gekippt, damit sie den Vögeln draußen lauschen kann. Im Wohnzimmer stehen einige bereits gepackte Kartons. Weitere warten darauf, gefüllt zu werden. Was wiegt schwerer, fragt sie sich, das 100teilige V&B-Geschirr (Bone China) oder die Erinnerungen? Die unzähligen Bücher oder die in diesem Haus gelebten Jahre? Unmöglich zu beantwortende Fragen. 

Dieser kompakte Abschied.

Sie lebt in Bob Dylan Songs in diesen Wochen. Der vertraute Halt. Etwas, das bleibt, das nicht verloren geht, das sie mitnehmen kann, wohin auch immer sie geht. A rolling stone gathers no moss.


Lust auf neuen Plöhzinn.
Lust auf Licht und Schatten.
Lust, in den Schuppen zu gehen und selbst ein Boot zu bauen.
Lust, zu pfeifen. Auf alles Mögliche.


Dieser kompakte Abschied.
Das Gute daran, das Beglückende. Und das Schmerzhafte. Die Lust.