Mittwoch, 24. April 2013

Da

hier        

da

dort

Montag, 22. April 2013

Liebe Geschichte, bitte während meiner Abwesenheit nicht abhanden kommen! (nach dem Traum, Meta)

So wie er ihr* manchmal abhanden kommt, fürchtet sie* gerade ein wenig, sie* selbst könnte abhanden kommen, mitsamt ihrer* noch nicht fertig erzählten Geschichte. Entspringt sie* schließlich der Fantasie einer**, die** zwar begierig ist auf diese Geschichte und deren Fortschreibung, der** aber hin und wieder die Konzentration darauf abhanden kommt, weil anderes sich in den Vordergrund schiebt. Alltägliches zum Beispiel, wie die Arbeit in der Buchhandlung oder der Haushalt. Oder Nichtalltägliches wie eine bevorstehende Reise nach Hamburg zur Tochter und im Anschluss nach Berlin zu Freunden. Das ganz reale alltagsverrichtungs-, vorfreude-, vorbereitungs- und begegnungsangefüllte Leben also, das dieses andere, auf anderer Ebene gleichfalls reale und ebenso wesentliche Fantasieleben in den Hintergrund schiebt, in der Hoffnung, dass es dort nicht abhanden kommt. Denn das darf es bitte nicht! Und nein, das wird es auch nicht. Schließlich ist der Entwurfordner bis zum Rand gefüllt mit Stichworten und Einfällen, fand sich erst gestern über ein Traumprotokoll bei Alban Nikolai Herbst noch ein neuer, bisher nicht bedachter (dabei so offensichtlicher, also vielleicht verdrängter?) Aspekt (Stichwort Anima/ Animus) und liegt das Ende der Geschichte schon bereit wie das Delta einer Flussmündung.

* die Geflüchtete, die Nachtigallretterin, die geträumte Träumende
** die Blogbetreiberin, die Buchhändlerin, die Autorin, die Mutter, die in eine Geschichte Hineingesogene, die Begierige, die Freundin, die Freundin ihrer Figuren, die Reisende, die konzentriert Mäandernde, Ich 

*  

Nun also: Noch drei Tage arbeiten, dann Kofferpacken.
Ab Donnerstag: Fünf Tage Tochterbesuch in Hamburg. 
Im Anschluss: Sechs Tage Freundinbesuch und weitere von mir sehr gemochte Menschen treffen in Berlin.
Oh, wie ich mich darauf freue!
Und wie immer während solcher Reisen minimale bis keine Internetpräsenz. Auch in den zuvor verbleibenden Tagen vermutlich nur sporadische Kurzbesuche in meinem und anderen Blogs.

Bis bald!

Donnerstag, 18. April 2013

letztes Gesicht

liegt ein gefalteter Schatten
unter der Schwinge

hebt sich die Schwinge
löst sich der Schatten
und steigt

verfliegen die Jahre

senkt sich die Schwinge
legt sich ein Schatten
über die Zeit

liegt die gefaltete Schwinge
unter dem Schatten
und schweigt


wie alles sich neigt
selbst die Wandelbarkeit
hat ein letztes Gesicht
das verleugnest du nicht


*



Erster Nachtrag um 11:25 Uhr: Und auch dieses Gedicht, welches sich innerhalb der letzten Stunden mehrfach gewandelt hat, nachdem ich es eigentlich schon für abgeschlossen gehalten hatte, wird irgendwann sein letztes Gesicht erhalten. 

Zweiter Nachtrag am 19.04.13 um 13:22 Uhr: Ja, so bleibt es jetzt. Letztes Gesicht.

Mittwoch, 17. April 2013

Ganz allein (nach dem Traum 7)

Manchmal kommst du mir abhanden. Ich war vielleicht in Gedanken versunken, tauche irgendwann wieder auf, und du bist nicht mehr da. Nicht eine Spur von dir ist zu finden. Als hätte ich dich in einem selbstvergessenen Moment gleich mitvergessen und durch dieses Vergessen - ich wage kaum, es auszusprechen: ausgelöscht. Dann springe ich panisch auf, drehe mich fliegend im Kreis, spähe wild in alle Richtungen, laufe blindlings los, aber nur ein kurzes Stück, und möchte am liebsten laut schreien. Aber das tue ich ja bereits, habe es nur nicht wahrgenommen. 
Du darfst nicht fort sein! Nicht einfach so verschwinden. 
Ich zweifle zum wiederholten Male an meiner Unterscheidungsfähigkeit von Wirklichkeit und Traum. Bist, warst du denn wirklich? Aber ja!, ruft meine Haut, und mein vergewaltigter Geist deutet auf seine von deiner Hand geheilten Wunden. Überall an und in mir finde ich deine Abdrücke.
Ich lege mich zu unserer schlafenden Nachtigall und schließe erschöpft die Augen. Bin ganz und gar zurückgeworfen in ... ja, in was denn? Was war da denn, wer war ich denn ohne dich?

Ich erinnere mich an eine besonders perfide Form der Strafe, welche von den Hütern angewandt wurde, wenn wir gar zu aufmüpfig nach einem Spaziergang "da draußen" verlangten, wenn wir trotzig darauf bestanden, einen Blick in die Welt werfen zu dürfen. Ließen wir uns nicht bezähmen, wurden wir mit verbundenen Augen an einen Ort außerhalb der Mauern gebracht. Dort nahm man uns die Augenbinde ab und ließ uns einen Tag und eine Nacht lang allein, ganz allein auf freiem Feld unter einem Baum mit ein wenig Proviant.
Es gab nur wenige unter uns, denen das mehr als einmal passierte. Die meisten vergaßen nie das Gefühl von Schutzlosigkeit und Ausgeliefertsein, das sie in den endlos scheinenden Stunden durchlitten hatten. Hilflos an den Baum gepresst, nicht wagend, auch nur einen einzigen Schritt ins Freie zu tun. Ich war zweimal dort gewesen.
In diesen Momenten, wenn du plötzlich fort bist und ich auf mich allein gestellt bin, fühlt es sich wieder so an wie auf diesem weiten Feld unter dem einsamen Baum.

Aber jedesmal kehrst du zurück. Jedesmal zeigst du dich aufs neue erstaunt über meine heftige Reaktion, sei ich doch, als du gingst, so eins mit mir gewesen. Jedesmal sagst du, ich müsse mich daran gewöhnen. Aber warum? Wozu? Ich habe mich an dich gewöhnt. Ich will mich nicht an ein Ohnedich gewöhnen müssen.

Weißt du, dass dein wissendes Lächeln mich zornig macht? Aber das sage ich dir nicht, das denke ich mir nur.

Sonntag, 14. April 2013

In Sicherheit (nach dem Traum 6)

Wir ernähren uns von Fisch und Wildpflanzen. Du hast mir beigebracht, essbare von giftigen zu unterscheiden. Trotzdem musst du immer noch ein paar Stängel, Beeren oder Knollen aussortieren, wenn ich allein unterwegs war zum Sammeln. 
Die nächsten Siedlungen sind jeweils einen Tagesmarsch entfernt, wir haben alle vier Himmelsrichtungen geprüft. Seltsam erschien mir dabei, dass wir nirgends auf das Haus stießen, aus dem wir geflohen waren. Davor hatte ich mich heimlich gefürchtet. Wir seien inzwischen weiter davon entfernt, als man in der Spanne eines Lebens laufen könne, erklärtest du mir, und ich fragte nicht weiter.

Mir ist, als dehnten wir Zeit und Raum. Nie hätte ich mir vorstellen können, mich außerhalb einer alles umschließenden Mauer und ohne durchstrukturierten Tagesablauf so sicher zu fühlen. 
Wir treiben dahin. Wir liegen im Gras, wir baden im Fluss. Wir essen und trinken und kümmern uns um die Nachtigall. Ich stelle dir Fragen, du antwortest in Rätseln, die mich weit mehr befriedigen als all die banalen Gültigkeiten, mit denen ich von den Hütern abgespeist worden war.
Vor allem aber sind wir einander hingegebene Körper. 
Mir ist, als fügtest du mich zusammen, weil du in eine Haut geschlüpft bist, die reißen kann, unter der Blut pocht, das davonfließen kann, unter der Knochen liegen, die brechen können. Manchmal möchte ich mich wie eine zweite Haut um dich legen, zum Schutz, aber stattdessen legst du dich um mich, hebst mich empor und lässt mich ein Stück fliegen, losgelöst, um uns von oben zu betrachten. Aber das halte ich immer nur solange aus, bis sich etwas Dunkles dazwischenschiebt, ein erdschwerer Schatten, den ich nicht sehen will, weil ich nicht zu erkennen vermag, ob er mir Vergangenes oder Zukünftiges zeigt. Also lasse ich mich fallen und lande in einem beruhigend gegenwärtigen und schlichten Bedürfnis wie Hunger oder Durst oder Müdigkeit oder Lust.

Ich sollte, ich muss von den Hütern erzählen. Ja. Und ich werde es tun. Bald. Was innerhalb gedehnter Zeit ein überraschend freizügiger Begriff ist.

Donnerstag, 11. April 2013

To Save a Nightingale

Momentaufnahme von der "Du"-Baustelle:

Plötzlich weiß ich, wo ich hin will mit meiner Geschichte. Oder wo ich hin soll. Was ich zu tun habe mit all den kleinen Ideen, die sich mir, im Anschluss an einen ungewöhnlichen Traum, anvertraut haben. Ich will sie wertschätzen und gut zu ihnen sein. Ich will ihnen einen passenden Rahmen schaffen, sie in eine Geschichte einweben, in der sie sich aufgehoben fühlen. Es ist gar nicht so einfach, mit einem Funkensprühregen behutsam und geduldig umzugehen. Aber ich probier's. Und einen (vorläufigen, wie ja immer alles vorläufig ist) Titel hab ich auch schon: To Save a Nightingale

Vergleich; Raum (Lose Blätter #58 & #59)

Die Gefängnisse der Ästheten scheinen mir schöner, besser und wahrer als die der Moralisten.

und/oder/aber:

Lieber kein Raum als ein hermetisch geschlossener.




 (Nils Frahm: More) 



Da ist mehr! Da muss mehr sein!

Dienstag, 9. April 2013

Das Sprechen der Dinge; die Nachtigall (nach dem Traum 5)

- Lass uns über die Fundstücke sprechen. (sagtest du)
- Sie baten mich um Verschwiegenheit. (sagte ich)
- Das bildest du dir ein.
- Wie kannst du das behaupten? Sie sprachen ganz deutlich zu mir.
- Was sprachen sie denn?
- Dass ihr Geheimnis gewahrt bleiben muss und dass ich sie vor den Hütern in Sicherheit bringen soll.
- Es ist gut, dass du das getan hast.
- Siehst du!
- Das heißt nicht, dass sie zu dir sprachen.
- Aber wie sonst sollte ich ...
- Aus einer Eingebung heraus, die du ernst nahmst.
- Was macht dich bloß so sicher in deinen Behauptungen?
- Dass ich noch nie in einen Spiegel gesehen habe.
- Das erzähltest du mir bereits. Ich kann es kaum glauben.
- Es ist die Wahrheit. Spiegel vermögen die Sicht zu verstellen.
- Aber wie gelingt dir das? Überall hängen Spiegel herum.
- Es ist in der Tat eine große Versuchung. Aber nur so bleibe ich in Verbindung.
- In Verbindung womit? Mit wem?
- Mit den Dingen.
- Du meinst, du seist, anders als ich, in der Lage, sie zu hören, mit ihnen zu sprechen?
- Das bin ich. Weil wir aneinander interessiert sind.
- Mehr als an euren Spiegelbildern.
- Ja, viel mehr.
- Du verurteilst also das Betrachten des eigenen Spiegelbilds.
- Nein, das tue ich nicht. Ich entschied mich lediglich für etwas anderes.
- Gibt es denn keinen Mittelweg?
- Doch, den gibt es, aber der ist schwer zu beschreiten. Ich weiß nicht, ob ich es könnte.
- Dabei scheinst du so stark.
- Du siehst mich nicht ganz.
- Wegen der Spiegel?
- Wegen der Spiegel.


Das musste ich erst einmal sacken lassen.
Sprachen wir also über die Fundstücke. Wir waren uns einig, dass sie uns einmal nützlich sein könnten und wir sie deshalb gut verwahren sollten. Die Angelschnur brachten wir gleich zum Einsatz. Ihr eines Ende schlangen wir um ein Füßchen der Nachtigall und schoben zum Schutz ein zartgrünes Blättchen zwischen Schnur und Bein. Das andere Ende befestigten wir an einem Stein. So wollten wir sichergehen, dass der kleine Vogel, sollte er überraschend aufwachen, nicht davonfliegen würde.
Überhaupt war dieses schlafende Tier das erstaunlichste unter den Fundstücken. Es hatte in einer Schublade in dem seltsamen Haus gelegen. Zuerst hatte ich es für tot gehalten, obwohl das Federkleid so frisch aussah. Ich hatte den kleinen Körper behutsam in die Hand genommen. Er war ganz schlaff, das Köpfchen baumelte herab. Aber er war warm und das Herz pochte leise. Ein Lebewesen im Tiefschlaf. Mir waren Tränen in die Augen geschossen. So etwas Anrührendes war mir nie zuvor begegnet. Ich zeigte dir den Vogel, du erkanntest ihn sogleich als Nachtigall. 
Nach meiner Flucht und der Wiederbegegnung mit dir am Fluss bereiteten wir dem kleinen Schläfer ein Lager aus Moos und Blütenblättern. Wir betteten ihn regelmäßig um und gaben ihm mithilfe eines Grashalms Tau zu trinken. Ich war verzaubert von den winzigen Schluckbewegungen, dem zarten Flaum unter dem hellbraunen Gefieder, dem kaum sichtbaren Heben und Senken des kleinen Brustkorbs, dem leisen Herzschlag.
Ich begann zu lieben, was wir hier taten.

Sonntag, 7. April 2013

Liste der Fundstücke (nach dem Traum 4)

neben der Spritze und dem Bilderbuch:

- ein Notizbuch 
- ein Bleistift

(Welche du benutztest, um für jedes einzelne Fundstück eine eigene Seite anzulegen, auf der später genauere Beschreibungen festgehalten werden sollten.)

- einige Meter Angelschnur
- ein Tütchen Sonnenblumensamen
- ein Klappspaten
- ein Stück Treibholz
- eine schlafende Nachtigall

Am nächsten Morgen (nach dem Traum 3)

(... und weiter mit dir. Wer bist du?)

Am nächsten Morgen wolltest du reiten. Noch bevor ich ein Wort über die Nacht verlieren konnte, die so ...
Komm schon!, riefst du ungeduldig, und ich schüttelte den Silberstaub ab, saugte den Tau von meinen Fingern. Du hattest die zwei erstbesten Pferde gesattelt. Wo kamen die her? Und konnte ich überhaupt reiten? Ich konnte.
Wir flogen über die erwachenden Wiesen, und zum ersten Mal hörte ich dieses Jauchzen, das tief aus deiner Brust kam und nach dem ich augenblicklich süchtig wurde. Aber nein, dies war gar nicht das erste Mal, ich hatte es schon einmal gehört, in der Nacht, ja, und dabei gedacht, wie unglaublich schön du bist.
Ich rief mir unser Gespräch vom Abend ins Gedächtnis. Wir hatten unser Lager am Fluss aufgeschlagen und lagen dicht beieinander, um uns zu wärmen. Du erzähltest, du habest noch nie in einen Spiegel gesehen. Nicht zu fassen. Das sollte ich dir glauben? Du batest mich, die Augen zu schließen, Dein Gesicht mit meinen Händen zu ertasten und Dir zu beschreiben, was ich 'sah'. Es fiel mir zunächst nicht leicht, denn ich hatte Dich ja bereits wirklich vor Augen. Nach einer Weile aber spürte ich, dass meine Finger ganz neue Facetten entdeckten. Ich glitt über sanfte Rundungen und stieß an harte Kanten, es gab weiche Stellen, die mich rührten und geheimnisvolle Winkel, die mich erregten. Das alles versuchte ich für Dich in Worte zu fassen. 
Ich ertastete auch dein Lächeln, das auf meine unbeholfenen Beschreibungen folgte, strich über deine Lippen und ließ deine Zunge mit meinen Fingern spielen. Du fragtest, ob ich es schaffen würde, die Augen geschlossen zu halten, und ich erwiderte, ich wolle es versuchen. Wir liebten uns blind, aber danach war mir, als hätte ich noch nie irgendjemanden so sehr gesehen wie dich.
Darüber hätte ich gerne mit dir gesprochen. Und ebenso gerne hätte ich mit geöffneten Augen wiederholt, was wir mit geschlossenen getan hatten. 
Doch stattdessen nun dieser Ritt. Die Welt, die auf uns zuflog mit einer Geschwindigkeit, die mich ahnen ließ, dass es von hier kein Zurück mehr gab. Dein Jauchzen, das mich wünschen ließ, wie du zu sein. Hatte ich dich deshalb erträumt? Hatte ich? Dich erträumt?

Freitag, 5. April 2013

Hinaus ins Watt (mir selbst zur Aufmunterung zu sagen)

Rückzug allerorten. 
Nein, stimmt gar nicht. Weder wirklicher Rückzug, eher (Rück)Besinnung. Und auch nicht allerorten, sondern hier und da. Nur mein erstes Empfinden war so absolut. Als würde etwas wegbrechen, das bisher zuverlässig da war und an das ich mich jederzeit anlehnen konnte. 
Andreas Wolf drüben bei Sichten und Ordnen empfand es wohl ähnlich, so entnehme ich es seinem heutigen Blogeintrag.
Was passiert denn da? Menschen reflektieren ihr Tun und Lassen im Internet, speziell ihre Präsenz in Blogs. Sie stellen fest - nach einem langen grauen Winter -, dass es noch anderes gibt als das Vertiefen in Texte, zu schreibende wie zu lesende. Hebt man nämlich den Blick vom Bildschirm, von der Tastatur, vom Buch, vom weißen Blatt Papier, fällt er vielleicht durchs Fenster hinaus auf Boten aus einer anderen Welt, mit der wir fast gar nicht mehr zu rechnen wagten. Grün! Gold! Sie, wir spüren eine Art Unbefriedigung in unserem Tun, das uns bis vor kurzem noch so unendlich wichtig war, in dem wir sogar rettende Funktionen entdeckt hatten, teils sogar lebensrettende, so das Empfinden, das nicht lügt, nur manchmal Scheuklappen trägt und sich als exklusiv betrachtet. Wir glaubten, angekommen zu sein auf einer beweglichen Plattform und hatten uns gerade eingerichtet, da passierte etwas, das nicht nur aus uns kam, sondern auch von außen auf uns zu. Dass es das gab, hatten wir fast vergessen in unserer geschlossenen Welt, deren Begrenzung wir aufgrund ihrer enormen Ausdehnung gar nicht wahrgenommen hatten. Da flatterten Nachrichten herein aus Fernen, Lüfte und Bücher und Vögel, Wildheiten, Fremdes. Und Bekanntes. Tief von den Wurzeln her. Bekanntes, Vertrautes, das uns gerne mal wieder in die Arme schließen wollte. Und wir ließen es zu, ließen uns herumtragen, ließen uns zeigen, was es sonst noch gab an Möglichkeiten, ließen uns mitnehmen, überließen uns dem Fluss ...
Wir würden wiederkommen, mit der Flut.
(Diese Gedanken sind sehr meine. Dass ich "wir" schreibe, bedeutet nicht, dass ich anderen die gleichen Motive unterstelle wie mir. Und auch nicht, dass ich meine damit ganz erfasse.)

An einigen Stellen gibt es gerade ein Nachdenken übers Blogschreiben (wie es das ja immer mal wieder gibt, überall), ein Nachdenken über das Warum, Was, Wie, Wozu, z.B. bei Melusine (da hat es mich am stärksten berührt, im ersten Moment sogar schmerzlich getroffen), vorher auch bei Norbert W. Schlinkert, z.B. hier (da auch in einem Kommentar von Phyllis Kiehl), und bei Andreas Wolf. Es gibt noch weitere Stellen. Mir kommt es vor wie eine Welle. Oder wie eine den Gezeitenkräften unterworfene Bewegung. Worin dann auch eine begründete Hoffnung läge: Das Meer kommt wieder, absolut zuverlässig, und schwemmt Neues ans Land. Derweil können wir Schätze sammeln im Watt.

Ich zitiere an dieser Stelle mal ein älteres Gedicht von mir, weil es grade gut passt. Für mein Empfinden jedenfalls.


Hinaus ins Watt

Verlass nicht diese 
Stelle die sich 
erschöpft hat gerade 
als du tief
eintauchen wolltest Ebbe
hinaus ins Watt 
Schätze zu sammeln
Muscheln und Herzsteine
zum Fädeln auf 
die goldene Schnur 
deiner Erinnerung bevor 
die Flut wiederkehrt
und dir das 
Meer zurückgibt genau 
an dieser Stelle

(27. März 2010)  


to be continued ...

Mittwoch, 3. April 2013

Weitergehen (Loses Blatt #57)

Was weitergeht, bleibt. Was stehenbleibt, geht.

Dienstag, 2. April 2013

So weit draußen

Als ich losließ
setzte die Schwerkraft aus
ich klammerte mich 
an eine Seifenblase
die zerplatzte
ich trudelte weiter
bis ich von innen
an meine Haut stieß
so weit draußen war ich
noch nie gewesen

Montag, 1. April 2013

... und weiter (nach dem Traum 2)

(Was als Traum begann, lässt mich nicht mehr los. Nach der ersten Fortsetzung nun eine weitere. Wo das hinführen wird? Wenn ich das wüsste.)

Am Fluss angekommen begann ich umgehend damit, mich meiner schmutzigen Kleider zu entledigen. Erst da, noch atemlos von der Flucht, wurde ich mir der Tasche bewusst, die ich den ganzen Weg mitgeschleppt hatte und die vollgestopft war mit Fundstücken aus dem seltsamen Haus. Ich musste sie mir reflexartig umgehängt haben, vielleicht weil ich die Dinge darin vor einer Entdeckung durch die Hüter bewahren wollte. Aus demselben Grund habe ich sie übrigens bisher in meiner Geschichte unerwähnt gelassen, sprach lediglich von der Spritze und dem Bilderbuch. Die anderen Fundstücke hatten mich unmissverständlich zum Schweigen aufgefordert, zum Wahren ihres Geheimnisses.
Ich legte die Tasche nah am Ufer ab, warf meine Kleider auf einen Haufen, die würde ich später waschen und zum Trocknen in die Sonne legen. Dann stieg ich nackt in den Fluss. Er war nur knietief an dieser Stelle, sprang über faustgroße Kiesel und entließ nach und nach kleine Fische aus seinen Schatten. Ich bückte mich, schöpfte vom kühlen Wasser und spritzte es mir ins Gesicht. Da legte sich von hinten eine Hand auf meine Schulter. Ich fuhr herum, schon in dieser blitzartigen Bewegung ahnend, wen ich vor mir sehen würde. Und tatsächlich. Da warst du, unverändert, von mir bis hierher getragen.
Ich unterdrückte meine aufkommende Verwirrung, wollte lieber fraglos hinnehmen, was da an scheinbar Unmöglichem geschah. Wollte nicht wissen, ob ich noch träumte oder längst erwacht war. Oder möglicherweise in einer Art Zwischenwelt gefangen war. Spielte das eine Rolle? Ich hatte eine Gänsehaut, mein Herz klopfte laut, dein Blick war wach und mir zugewandt. Und ich vernahm ein Rauschen, das sowohl vom Wasser als auch von meinem eigenen Blut als auch von einer Filmspule herrühren konnte. Wie unwichtig, das zu wissen.