Donnerstag, 28. November 2013

Erzähl doch einfach deine Geschichte

Erzähl doch einfach deine Geschichte, sagtest du und reagiertest damit auf meine Klage über die Schreibhemmung, die mich seit Wochen lähmt.
Erzähl doch einfach deine Geschichte. 
Du meintest es gut und ehrlich, aber ich musste darüber lachen. Tat ich doch nichts anderes. Schrieb und redete und schwieg ich doch seit jeher von nichts anderem als meiner Geschichte. Und leuchtete diese doch umso heller hervor, je mehr ich sie ins Dunkel zu schieben versuchte, indem ich andere Geschichten erfand. "Erfand", haha. Als ließe sich aus einer anderen Quelle schöpfen als der eigenen, als ließe sich mit eines anderen Kopf denken, mit eines anderen Lunge atmen.
Ich versuchte, dir dies zu erklären. Das ließ dich zunächst verstummen, für einen ganzen langen Tag. Am Abend aber kamst du zu mir in mein Zimmer, nachdem du zuvor zurückhaltender als gewohnt angeklopft hattest.
Ja?, fragte ich. Du blicktest zu Boden, dann in meine Augen. Ich kenne dich nicht mehr, sagtest du.
Das hatte ich erwartet. Dennoch versetzte es mir einen Stich. Die Antwort kostete mich einige Anstrengung: Du hast mich nie gekannt. Du hast mich lediglich einsortiert. Hättest du dies unterlassen, du hättest mich kennenlernen können. Stück für Stück, täglich mehr. Nicht täglich neu oder anders, so wie es dir jetzt erscheint.
Das schien mir bereits im Moment des Aussprechens zu einer furchtbar simplen Weisheit zu schrumpfen, wie von billigen Kalenderpostkarten abgeschrieben. Fast schämte ich mich. Für uns beide. Für mich, weil ich mit so banalen Aussagen daherkam. Und für dich, weil du trotzdem nicht verstehen konntest oder wolltest.
Ich begriff: Mich freizuschreiben, über Jahre hinweg, bedeutete gleichzeitig, mich aus einer vermeintlichen Nähe herauszuschreiben, einer Nähe zu Menschen, die mich zu kennen glaubten, die mich aber in Wirklichkeit nur gedeutet hatten aus dem - vielleicht zu wenigen und widersprüchlichen? - , was ich ihnen über Jahre gezeigt hatte.
Wie lässt sich dies wertungsfrei lösen? Ich hatte selbst mitgewirkt an meiner Einsperrung, hatte es aber zugleich nicht anders vermocht.
Nach vorne blicken, dort liegt ein Weg, auf den scheint hin und wieder die Sonne. Wer neugierig ist, darf mich begleiten. Etwas in der Art könnte ich sagen. Eine Einladung aussprechen. Mich im Gegenzug auch selbst als Begleiterin anbieten. Aber ist es so einfach? Und ist es notwendig? Will ich das?
Wenn du wüsstest, was für ein sicheres Zuhause mir meine Fragen sind.

Mittwoch, 27. November 2013

Befriedigung

Wie groß doch die Befriedigung nach dem Löschen diverser, seit geraumer Zeit im Entwurfordner wartender Blogartikel sein kann. Kaum zu unterscheiden von der Befriedigung nach dem Veröffentlichen.

Donnerstag, 21. November 2013

Danke, Doris Lessing!

Soll ich noch was zu Doris Lessing schreiben? Ist ja auch schon wieder - wieviele? - Tage her ihr Tod, inzwischen starben noch mehr Menschen, nähere bekannte, auch fernere bekannte wie Dieter Hildebrandt und viele, viele völlig fremde, ferne, in Massen untergehende.
Aber Doris Lessing ...

Ich habe sie mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig gelesen. Verschlungen eigentlich. Angefangen mit dem Goldenen Notizbuch, weitergemacht mit dem Martha-Quest-Zyklus und einigen anderen. Auch die späteren Werke gerne gelesen, manche waren mir dann zu flach, beeindruckend-verstörend Das Fünfte Kind, unglaublich spannend ihre Autobiografie. Schade, dass sie die nicht fortgeführt hat nach dem zweiten Teil.

Doris Lessing war wichtig für mich in einer Zeit, in der ich ausbruchartig versuchte, mich zu emanzipieren, mehr als Mensch denn als Frau, letzteres kam erst später. 
Aus dem Goldenen Notizbuch blieb mir am eindrücklichsten der Versuch der Protagonistin, ihre verschiedenen Lebensbereiche säuberlich getrennt zu halten durch das Führen verschiedenfarbiger Notizbücher. Genau das machte ich auch! Als passten bzw. gehörten die unterschiedlichen Bereiche nicht zusammen, als handelte es sich  gar (aber nur fast!) um getrennte Persönlichkeiten. Dabei waren es lediglich Facetten eines Ganzen, erforderte es einfach nur Selbstrespekt und -erlaubnis, all die Einzelaspekte mit- oder nebeneinander zu integrieren. 
Ich kenne das noch heute im Ansatz, führe aber längst keine getrennten Notizbüchern mehr, nur noch einen DIN A6 Terminkalender, in den ich alles eintrage und dieses eine Blog, das für mich mein Goldenes Notizbuch ist. Hier kommt alles rein, was aus mir raus will, nur notdürftig durch Labels kategorisiert. Ein Mischmasch. Und manches bleibt geheim, das ist dann allermeinst.

Doris Lessing ... In manchem blieb sie mir fremd, eine gewisse Härte oder innere Abgeriegeltheit haftete ihr an, fragwürdig in meinen Augen ihr Selbstversuch, durch Schlaf- und Nahrungsentzug verrückt zu werden, fragwürdig vor allem ihre Auswertung dieses Versuchs und Deutung seines Ergebnisses. Ach, na und, sie hat sich was getraut und zugemutet, auch abseits gängiger Wege. 

Sie war nicht vereinnahmbar. Und jetzt, da ich das schreibe, wird mir klar, dass es wohl genau diese Eigenschaft war, die sie für mich so anziehend machte. Nachdem ich mich selbst über Jahre hinweg vollkommen hatte vereinnahmen lassen. Doris Lessing, eine Frau, die sich zweifelhaften Vereinigungen anschloss, diese aber auch wieder verlassen konnte, inklusive (selbst)kritischem Rückblick, die sich später jeglicher Gruppierung und Bewegung verweigerte, aber immer politisch denkend blieb.

Genau in dieses Verweigerungsverhalten passte auch ihr Vorwort in der 1971er Auflage vom Goldenen Notizbuch, auf das ich mich hier im Blog schon einmal bezogen habe: Es gibt nur eine Art, Bücher zu lesen

Seltsam kurz übrigens der Wikipedia-Artikel, aber wenigstens gibt's dort eine vollständige Literaturliste.
Ein paar ihrer Werke will ich wiederlesen. Das ist ein Schatz, den sie da hinterlassen hat.

Danke, Doris Lessing!

Sonntag, 17. November 2013

Novembertaggedanken/ A cup of atrabiliousness

Novembergrau.
Wie es brandet hinter meiner Stirn.
Aufgabe: Ein Ziel finden und fokussieren in der Unendlichkeit eines geschlossenen Kreises.
Die Tür nach drinnen ließ sich so leicht öffnen, warum ist die nach draußen so schwergängig?
Was hebt mich aus den Angeln?
Der Fluss hat keinen Anfang und kein Ende, trägt aber seine Mitte stets bei sich.
Wörter. Manchmal werden sie zu Worten.
Meine Sehnsucht ist eine Perlenschnur (Dieser Satz will keinen Punkt.)
Was du mir bist? Ich weiß es nicht, aber beim drüber Nachsinnen muss ich lächeln, innen wie außen.
Der Tag.
Das Jahr.
Ein Leben.
Wie gelassen das Wissen um ein Ende machen kann, wenn man nicht mehr jung ist.
Immer liegt irgendwo Schönheit.
Immer wartet irgendwo das Grauen.
Und dazwischen (Denken Sie sich an dieser Stelle das Geräusch eines tiefen Atemzugs.)
Was das hier ist? Nicht mehr als eines Novembertages Gedanken in einer leicht variierenden xten Wiederholung.
I like that.
Let's have a cup of atrabiliousness.
And some Victorian poems.
Now.

Donnerstag, 14. November 2013

Donnerstag, 7. November 2013

Echo

Wie es sich schreibt
wie es sich in den Tisch schreibt
und in den Spiegel
wie es sich in den Weg schreibt
den, der vor mir liegt
und den, der hinter mir liegt
wie es sich in die Blicke meiner
Gegenüber schreibt
und in deren Münder
wie es sich in den Tag schreibt
und in die Nacht
wie es sich fortschreibt
und fort
wie es sich einschreibt
den Dingen
den Händen
und den Träumen
wie es sich einschreibt
meinem Echo
wie es sich meinem Echo
untrüglich einschreibt

Sonntag, 3. November 2013

Konjunktive Gedanken

Wenn mir jetzt ein Satz einfiele, welcher wäre es dann?
Oder auch nur ein Wort, ein einzelnes Zeichen. Welches wäre es?
Flöge mir ein Gedanke zu, welcher wäre es? Und nistete er sich ein?

Ich denke so gerne konjunktiv.

Setzte sich ein Vogel auf meine Fensterbank und schaute mich an, wie reagierte ich? Nickte ich ihm zu? Wäre ich scheuer als er?
Schliefe dieser Vogel ein, nähme ich ihn in Schutz? Wagte ich, ihn zu berühren, ihn zu bergen vor dem Sturm?
Handelte es sich um eine Nachtigall, rettete ich sie aus der wortlosen Phantasie in eine Geschichte hinein?
Und ließe ich sie am Ende wieder los?

Ich denke so gerne in konjunktiven Kreisen, in Spiralen, in Möbiusbändern, im ewig sich Wiederholenden, Variierenden, sich neu Begegnenden.

Wenn mich jetzt eine Nachtigall besuchte, wäre ich überrascht? Wüsste sie mehr als ich?
Bliebe sie, während ich mich völig neuen, von ihr abgewandten Dingen widmete?

Ich kann diese Gedanken nicht wirklich ernst nehmen. Oder doch? Sie flattern nahezu ohne Geräusch. Und sie machen mir Spaß. Irgendetwas lerne ich von ihnen, und es scheint nicht wichtig, zu wissen, was.