Ich schreibe an einem Ende für die Nachtigallgeschichte. Und parallel dazu an einem Epilog. Beides hätte ich gerne noch vor meinem Urlaub fertiggestellt. Eben habe ich mich nochmal drangesetzt und gemerkt, dass ich's nicht einfach so über den Zaun brechen kann (das sowieso nicht) und will. Ich muss mich diesem Abschluss ganz zuwenden können, ohne gedanklich bereits am Urlaubsort zu sein. Das hat die Geschichte verdient, finde ich. Und sie wird ja auch dann noch nicht fertig sein, sondern der Überarbeitung bedürfen, damit aus den zahlreichen Fragmenten ein rundes Ganzes wird. Wobei rund für mich nicht glatt oder eben bedeutet. Auch unser Planet mit seinen höchsten Höhen und tiefsten Tiefen ist ja rund. Aber eben nicht glatt. Mit rund meine ich eher um einen Kern herum angeordnet und auf diesen bezogen.
Aber dass ich so lange für diese eine einzige Geschichte brauche ...
Vielleicht weil sie mehr ist als das, mehr als einfach nur eine Geschichte. Jedenfalls in ihrer Bedeutung für mich.
Ich schreibe so oft in Andeutungen, nicht wahr? Eins kann ich versichern: Es steckt keine Taktik dahinter, kein Kalkül, sondern entspringt dem Fakt, dass sich mir vieles nur andeutungsweise erschließt und ich vorsichtig umgehe(n will) mit dem, was ich bereits zu begreifen glaube und dem, was sich noch in scheuer Annäherung befindet. Also zwar "nur" Andeutung, aber dennoch aufrichtig. Oder umgekehrt: Wegen des Wunsches, aufrichtig zu sein, "nur" Andeutung. Ach, und eigentlich kommt mir das ganze Leben wie eine einzige Aneinanderreihung von Andeutungen vor. Aber das ist meiner derzeitigen Neigung zur Melancholie geschuldet. Die (vielleicht) (auch) wetterbedingt ist.
Meine Abreise hat sich von heute auf morgen verschoben, was nun aber nicht bedeutet, dass ich mehr Zeit hätte, um in aller Ruhe zu packen. Nein, ich habe heute vormittag noch gearbeitet und lasse nun den Rest des Tages baumeln, um dann morgen (statt heute) alles auf den letzten Drücker zu erledigen. Ist aber gar nicht schlimm. Mein Koffer ist das Verreisen gewöhnt und packt sich inzwischen fast von selbst. Und mein Auto kennt die Strecke auswendig. Absolute Stresslessness.
Im Gepäck diesmal wegen der geringen Aussicht auf Ständigdraußenseinkönnenwetter und in größerer Menge als sonst Bücher und Filme. Und wie immer Appetit auf Fisch und Fleisch, Gemüse und Salat, Knoblauch und Wein und Pastis, Baguette und Croissants und Erdbeerartelettes ...
Das Schönste überhaupt: Dass meine Tochter für eine Woche dabei sein wird.
Und das Schöne am Bloggen: Dass alles darf, nichts muss und ich meine eigene Chefin bin.
À bientôt!
Samstag, 29. Juni 2013
Donnerstag, 27. Juni 2013
Warten und atmen
Flughemmung?
Sie wartet.
Die Buchstaben machen ihr keine Angst mehr, im Gegenteil: Längst ist sie mit ihnen vertraut, ohne dass eins das andere hätte zähmen müssen.
Selbst die besonders schwarzen unter ihnen, die des unsäglichen Gesetzes, haben ihre Macht verloren. Eine Macht, die - so hatte sie schließlich erkannt - von Gehorsam lebte. Entzog man diese Nahrung, schrumpfte die Macht, vertrocknete bis in die Eingeweide, ohne dass auch nur ein einziger Tropfen Blut floss. Blieb nichts als eine staubige Hülle.
Die Buchstaben selbst konnten nichts für den doppelten Missbrauch, der an und mit ihnen getrieben wurde.
Sie wartet. Und ist dabei nicht untätig.
Sie gibt den Buchstaben einen neuen Sinn, indem sie mit ihnen spielt, sie bunt durcheinander würfelt, sie kitzelt, hoch in die Luft wirft oder zum Tanz auffordert. Manchmal überlässt sie die Buchstaben sich selbst, und dann erkennt sie deren Zutraulichkeit. Sie wenden sich nämlich nicht ab, sondern fügen sich zu Gebilden, auf die sie nie gekommen wäre, und bieten sich ihr als Geschenk dar.
Sie wartet. Und da ist noch etwas anderes, das wartet.
Jenseits (oder diesseits?) der Buchstaben liegt eine Welt, die sie manchmal vergisst. Eine Welt, die ohne Buchstaben auskommt. Eine Welt, von der manche behaupten, sie sei dem Wort entsprungen, wofür sie dann wortreiche Begründungen liefern, die sie innerhalb ihres geschlossenen Argumentationskreises als Beweise betrachten. Sie irren! Selbst dann, wenn sie am Ende recht behalten sollten.
Diese Welt ist wirklicher als jedes Wort, ist ihm entwachsen und lässt sich ohne Beschneidung nicht mehr zurücknehmen in die einstige Begrenzung, so diese überhaupt existierte. Eine Welt, die sich in ihren wunderbarsten Teilen nur der Sprachlosigkeit erschließt.
Sie wartet. Und lauscht ihrem Atem.
Denn zu erzählen gibt es trotz aller Sprachlosigkeit Unendliches, zu dem sich die Buchstaben nur noch zusammenfinden müssen, zusammenfinden werden, da ist sie ganz zuversichtlich. Innerhalb eines Raums aus Geduld und Aufmerksamkeit.
Sie wartet.
Die Buchstaben machen ihr keine Angst mehr, im Gegenteil: Längst ist sie mit ihnen vertraut, ohne dass eins das andere hätte zähmen müssen.
Selbst die besonders schwarzen unter ihnen, die des unsäglichen Gesetzes, haben ihre Macht verloren. Eine Macht, die - so hatte sie schließlich erkannt - von Gehorsam lebte. Entzog man diese Nahrung, schrumpfte die Macht, vertrocknete bis in die Eingeweide, ohne dass auch nur ein einziger Tropfen Blut floss. Blieb nichts als eine staubige Hülle.
Die Buchstaben selbst konnten nichts für den doppelten Missbrauch, der an und mit ihnen getrieben wurde.
Sie wartet. Und ist dabei nicht untätig.
Sie gibt den Buchstaben einen neuen Sinn, indem sie mit ihnen spielt, sie bunt durcheinander würfelt, sie kitzelt, hoch in die Luft wirft oder zum Tanz auffordert. Manchmal überlässt sie die Buchstaben sich selbst, und dann erkennt sie deren Zutraulichkeit. Sie wenden sich nämlich nicht ab, sondern fügen sich zu Gebilden, auf die sie nie gekommen wäre, und bieten sich ihr als Geschenk dar.
Sie wartet. Und da ist noch etwas anderes, das wartet.
Jenseits (oder diesseits?) der Buchstaben liegt eine Welt, die sie manchmal vergisst. Eine Welt, die ohne Buchstaben auskommt. Eine Welt, von der manche behaupten, sie sei dem Wort entsprungen, wofür sie dann wortreiche Begründungen liefern, die sie innerhalb ihres geschlossenen Argumentationskreises als Beweise betrachten. Sie irren! Selbst dann, wenn sie am Ende recht behalten sollten.
Diese Welt ist wirklicher als jedes Wort, ist ihm entwachsen und lässt sich ohne Beschneidung nicht mehr zurücknehmen in die einstige Begrenzung, so diese überhaupt existierte. Eine Welt, die sich in ihren wunderbarsten Teilen nur der Sprachlosigkeit erschließt.
Sie wartet. Und lauscht ihrem Atem.
Denn zu erzählen gibt es trotz aller Sprachlosigkeit Unendliches, zu dem sich die Buchstaben nur noch zusammenfinden müssen, zusammenfinden werden, da ist sie ganz zuversichtlich. Innerhalb eines Raums aus Geduld und Aufmerksamkeit.
*
Liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle passt es, dass ich schonmal meinen nahen Urlaub ankündige und die übliche damit verbundene Internetlosigkeit. Am Samstag geht's los. Erstmal für eine Woche, vielleicht werden aber auch zwei draus. Und vielleicht schreibe ich vorher noch einen weiteren Blogbeitrag, vielleicht aber auch nicht.
So eine Unbestimmtheit. Als wäre ich beim Wetter in die Lehre gegangen. ;-)
Dienstag, 25. Juni 2013
Montag, 24. Juni 2013
Hoffnung
für H.
Ich wünschte, ich könnte dir Sommer sein
Sonne und hüfthohes Gras
Hitze und Haut
stattdessen bin ich dir Herbst
weil mein Wort nicht hält, sondern fällt
und mit ihm fällst du
Lass uns schweigen, das Jahr dreht sich weiter
ich weiß, nach dem Frost kommt das Grün
und mit ihm -
(vielleicht)
Landschaft von Marlies Blauth |
*
Marlies Blauth, deren Blog ich folge, hat etwas Neues eingerichtet: Sie stellt einen Teil Ihres Werkes (Bilder und Texte) als kostenlosen Download zur Verfügung. Das finde ich ganz wunderbar, weil es zum einen meiner Idee vom Teilen im Netz (aber nicht nur da) entspricht und ich zum anderen Ihre Werke sehr schätze, vor allem die Landschaften in Grün haben es mir angetan. Herzlichen Dank, Marlies!
Labels:
Bildfund,
Gedichte,
Marlies Blauth,
Projektfund
Freitag, 21. Juni 2013
Wie könnte
Wie könnte ich dir
etwas Neues sein
unter der alten Haut
dieselbe Kugel Gold
darin: das immerselbe
wie könnte ich dir
anders sein
ein nicht nur
auswendig Gekanntes
nein, inwendig
ach, bis wir dorthin
kommen
bis wir soweit
sind
da muss noch viel
an uns
vorüberziehn
sind wir denn mehr als
Blindflüge ins Nichts?
wir wissen ja nicht einmal
ob wir wirklich wollen
was wir hoffen
oder weißt du's, sag
weißt du's vielleicht?
Mittwoch, 19. Juni 2013
Jeden Dienstag
Jeden Dienstag, wenn ich nach meiner Mittagspause durch den Ort zurück zum Laden spaziere, stehen an der Ecke vor der Unterführung eine Frau und ein Junge. Sie schätze ich auf Anfang dreißig, ihn auf etwa acht Jahre. Sie ist zierlich, mittelgroß, immer hell gekleidet und trägt ihre langen blonden Haare jedesmal zu einer anderen Frisur gebunden. Er ist blass und schmal, sein Kopf ist kahl, auch Augenbrauen und Wimpern fehlen. Wenn es so warm ist wie gestern, trägt er ein kurzärmliges T-Shirt, dann kann man das Pflaster sehen, das in seiner Ellenbeuge klebt.
Ich habe die beiden im Sichtfeld, sobald ich mich ihnen bis auf etwa dreißig Schritte genähert habe. Das macht ungefähr halbsoviele Sekunden, in denen ich Zeit habe für eine Menge Spekulationen. Über das, was sie hinter sich haben. Über das, was sie vor sich haben. Über das, was ihr Leben bis in alle Bereiche bestimmt. Ich spekuliere und interpretiere und würde am liebsten zu ihnen treten und sagen "Ich weiß." Dabei kann ich es gar nicht wissen. Niemand kann das. Es ist eine Erfahrung, die sie machen und die jeden treffen kann, die aber dennoch nicht teilbar ist, weil sie abgesehen von den äußeren Fakten und Geschehnissen auch innendrin passiert. In jedem einzelnen. Die Frau, in der ich die Mutter des Jungen vermute, kann auch nicht die Erfahrung des Jungen, in dem ich den Sohn der Frau vermute, teilen. Und er kann die ihre nicht teilen. Trotzdem stehen sie da zusammen, jeden Dienstag seit nunmehr acht Wochen, stehen da ganz ruhig, sprechen ein wenig miteinander, berühren sich nicht, aber halten sich trotzdem, irgendwie.
Stelle ich mir vor.
Mich rührt diese Szene sehr an.
Gestern standen sie nicht an ihrem gewohnten Platz, im ersten Moment versetzte mich das in Schrecken, aber nachdem ich ein paar Schritte weitergegangen war, erblickte ich sie auf der anderen Straßenseite. Ich war erleichtert. Sie hatten einfach nur einen Schattenplatz gesucht. Ich lächelte und nickte ihnen zu, wortlos. Ob sie mir meine Erleichterung ansahen? Jedenfalls lächelten sie mir ebenfalls grüßend zu. Der Junge blickte dann auf zur Frau und nahm ihre Hand.
Was habe ich von diesem meinem Gefühl der Erleichterung zu halten?
Irgendwann werden sie nicht mehr an der Ecke stehen. Der Junge wird kein Pflaster mehr in der Ellenbeuge tragen, seine Haare werden wieder wachsen. Sie werden eine normale Familie sein, über die niemand mitleidig spekuliert. (Es kann auch ganz anders kommen, aber daran will ich nicht denken, ich will ihnen eine gute Zukunft erdenken.)
Ich glaube, sie erkennen mich inzwischen auch wieder, und so wenig ich ihnen geben kann, so unmöglich ein Teilen ist, so gehört vielleicht auch für die Frau und den Jungen unsere Begegnung inzwischen zu den Dienstagen und deren Abläufen dazu. Und vielleicht ahnen sie etwas von meinen Spekulationen und Interpretationen. Und vielleicht lag in dem Lächeln, das wir gestern tauschten, nachdem wir uns nach meinem ersten Schreck doch noch entdeckt hatten, so etwas wie ein Frohsein darüber, dass wir alle noch da sind.
Aber auch das ist, jedenfalls soweit es die beiden betrifft, reine Spekulation meinerseits.
Ich habe die beiden im Sichtfeld, sobald ich mich ihnen bis auf etwa dreißig Schritte genähert habe. Das macht ungefähr halbsoviele Sekunden, in denen ich Zeit habe für eine Menge Spekulationen. Über das, was sie hinter sich haben. Über das, was sie vor sich haben. Über das, was ihr Leben bis in alle Bereiche bestimmt. Ich spekuliere und interpretiere und würde am liebsten zu ihnen treten und sagen "Ich weiß." Dabei kann ich es gar nicht wissen. Niemand kann das. Es ist eine Erfahrung, die sie machen und die jeden treffen kann, die aber dennoch nicht teilbar ist, weil sie abgesehen von den äußeren Fakten und Geschehnissen auch innendrin passiert. In jedem einzelnen. Die Frau, in der ich die Mutter des Jungen vermute, kann auch nicht die Erfahrung des Jungen, in dem ich den Sohn der Frau vermute, teilen. Und er kann die ihre nicht teilen. Trotzdem stehen sie da zusammen, jeden Dienstag seit nunmehr acht Wochen, stehen da ganz ruhig, sprechen ein wenig miteinander, berühren sich nicht, aber halten sich trotzdem, irgendwie.
Stelle ich mir vor.
Mich rührt diese Szene sehr an.
Gestern standen sie nicht an ihrem gewohnten Platz, im ersten Moment versetzte mich das in Schrecken, aber nachdem ich ein paar Schritte weitergegangen war, erblickte ich sie auf der anderen Straßenseite. Ich war erleichtert. Sie hatten einfach nur einen Schattenplatz gesucht. Ich lächelte und nickte ihnen zu, wortlos. Ob sie mir meine Erleichterung ansahen? Jedenfalls lächelten sie mir ebenfalls grüßend zu. Der Junge blickte dann auf zur Frau und nahm ihre Hand.
Was habe ich von diesem meinem Gefühl der Erleichterung zu halten?
Irgendwann werden sie nicht mehr an der Ecke stehen. Der Junge wird kein Pflaster mehr in der Ellenbeuge tragen, seine Haare werden wieder wachsen. Sie werden eine normale Familie sein, über die niemand mitleidig spekuliert. (Es kann auch ganz anders kommen, aber daran will ich nicht denken, ich will ihnen eine gute Zukunft erdenken.)
Ich glaube, sie erkennen mich inzwischen auch wieder, und so wenig ich ihnen geben kann, so unmöglich ein Teilen ist, so gehört vielleicht auch für die Frau und den Jungen unsere Begegnung inzwischen zu den Dienstagen und deren Abläufen dazu. Und vielleicht ahnen sie etwas von meinen Spekulationen und Interpretationen. Und vielleicht lag in dem Lächeln, das wir gestern tauschten, nachdem wir uns nach meinem ersten Schreck doch noch entdeckt hatten, so etwas wie ein Frohsein darüber, dass wir alle noch da sind.
Aber auch das ist, jedenfalls soweit es die beiden betrifft, reine Spekulation meinerseits.
Sonntag, 16. Juni 2013
Lieblingsleserin sein (Loses Blatt #62)
Fragte man meine Lieblingsbücher, welche Leserin sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden, hoffe ich sehr, sie stimmten für mich.
Samstag, 15. Juni 2013
Fallen (nach dem Traum 15)
Wie ich auf einmal falle, in alles falle ohne Unterlass und nicht mehr sein will ohne dieses Fallen, und ist doch gar kein Herbst - fall - atumn, harvest, fall - to fall - nein: fallen, wirklich fallen ließ ich mich im Frühling - spring - to spring, sprang, sprung - I sprang from your wholehearted gaze - entspringe neu in diesem Fallen, entspringe neu und sehend deinem Blick - bleibst du, wenn schließlich alles um uns fällt? - ich zweifle seit -
*
Du warst spazieren. Ich habe heimlich in deinen Notizen geblättert. Darin hast du die Fundstücke aufgelistet und deren mögliche Verwendung beschrieben. Die Angelschnur hatten wir benutzt, um die Nachtigall festzubinden. Inzwischen ist sie wieder losgebunden, und die Schnur bewahren wir aufgerollt neben den anderen Fundstücken in einer kleinen Grube, die wir mit dem Klappspaten ausgehoben und mit Blättern verkleidet haben.
Der Klappspaten. Ich will vergessen, welchen Verwendungszweck du unter anderen dazu notiert hast. Will es vergessen, vergessen, VERGESSEN!
Auch das Stück Treibholz, die Sonnenblumensamen - VERGESSEN!
Die Flüssigkeit in der Spritze soll ein Erwachen bewirken. Das verstehe ich nicht. Wäre es also möglich, sie der Nachtigall zu verabreichen und diese damit zu wecken? Wenn ja, warum tun wir es nicht? Oder ist ihre Wirkung gar so stark, dass ich dich damit - im Falle deines -
Nein! Ich kann hier, ich will hier nicht weiterdenken.
Was ist mit dem Pop-up-Bilderbuch? Seit unserem Erlebnis in dem seltsamen Haus, als wir mit unseren Armen tief in einen weiten, hinter den Vorhängen im Buch verborgenen Raum eintauchten, haben wir es nicht mehr aufgeschlagen. In deinen Notizen hast du dazu lediglich vermerkt: 'hinter dem Vorhang vortreten'.
Als du von deinem Spaziergang zurückkehrst, findest du mich verstört, obwohl ich mich bemühe, es zu verbergen. Als hätte ich je etwas vor dir verbergen können. Du fragst nicht, streichst mir nur durchs Haar und sagst: 'Schon gut.' Ich muss nichts sagen, du weißt es sowieso. Etwas in mir bäumt sich auf gegen dieses Allwissen, aber der größte Teil von mir lässt sich fallen in deine Allumfassung, weil sie so gar nichts gemein hat mit der Allumfassung wie ich sie von den Hütern kenne.
'Bleib doch bitte für immer', sage ich nicht, sondern schweige ich in mich hinein, auch wenn es dort meinen kompletten Innenraum bis zum Bersten füllt.
'Haben wir nicht eine wundervolle Zeit zusammen', sagst du.
Freitag, 14. Juni 2013
Schreibbedarf
Was du schreibst
und
wie du schreibst
und
warum du schreibst
und
wozu du schreibst
ist schön
und gut
bedarf keiner
Bewertung
auch nicht
dass
du schreibst
auch nicht
ob
du schreibst
oder nicht
aber vielleicht
bedarf einer
oder eine
deines Schreibens
vielleicht auch nur
du
und
wie du schreibst
und
warum du schreibst
und
wozu du schreibst
bedarf keiner
Bewertung
auch nicht
dass
du schreibst
auch nicht
ob
du schreibst
oder nicht
aber vielleicht
bedarf einer
oder eine
deines Schreibens
vielleicht auch nur
du
Donnerstag, 13. Juni 2013
Wie es sein wird (nach dem Traum 14)
Wie es sein wird? Wir wissen es nicht. Das heißt, manchmal glaube ich, du weißt es sehr wohl, willst mich aber nicht teilhaben lassen an diesem Wissen. Ich frage dich auch nicht. Das wäre wie ein Überspringen und ein Auslassen. Aber ich will nichts überspringen und auslassen, ich will alles, jeden einzelnen Augenblick. Ich weiß nicht, wie lange wir uns noch hier am Fluss aufhalten werden. Und warum der Sommer nicht zu enden scheint, weiß ich auch nicht. Vergesse ich diese Fragen und wende mich stattdessen dem zu, was ist, so verengt sich zwar mein Fokus, stellt sich scharf auf den Moment, und dehnt sich aber zugleich die Zeit bis an den äußersten Rand, dort, wo sie nicht mehr fortschreitet und vergeht, sondern wo sie in sich ruht. Eine weiche Kugel mit einem unendlichen Innenraum.
Wären da nicht unsere Leiber, die nach dem erhitzten Aneinander und Ineinander sich wieder voneinander lösen und abkühlen. Unsere Hände streichen über Gänsehaut und winzige Nachbeben, und all dieses zarte, sich aufbäumende Leben scheint gefangen nicht im wieder und wieder sich reproduzierenden Jetzt, sondern im fortlaufenden Variieren. Minimale Veränderungen der Lust, der Gier und des Sattseins. Wir schlafen inzwischen nicht mehr regelmäßig ein in den Bächen, die wir vergossen haben, lassen sie nicht mehr von unserer Haut und der Erde, auf der wir erschöpft in den Schlaf sinken, einsaugen, sondern waschen sie im Fluss ab. Und waschen sie uns inzwischen nicht mehr gegenseitig ab, was dann regelmäßig zu neuen Ausbrüchen von Lust führte, sondern waschen jedes sich selbst. Wie mein Körper sich anfühlt, so losgelöst von deinem. Kaum zu glauben, dass er für sich ein Ganzes ist.
Erinnerst du die Nacht, die erste, die wir voneinander abgewandt einschliefen? Ich lag noch lange wach und erforschte mich. Und fragte mich, ob du das gleiche tatest. Und in der zweiten Nacht schon fragte ich mich das nicht mehr, sondern wandte mich mir zu und der Möglichkeit, meinen Arm weit zur Seite strecken zu können, ins Dunkle, an der Unterseite das feuchte Gras und an der Oberseite himmelhoch Luft.
Wie es sein wird? Ich versuche, diese Frage vom Zwischenuns zur Nachtigall umzulenken. Ich stelle mir vor, wie sie eines Tages aufwachen wird. Wie sie singen wird. Und dass es unbeschreiblich schön sein wird.
Mittwoch, 12. Juni 2013
Das Meer um die Ecke (Loses Blatt #61)
Dienstag, 11. Juni 2013
Welcher Ort
Welcher Ort
wenn nicht der
den ich
mir schaffe
Welche Zeit
wenn nicht die
die ich
mir nehme
Welches Ziel
wenn nicht das
das ich
mir wähle
Welcher Weg
wenn nicht der
den ich
mir ebne
Welche Tür
wenn nicht die
die ich
mir öffne
Welcher Raum
wenn nicht der
den ich
mir weite
Welcher Mensch
wenn nicht der
der sich
mir nähert
wenn nicht der
den ich
mir schaffe
Welche Zeit
wenn nicht die
die ich
mir nehme
Welches Ziel
wenn nicht das
das ich
mir wähle
Welcher Weg
wenn nicht der
den ich
mir ebne
Welche Tür
wenn nicht die
die ich
mir öffne
Welcher Raum
wenn nicht der
den ich
mir weite
Welcher Mensch
wenn nicht der
der sich
mir nähert
Montag, 10. Juni 2013
Beliebigkeit vs. Freiheit in Verbindung mit (Eigen)Verantwortung
Vor einigen Tagen veröffentlichte Antje Schrupp einen Text in ihrem Blog Aus Liebe zur Freiheit, der mich ein wenig zum Nachdenken veranlasst hat. Das tun ihre Texte oft, häufig rufen sie bei mir einen inneren, nicht immer näher identifizierbaren Widerspruch hervor, manchmal ärgern sie mich auch, jedenfalls lassen sie mich selten unberührt, weshalb ich sie als Anregung sehr schätze.
Der Titel des Textes, auf den ich mich hier beziehe, lautet "Keine Ziele haben. Eine Frage zur Grinsekatze im Wunderland."
Antje berichtet über ihre Teilnahme an einer Fortbildung zum Thema "Ideen anderen vermitteln", bei der es wohl mehr um "Werbung, nicht um Vermittlung von Ideen" ging.
Ein "Thema, das während dieser Fortbildung aufkam, war die Frage der Ziele." Dazu wurde als Beispiel ein Dialog aus Alice im Wunderland gebracht:
Darauf folgt ein interessanter Kommentarstrang, und auch ich habe heute meinen Senf dazugegeben. Ein paar Gedanken, die ich auch hier veröffentlichen möchte, weil sie mir unabhängig von der Diskussion drüben bei Antje wichtig sind.
Hier also:
Der Titel des Textes, auf den ich mich hier beziehe, lautet "Keine Ziele haben. Eine Frage zur Grinsekatze im Wunderland."
Antje berichtet über ihre Teilnahme an einer Fortbildung zum Thema "Ideen anderen vermitteln", bei der es wohl mehr um "Werbung, nicht um Vermittlung von Ideen" ging.
Ein "Thema, das während dieser Fortbildung aufkam, war die Frage der Ziele." Dazu wurde als Beispiel ein Dialog aus Alice im Wunderland gebracht:
"Grinsekatze", fragte Alice, "könntest du mir bitte sagen, wohin ich von hier aus gehen soll?" "Das hängt vor allen Dingen davon ab, wohin du gehen willst", antwortete die Katze. "Das ist mir ziemlich egal", sagte Alice. "Dann ist es auch egal, wohin du gehst", sagte die Katze.Dazu macht Antje sich Gedanken und gibt am Ende ihres Blogbeitrags an die Leserinnen weiter: "Jetzt würde mich interessieren, wie diese Episode in der Geschichte von Alice und der Grinsekatze eigentlich im Kontext gemeint ist, aber ich habe keine Lust, die ganze Alice im Wunderland-Geschichte zu lesen. Vielleicht ist es ja auch zweideutig. Und mich würde mal interessieren, wie Ihr das mit den Zielen handhabt und welche Erfahrungen Ihr damit habt."
Darauf folgt ein interessanter Kommentarstrang, und auch ich habe heute meinen Senf dazugegeben. Ein paar Gedanken, die ich auch hier veröffentlichen möchte, weil sie mir unabhängig von der Diskussion drüben bei Antje wichtig sind.
Hier also:
“Dann ist es egal, welchen Weg Du nimmst.”
Danke jedenfalls an Antje für die Anregung! |
Sonntag, 9. Juni 2013
Notiz an mich: (Loses Blatt #60)
Nicht gleich zum Überholen ansetzen, wenn die Zeit mal kurz stehenbleibt.
Samstag, 8. Juni 2013
Das Losbinden (nach dem Traum 13)
- Warum haben wir sie eigentlich festgebunden? (fragst du)
- Um zu verhindern, dass sie davonfliegt, sobald sie aufgewacht ist. (erwidere ich)
- Warum soll sie nicht davonfliegen dürfen?
- Sie kennt die Freiheit doch gar nicht. Wer weiß, ob sie alleine zurecht käme.
- Ist das der Grund? Dass wir sie schützen wollen?
- Du vermutest etwas anderes dahinter?
- Vielleicht wollen wir sie einfach bei uns behalten.
- Was wäre falsch daran? Schließlich lieben wir sie.
- Vielleicht bliebe sie ja freiwillig.
- Das können wir nicht wissen.
- Wir können es herausfinden.
- Wie?
- Indem wir sie losbinden.
- Wir werden nicht mehr ruhig schlafen können.
- Wir könnten es als Übung betrachten.
- Eine Übung in Loslassen? In Mut? In Vertrauen?
- Eine Übung in Liebe.
- ...
- ...
- Lass uns noch eine Nacht darüber schlafen.
- Lass es uns lieber jetzt gleich tun.
- Warum so eilig?
- Weil wir längst wissen, dass es das Richtige ist.
Vor zwei Stunden haben wir unsere (unsere?) Nachtigall losgebunden. Davor haben wir sie noch einmal umgebettet und ihr ein wenig Wasser eingeflößt. Sie schläft nach wie vor und atmet ganz ruhig. Wir hingegen sind jetzt sehr aufgeregt.
- Um zu verhindern, dass sie davonfliegt, sobald sie aufgewacht ist. (erwidere ich)
- Warum soll sie nicht davonfliegen dürfen?
- Sie kennt die Freiheit doch gar nicht. Wer weiß, ob sie alleine zurecht käme.
- Ist das der Grund? Dass wir sie schützen wollen?
- Du vermutest etwas anderes dahinter?
[Tut es etwas zur Sache, wer welchen Part in diesem Dialog übernimmt? Könnten die Rollen nicht ebenso gut vertauscht sein? Hier findet ein Gespräch statt, in dem zwei etwas miteinander zu ergründen versuchen. Vielleicht wäre dies sogar in Form eines Selbstgesprächs möglich. In jedem Falle bedarf es eines Gesprächs.]
- Vielleicht wollen wir sie einfach bei uns behalten.
- Was wäre falsch daran? Schließlich lieben wir sie.
- Vielleicht bliebe sie ja freiwillig.
- Das können wir nicht wissen.
- Wir können es herausfinden.
- Wie?
- Indem wir sie losbinden.
[Sie bemühen sich aufrichtig. Sie blicken ihren Sehnsüchten und Ängsten ins Auge. Sie möchten das Richtige tun. Sie fürchten sich vor Verlust. Sie können frei entscheiden, und sind nahe daran zu erkennen, dass nur eine ihrer möglichen Entscheidungen mit Freiheit zu tun hat.]
- Wir werden nicht mehr ruhig schlafen können.
- Wir könnten es als Übung betrachten.
- Eine Übung in Loslassen? In Mut? In Vertrauen?
- Eine Übung in Liebe.
- ...
- ...
[Sie weinen ein wenig. Aber nicht aus Sentimentalität, nein, es gehört einfach als Lebensäußerung dazu und hat nichts Verzweifeltes. Sie wissen es ja: Die Liebe erweist sich im Freilassen. Sie wissen das auch ohne Konfuzius, von dem sie noch nie etwas gehört haben.]
- Lass uns noch eine Nacht darüber schlafen.
- Lass es uns lieber jetzt gleich tun.
- Warum so eilig?
- Weil wir längst wissen, dass es das Richtige ist.
[Nun ist es an uns, die Luft anzuhalten - - -]
*
Vor zwei Stunden haben wir unsere (unsere?) Nachtigall losgebunden. Davor haben wir sie noch einmal umgebettet und ihr ein wenig Wasser eingeflößt. Sie schläft nach wie vor und atmet ganz ruhig. Wir hingegen sind jetzt sehr aufgeregt.
Freitag, 7. Juni 2013
Zahlenwert
Dass ich wieder nicht unter den ersten Zehn gelandet bin
bedeutet nichts
Dass ich gestern weniger als hundert Seitenaufrufe hatte
bedeutet nichts
Dass mir keine Tausend folgen
bedeutet nichts
Dass wir zwei es noch einmal versuchen wollen
bedeutet viel
bedeutet nichts
Dass ich gestern weniger als hundert Seitenaufrufe hatte
bedeutet nichts
Dass mir keine Tausend folgen
bedeutet nichts
Dass wir zwei es noch einmal versuchen wollen
bedeutet viel
Donnerstag, 6. Juni 2013
Kurznachricht (nach dem Traum 12)
Es juckt uns in den Fingern, die Nachtigall loszubinden. Noch wagen wir es nicht.
(zur Erinnerung: Wir hatten sie festgebunden.)
(zur Erinnerung: Wir hatten sie festgebunden.)
Mittwoch, 5. Juni 2013
Flughemmung, Poolbillard und zwei gute Sätze
Heute bin ich im Buchladen auf einen Satz gestoßen, der hatte auf mich eine Wirkung vergleichbar dem Eröffnungsstoß beim Poolbillard: Alle Kugeln rollten auf einmal los, in unterschiedliche Richtungen. Ich fand den Satz auf der Rückseite des Umschlags des neuen Romans von Eugen Ruge, "Cabo de Gata". Er lautet:
Ja!
Das Spiel ist eröffnet, die Kugeln in Bewegung.
Ich will hier überhaupt nicht auf Ruges Roman eingehen, der sicher sehr gut ist, ich hatte die Zeit, kurz hineinzulesen, die Sprache gefällt mir. Was mir auffiel, waren die vielen Absätze, die mit "Ich erinnere mich" beginnen. Daran konnte ich in Gedanken anknüpfen, das war der nächste Stoß, etwas ist ins Rollen gekommen, das Spiel (meins) geht weiter.
(Falls jemand doch an Informationen zum Buch interessiert ist: hier.)
Meine Gedanken sprudelten, aber ich hatte noch eine Stunde zu arbeiten und keine Gelegenheit, mir Notizen zu machen. Dennoch werde ich versuchen, das Rollen in meinem Kopf in Worte zu fassen, ohne es aufzuhalten.
Wunderbarerweise hat inzwischen Karin von KaineKolumnen meinen letzten Blogartikel als Anregung für eigene weiterführende Gedanken genutzt, die sich wiederum nahtlos einfügen in meine Assoziationen nach dem morgendlichen Satzfund. Auch von ihr nehme ich einen Satz mit:
Danke!
Auch ich erfinde Geschichten, um zu erzählen, wie es war. Es, das ist ein bestimmtes Erleben zu einer bestimmten Zeit. Es will erzählt sein. Darüber zu schreiben, scheint mir notwendig. Gar nicht mal um meinetwillen, denn es betrifft nicht nur mich, es ist gesellschaftsrelevant. Aber wie halte ich mich da heraus?
Ich erinnere mich an den Moment der Erleuchtung und dass von da an alles in einem anderen Licht erschien.
Ich erinnere mich an meine Begeisterung, an meinen Willen zum absoluten Gehorsam und an meinen Lerneifer, der später auch zum Lehreifer wurde.
Ich erinnere mich an meine Haltung: knieend, mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen, oder stehend mit zum Himmel gerecktem Gesicht und erhobenen Händen, oder stillsitzend und den Lehrern lauschend, oder herumlaufend und Handzettel verteilend, oder liegend mit nur einem Gedanken vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen.
Ich erinnere mich an das kleine schwarzgebundene Buch mit den über 1800 Seiten, die ich nahezu in- und auswendig kannte.
Ich erinnere mich daran, wie ich dazu angehalten wurde, alles wörtlich zu nehmen und wie bereitwillig ich dem Folge leistete.
Ich erinnere mich an das vollständige Untertauchen in einem Wasserbecken.
Ich erinnere mich an eine Gemeinschaft, die mich freundlich aufnahm und sich für restlos alles interessierte, was mich betraf, je intimer desto besser.
Ich erinnere mich an das Gefühl von Angenommensein, von Zugehörigkeit, von Sicherheit.
Ich erinnere mich an das Gefühl von Zwang, von Manipulation, von Kontrolle, das aber erst nach Jahren aufkam.
Ich erinnere mich an den Moment des Aufwachens und wie ich die vermeintliche Erleuchtung als Verblendung erkannte.
Ich erinnere mich an den Ausbruch, an das Überbordwerfen, an das Auftauchen und an das Abheben.
Ich erinnere mich an die lange Zeit der Angst nach dem Ausstieg.
Ich erinnere mich an meine Auswilderung.
Ich erinnere mich daran, wie alles gut wurde.
Wie schreibt man über etwas sehr Persönliches, über etwas, das zu erzählen man für wichtig hält, das aber dennoch privat bleiben soll, aus dem man sich als Person komplett heraushalten will? Man erfindet eine Geschichte, um zu erzählen, wie es war. Oder? Und bemüht sich dabei um Aufrichtigkeit.
...
(Fortsetzung folgt)
(Und meine Schreibhemmung bezeichne ich ab sofort als Flughemmung.)
"Diese Geschichte habe ich erfunden, um zu erzählen, wie es war."
Ja!
Das Spiel ist eröffnet, die Kugeln in Bewegung.
Ich will hier überhaupt nicht auf Ruges Roman eingehen, der sicher sehr gut ist, ich hatte die Zeit, kurz hineinzulesen, die Sprache gefällt mir. Was mir auffiel, waren die vielen Absätze, die mit "Ich erinnere mich" beginnen. Daran konnte ich in Gedanken anknüpfen, das war der nächste Stoß, etwas ist ins Rollen gekommen, das Spiel (meins) geht weiter.
(Falls jemand doch an Informationen zum Buch interessiert ist: hier.)
Meine Gedanken sprudelten, aber ich hatte noch eine Stunde zu arbeiten und keine Gelegenheit, mir Notizen zu machen. Dennoch werde ich versuchen, das Rollen in meinem Kopf in Worte zu fassen, ohne es aufzuhalten.
Wunderbarerweise hat inzwischen Karin von KaineKolumnen meinen letzten Blogartikel als Anregung für eigene weiterführende Gedanken genutzt, die sich wiederum nahtlos einfügen in meine Assoziationen nach dem morgendlichen Satzfund. Auch von ihr nehme ich einen Satz mit:
"Wiedergeben und Erfinden – sie tasten sich an der Wirklichkeit entlang, die wahrhaftig ist, wenn ich aufrichtig bleibe."
Danke!
Auch ich erfinde Geschichten, um zu erzählen, wie es war. Es, das ist ein bestimmtes Erleben zu einer bestimmten Zeit. Es will erzählt sein. Darüber zu schreiben, scheint mir notwendig. Gar nicht mal um meinetwillen, denn es betrifft nicht nur mich, es ist gesellschaftsrelevant. Aber wie halte ich mich da heraus?
*
Ich erinnere mich an den Moment der Erleuchtung und dass von da an alles in einem anderen Licht erschien.
Ich erinnere mich an meine Begeisterung, an meinen Willen zum absoluten Gehorsam und an meinen Lerneifer, der später auch zum Lehreifer wurde.
Ich erinnere mich an meine Haltung: knieend, mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen, oder stehend mit zum Himmel gerecktem Gesicht und erhobenen Händen, oder stillsitzend und den Lehrern lauschend, oder herumlaufend und Handzettel verteilend, oder liegend mit nur einem Gedanken vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen.
Ich erinnere mich an das kleine schwarzgebundene Buch mit den über 1800 Seiten, die ich nahezu in- und auswendig kannte.
Ich erinnere mich daran, wie ich dazu angehalten wurde, alles wörtlich zu nehmen und wie bereitwillig ich dem Folge leistete.
Ich erinnere mich an das vollständige Untertauchen in einem Wasserbecken.
Ich erinnere mich an eine Gemeinschaft, die mich freundlich aufnahm und sich für restlos alles interessierte, was mich betraf, je intimer desto besser.
Ich erinnere mich an das Gefühl von Angenommensein, von Zugehörigkeit, von Sicherheit.
Ich erinnere mich an das Gefühl von Zwang, von Manipulation, von Kontrolle, das aber erst nach Jahren aufkam.
Ich erinnere mich an den Moment des Aufwachens und wie ich die vermeintliche Erleuchtung als Verblendung erkannte.
Ich erinnere mich an den Ausbruch, an das Überbordwerfen, an das Auftauchen und an das Abheben.
Ich erinnere mich an die lange Zeit der Angst nach dem Ausstieg.
Ich erinnere mich an meine Auswilderung.
Ich erinnere mich daran, wie alles gut wurde.
*
Wie schreibt man über etwas sehr Persönliches, über etwas, das zu erzählen man für wichtig hält, das aber dennoch privat bleiben soll, aus dem man sich als Person komplett heraushalten will? Man erfindet eine Geschichte, um zu erzählen, wie es war. Oder? Und bemüht sich dabei um Aufrichtigkeit.
...
(Fortsetzung folgt)
(Und meine Schreibhemmung bezeichne ich ab sofort als Flughemmung.)
Montag, 3. Juni 2013
Erfinden oder wiedergeben?
Die Geschichte hat sich verlaufen. Das Ende wartet geduldig. Oder doch eher un-? Ich immer mit meinen voreilig gezogenen Schlüssen. Fakt ist: Ich hänge. Und zwar an demselben Punkt wie bereits zweimal zuvor.
Meine Nachtigallenerzählung, die sich anfangs so leicht, wie von selbst, entspann, die mir so großen Spaß machte, die mich mit Liebe für die Figuren erfüllte und für die ich schon lange das Ende parat habe, hakt an einer ganz bestimmten Stelle. Nämlich dort, wo es um die Hüter geht, um die Zeit hinter der Mauer. Dieser Teil der Geschichte, der doch so zentral ist, mir jedenfalls so zentral erscheint, entzieht sich mir. Ich kann ihn nicht schreiben. Ich krieg's einfach nicht hin. Aber warum?
Beim "Vögelchen"-Roman ist es dasselbe. Der schreibt sich fort und fort, aber nur in den Teilen, die nach der Befreiung spielen. Die Zeit im Zentrum dagegen ist eine klaffende Lücke, die sich partout nicht schließen will.
Ich hatte auch mal eine frühere Erzählung von mir erwähnt, die "Vogelfrau", in der es um eine gefangengehaltene Frau geht, die sich schließlich durch einen "Vogelflug" befreit. Diese Erzählung ist unabgeschlossen geblieben. Auch da vermochte ich nicht über die Zeit der Gefangenschaft zu schreiben.
Woran liegt das?
Einen neuen Denkanstoß hat mir Andreas Wolf gegeben mit einem Kommentar zu meinem Gedicht "letzte Hürde". Wir tauschten uns ein wenig darüber aus, warum sich manches Erleben so schwer in einen Text fassen lässt, ob manches vielleicht gar nicht geschrieben sein will. Wer möchte, kann unsere Gedanken im Kommentarthread nachlesen.
Worauf mich dieser Austausch brachte, ist die Überlegung, dass das, was ich wiederholt in eine Geschichte zu packen versuche, sich vielleicht gar nicht dem Erzählen als solchem verweigert, sondern eher der Verschlüsselung. Vielleicht braucht das Thema, um das es geht und das ich seit Jahren fiktiv zu umschreiben suche, eine ganz andere Zuwendung, vielleicht fühlt es sich nur im Konkreten aufgehoben und ernstgenommen. Vielleicht soll ich gar nicht erfinden, sondern wiedergeben?
Diese Frage stellt sich mir also gerade, und ich habe beschlossen, sie weitmöglichst offen im Blog zu bearbeiten. Ich merke, dass mir die Öffentlichkeit gut tut. Diese Öffentlichkeit, die mich früher einschüchterte, die ja aber auch nur eine relative und überschaubare ist, macht mich inzwischen irgendwie mutiger. Also werde ich hier in den nächsten Tagen ein wenig laut nachdenken.
Wer möchte, kann folgen, wer nicht, hört einfach weg. Einfach so wie sonst auch.
Meine Nachtigallenerzählung, die sich anfangs so leicht, wie von selbst, entspann, die mir so großen Spaß machte, die mich mit Liebe für die Figuren erfüllte und für die ich schon lange das Ende parat habe, hakt an einer ganz bestimmten Stelle. Nämlich dort, wo es um die Hüter geht, um die Zeit hinter der Mauer. Dieser Teil der Geschichte, der doch so zentral ist, mir jedenfalls so zentral erscheint, entzieht sich mir. Ich kann ihn nicht schreiben. Ich krieg's einfach nicht hin. Aber warum?
Beim "Vögelchen"-Roman ist es dasselbe. Der schreibt sich fort und fort, aber nur in den Teilen, die nach der Befreiung spielen. Die Zeit im Zentrum dagegen ist eine klaffende Lücke, die sich partout nicht schließen will.
Ich hatte auch mal eine frühere Erzählung von mir erwähnt, die "Vogelfrau", in der es um eine gefangengehaltene Frau geht, die sich schließlich durch einen "Vogelflug" befreit. Diese Erzählung ist unabgeschlossen geblieben. Auch da vermochte ich nicht über die Zeit der Gefangenschaft zu schreiben.
Woran liegt das?
Einen neuen Denkanstoß hat mir Andreas Wolf gegeben mit einem Kommentar zu meinem Gedicht "letzte Hürde". Wir tauschten uns ein wenig darüber aus, warum sich manches Erleben so schwer in einen Text fassen lässt, ob manches vielleicht gar nicht geschrieben sein will. Wer möchte, kann unsere Gedanken im Kommentarthread nachlesen.
Worauf mich dieser Austausch brachte, ist die Überlegung, dass das, was ich wiederholt in eine Geschichte zu packen versuche, sich vielleicht gar nicht dem Erzählen als solchem verweigert, sondern eher der Verschlüsselung. Vielleicht braucht das Thema, um das es geht und das ich seit Jahren fiktiv zu umschreiben suche, eine ganz andere Zuwendung, vielleicht fühlt es sich nur im Konkreten aufgehoben und ernstgenommen. Vielleicht soll ich gar nicht erfinden, sondern wiedergeben?
Diese Frage stellt sich mir also gerade, und ich habe beschlossen, sie weitmöglichst offen im Blog zu bearbeiten. Ich merke, dass mir die Öffentlichkeit gut tut. Diese Öffentlichkeit, die mich früher einschüchterte, die ja aber auch nur eine relative und überschaubare ist, macht mich inzwischen irgendwie mutiger. Also werde ich hier in den nächsten Tagen ein wenig laut nachdenken.
Wer möchte, kann folgen, wer nicht, hört einfach weg. Einfach so wie sonst auch.
Still oder Stuss
Still oder Stuss
was will
das muss
Stuss oder Still
was muss
das will
Still will
Stuss muss
Stuss will
Still muss
Still oder Stuss
es kommt wie es muss
Stuss oder Still
es kommt wie es will
ob Still oder Stuss
Freiheit ist
(Hier musste nichts, hier wollte nur und durfte.)
was will
das muss
Stuss oder Still
was muss
das will
Still will
Stuss muss
Stuss will
Still muss
Still oder Stuss
es kommt wie es muss
Stuss oder Still
es kommt wie es will
ob Still oder Stuss
Freiheit ist
zu wollen was muss
(Hier musste nichts, hier wollte nur und durfte.)
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Beliebigkeit vs. Freiheit in Verbindung mit (Eigen)Verantwortung - genau darum geht es mir. Den Unterschied herauszufinden zwischen "total egal", also absoluter Beliebigkeit und wirklicher Freiheit, auch im Denken. Und mit Freiheit meine ich nie nur die eigene, sondern immer mit die des anderen. Was also ein Spannungsfeld bedeutet. Ja, vielleicht lässt sich auch gerade daran der Unterschied ausmachen, messen, spüren: Dass, wo es wirklich um Freiheit geht, Spannung herrscht, die es auszuhalten gilt, die es aber auch spannend macht. Sei es meine eigene Entscheidungsfreiheit, die ja in der Regel die Notwendigkeit des Entscheidungtreffens beinhaltet oder die Freiheit der vielen verschiedenen Einzelnen innerhalb der Gesellschaft. Will ich Freiheit, muss ich die Spannung aushalten, die sie mit sich bringt. Beliebigkeit hingegen hat nichts Spannendes, sie ist schlaff, langweilig, letztlich unbefriedigend ...
Für mich persönlich läuft es, glaube ich, darauf hinaus, dass ich gerne möglichst weit sein möchte in meinem Denken und Betrachten. Und da immer mal wieder auf die Frage stoße, ob es überhaupt eine Rolle spielt, welche Richtung ich einschlage. Aber das tut es. Es spielt eine Rolle. Selbst dann, wenn ich genausogut eine andere Richtung hätte wählen können. Und auch einem Impuls zu folgen hat nichts mit Beliebigkeit zu tun.
Ich lass das mal so stehen, quasi mit einem Komma am Schluss, um es nicht zu sehr auf einen Punkt zu bringen, was für mich nur ein Bremsen des Flusses bedeuten würde.