Samstag, 31. Januar 2015

Dylan forever

Am 30.12.2014 hat asallime auf ihrem Blog gefragt: „Hörst du drei oder vier Lieder mit mir?" und über ein paar Songs und deren spezielle Bedeutung für sie geschrieben. Gefiel mir sehr.

Nach und nach reagierten ein paar Blogger_innen darauf und stellten ihrerseits Beiträge mit persönlichen Musikerfahrungen ein, welche asallime gestern in dem Artikel „Mixtape – Die Lieder der Anderen" zusammenfasste. Schön! Ich mag sowas. 

Und schließe mich jetzt mit einem eigenen Beitrag an:


*

Dürfte ich ein einziges Album mit auf die einsame Insel nehmen, es wäre „Blood on the Tracks" von Bob Dylan. Ganz im Ernst, ich brauch’ nichts anderes.


– that’s what his music always means to me.

(Dürfte ich zwei Alben mitnehmen, wäre noch „Desire", ebenfalls von Dylan, dabei.)

*

Sooo viele andere Songs und Alben. Neben allem von Dylan: Neil Young und Bruce Springsteen, Johnny Cash, Leonard Cohen, Tom Waits ... aber auch Wolfgang Niedeken mit und ohne BAP, ein paar andere deutsche Bands ... französische Chansons, skandinavischer Jazz, Minimal Music, ein wenig Klassik ... Indie-Bands wie die Eels ... und natürlich alles mit Jugenderinnerungen Verbundene (erste Zigarette, erster Alkohol, erster Kuss, erste große Liebe ...) wie Manfred Mann’s Earthband, Queen, Supertramp ... ich weiß sämtliche Lieder für immer und ewig auswendig ...

Die Liste ist unvollständig. Und nach wie vor kommt Neues dazu. Wenn es auch nicht mehr die Intensität des damaligen Hör-Erlebens erreicht, dieses durch und durch Erfasstwerden und Ergriffensein von Musik und ihr Einssein mit der jeweiligen Lebenssituation, in der jeder Song mit Bedeutung aufgeladen war und sich mit jedem wiederholten Hören zuverlässig die gesamte Palette an Gefühlen und Erinnerungen abrufen ließ ...

Achja ... *seufz*


*

Hier noch ein ganz spezieller Song aus einer ganz speziellen Zeit, zu dem ich mit den besten Freunden und Freundinnen ever tanzte, tanzte, tanzte, die volle Länge hindurch, herumwirbelnd, atemlos (letzteres komplett ohne Helene Fischer Assoziation!!!), abhebend, fliegend ...
 „... einmal wissen: dieses bleibt für immer ..."




*

Stärkste (und eigentlich einzige wirkliche, bleibende) Konditionierung aber: Dylan. Forever. 

Gänsehaut, sobald irgendwo sein Name auftaucht, ein neuer Artikel (der Rolling Stone ist da ganz zuverlässig), ein neues Buch über oder um ihn (aktuell: „Catfish" von Mail Brüggemeyer, erscheint im Februar), bei den ersten Tönen eines seiner Songs, beim Klang seiner Stimme, seiner Mundharmonika, wenn er die Konzertbühne betritt ...

Und ich bin absolut der Meinung, dass er endlich den Nobelpreis für Literatur bekommen sollte. Entgegen allen Stimmen, die sagen, Lieder seien keine Literatur. Sind sie aber sehr wohl. Und seine Texte sind es auch. Beispiel:



All Along the Watchtower


There must be some kind of way out of here

Said the joker to the thief

There's too much confusion

I can't get no relief

Businessmen, they drink my wine

Plowmen dig my earth
None will level on the line
Nobody offered his word, hey!

No reason to get excited
The thief, he kindly spoke
There are many here among us
Who feel that life is but a joke, but, uh
But you and I, we've been through that
And this is not our fate
So let us not talk falsely now
The hour's getting late, hey!

Hey

All along the watchtower
Princes kept the view
While all the women came and went
Barefoot servants too
Well, uh, outside in the cold distance
A wild cat did growl
Two riders were approaching
And the wind began to howl, hey!

All along the watchtower
All along the watchtower

© Bob Dylan 1967

*

Über diesen Song hat Andreas Wolf in seinem Blog Sichten und Ordnen mal einen schönen Beitrag mit eigenem Übersetzungsversuch geschrieben: Hier 

Und er hat seinen Artikel mit einem Satz beendet, den ich den oben genannten Literaturnobelpreisberechtigungsabsprechern entgegenhalten möchte: 

Lyrik ist nicht tot. Sie ist bloß dahin zurückgekehrt, wo sie herkam: Zum Lied."

*

„Come on everybody ..." (Auch so einer. Aber den müsst ihr jetzt selber googeln ...)

    Donnerstag, 29. Januar 2015

    diese Bühne braucht dich nicht

    immer nicht genug (so die eine (zu kurz gegriffene) Auslegung)

    lass die Stellen leer, die dir zu eng sind
    trau dich abseits des Unverschwiegenen zu sein
    abseits des Rings, in dem der Weitspuckwettbewerb tobt

    diese Bühne braucht dich nicht

    aber die Profis! die wollen dich auf der Bühne sehen, verbindlich
    locken mit klebrigsüßen Zungen, geschult
    ihre gönnerhaften, riesigen Münder („damit wir dich dich besser ...") rufen dir zu:
    auch du kannst laut sein! 
    weil wir hinter dir stehen (*lächel*/*schulterklopf*/*schubs*)

    nein, sage ich, ich stehe gut hier so für mich
    (ich rahme euch weich in meine Stille)
    ((mein stummes Angebot))
    (((so leise, dass jeder es ... pst!)))
    wollen wir darüber reden?

    peng! zerplatzt ihre Jovialität
    sie haben eigentlich aber auch gerade gar keine Zeit zum Reden, leider, leider!
    sie müssen weiter laut sein, das aber für dich mit (immerhin! haha ...)
    müssen weiter auf Zack sein, die Ohren aufgestellt
    müssen Laut geben
    wie Wachhunde

    an der Bühnenleine

    ooooooooooh

    auf diese Bühne? 
    ich?
    warum?


    (war das jetzt laut genug? achso, ihr habt („so sorry!") gerade nicht zugehört ...)

    Montag, 26. Januar 2015

    Kenne die „Fakten" versus Kenne deine Rechte

    Als ich vorhin auf Twitter einen Link zur Amnesty International Seite über Raid Badawi postete, wurde mir per Reply ein Link zu einem Youtube Video geschickt, das ich bis dato noch nicht kannte. Die Twitterin schrieb dazu:
    WARUM GEPEITSCHT WIRD FAKTEN zum #islam [dann der Link]… eigene Meinung bilden" 
    Okay, dachte ich, schau ich also mal, inwiefern mir dieses Video helfen soll, mir meine eigene Meinung zu bilden.


    Das Video wurde 2010 von TheWhiteROses hochgeladen und trägt den Titel „Drei Dinge über den Islam". Es ist gut gemacht, sehr strukturiert, der Text wird vorgetragen und gleichzeitig zum Mitlesen eingespielt. Die scheinbare Sachlichkeit wird durch die angenehme, klare und akzentfreie Stimme der Sprecherin unterstrichen. 
    In drei Punkten wird leicht verständlich und einleuchtend erklärt, weshalb der Islam keine Religion wie Christen- oder Judentum sei, sondern eine Einheit religiöser und politischer Ideologie.
    Aha. Sehr informative acht Minuten. 
    Tatsächlich?


    Weshalb ich hier nicht auf das Video verlinke:

    – weil es angibt, zu informieren, tatsächlich aber ohne jegliche Fakten und Belege (z.B. nachprüfbare Zitate) behauptet

    – weil das Behauptete wegen der fehlenden Belege genauso gut wahr wie unwahr sein kann

    – weil ich, um die Richtigkeit der Behauptungen zu überprüfen, unfassbar viele Informationen von unfassbar vielen Stellen einholen müsste

    – weil die Vielzahl der teils widersprüchlichen Informationen, holte ich sie denn ein, häufig ihrerseits unbelegte oder ideologisch gefärbte Behauptungen sind; das stürzt mich in Verwirrung 

    – weil ich mich frage, welches Maß an Information nötig ist, dass ich darauf eine eigene Überzeugung aufbauen könnte/würde, und wie sich die Glaubhaftigkeit der Quellen zweifelsfrei überprüfen lässt

    – weil ich im Nachdenken über all diese Punkte feststelle, dass ich zwar in vielerlei Hinsicht zu wenig informiert und mit der Auswahl meiner Quellen teilweise überfordert bin, in einem Punkt jedoch sehr klar Stellung beziehen kann:

    Wem ich vertraue und was ich vertrete, muss sich an den Menschenrechten messen lassen. Und zwar einzig daran. Es gibt keine Ideologie, der ich anhänge, nur eine verbindliche Erklärung von Freiheitsrechten, die ich für sinnvoll und als einzige geeignet halte, ein friedliches Miteinander zu gewährleisten. Diese vertrete ich denn auch uneingeschränkt.
    „Als Menschenrechte werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind.[1] Die Idee der Menschenrechte ist eng verbunden mit dem Humanismus und der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Idee des Naturrechtes." (Quelle: Wikipedia; hier geht’s zum ganzen Artikel)
    Nichts gegen Informationen, auch nichts gegen deren Fülle, Komplexität und Verschiedenheit. Im Gegenteil! Auch nichts gegen Meinungen und Überzeugungen. Nichts gegen Demonstrationen und leidenschafte Appelle. Nichts gegen Detailversessenheit, nichts gegen ausufernde, blumige Reden. Nichts gegen all das. Nichts gegen die, die lieber schweigen, die sich zurückziehen aus Überforderung. Nichts gegen die Ängstlichen und nichts gegen die Furchtlosen ohne Blatt vor dem Mund. Wirklich nichts gehen all das und all die.
    Und in diesem ganzen Wust hält mich wie ein Mantra ein Satz, den ich mir immer wieder sage: 
    Know your rights. Kenne deine Rechte. 
    Denn wenn ich meine Rechte kenne, kenne ich die eines jeden. Mehr braucht es – zumindest als Basis – nicht.

    AMNESTY INTERNATIONAL: URGENT ACTION: RAIF BADAWI

    (Text: ai, vom 22.01.2015)
    Die für den 23. Januar angesetzten Stockhiebe gegen Raif Badawi werden wahrscheinlich erneut ausgesetzt, nachdem ein Ärzteteam bei dem Blogger gesundheitliche Beschwerden diagnostiziert hat. Der gewaltlose politische Gefangene hatte am 9. Januar 2015 auf einem Platz vor der Al-Jafali-Moschee in Dschidda 50 Hiebe erhalten. Es besteht die Gefahr, dass die ausstehenden 950 Stockschläge im Laufe der kommenden Wochen vollstreckt werden.
    Raif Badawi wurde am 21. Januar ins König-Fahd-Krankenhaus in Dschidda gebracht. Dort untersuchte ihn ein achtköpfiges Ärzteteam. Nach einer mehrstündigen Untersuchung kamen die Ärzte zu dem Schluss, dass Raif Badawi unter Bluthochdruck leidet, und empfahlen den Behörden deshalb, die Stockschläge auszusetzen. Amnesty International befürchtet dennoch, dass die ausstehenden Stockhiebe vollstreckt werden könnten, solange die Strafe nicht aufgehoben wird. Zudem ist die Empfehlung des Ärzteteams für die Behörden rechtlich nicht bindend.
    In den vergangenen Wochen haben Aktivist_innen weltweit Protestaktionen vor saudi-arabischen Botschaften organisiert, die Prügelstrafe gegen Raif Badawi verurteilt und seine bedingungslose Freilassung gefordert. Zuletzt wurde auch von offizieller Seite Kritik an der Bestrafung laut, darunter von der US-amerikanischen und der kanadischen Regierung. Die Ehefrau und die drei Kinder von Raif Badawi leben derzeit in Kanada. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte bezeichnete die Prügelstrafe als "grausame und unmenschliche Bestrafung, die nach dem Völkerrecht und insbesondere nach dem Übereinkommen gegen Folter verboten ist, welches von Saudi-Arabien ratifiziert wurde."
    Raif Badawi hatte am 9. Januar 2015 auf einem Platz vor der Al-Jafali-Moschee in Dschidda 50 Stockschläge erhalten. Am darauffolgenden Freitag hätten weitere 50 Hiebe der insgesamt 1000 gegen ihn verhängten Stockschläge vollstreckt werden sollen. Er wurde jedoch zuvor von einem Arzt untersucht, der die Aussetzung der Prügelstrafe empfahl, da Badawis Wunden noch nicht hinreichend geheilt seien und er weiteren Stockhieben nicht standhalten könne. Der Blogger Raif Badawi war am 7. Mai 2014 vom Strafgericht in Dschidda zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden. Des Weiteren wurden ihm ein anschließendes Reiseverbot von zehn Jahren, ein Verwendungsverbot für Medienkanäle und eine Geldstrafe von einer Million Saudi-Riyal (etwa 195 000 Euro) auferlegt. Er war wegen der Gründung der Website der "Saudi-Arabischen Liberalen" und "Beleidigung des Islams" schuldig gesprochen und verurteilt worden. Die Website wurde auf Anordnung des Gerichts geschlossen. Am 1. September bestätigte das Berufungsgericht in Dschidda das Urteil. Im Dezember 2014 soll der Fall an den Obersten Gerichtshof übergeben worden sein.


    HIER kann man mit einem Klick eine vorformulierte e-mail verschicken und weitere Informationen finden.


    *


    Ich weise hier regelmäßig auf Eilaktionen von Amnesty International hin. Diese sind 
    „ein effektiver Weg, um akut bedrohten Menschen das Leben zu retten. Sie sind die denkbar schnellste Form der Intervention: Wenn Amnesty von willkürlichen Festnahmen, Morddrohungen, Verschwindenlassen, Folterungen oder bevorstehenden Hinrichtungen erfährt, startet die Organisation eine Urgent Action.
    Binnen weniger Stunden tritt ein Netzwerk von fast 80.000 Menschen in 85 Ländern (in Deutschland 10.000) in Aktion: Diese Aktivisten und Aktivistinnen appellieren per Fax, E-Mail oder Luftpostbrief an die Behörden der Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden. Bei den Adressaten gehen Tausende von Appellschreiben aus aller Welt ein. Es ist dieser rasche und massive Protest, der immer wieder Menschenleben schützt.
    Unzählige Personen - von China bis Chile, von Syrien bis Simbabwe - konnten seit der ersten Urgent Action im Jahr 1973 gerettet werden. Allein im Jahr 2007 hat Amnesty International 350 neue Eilaktionen gestartet - etwa 35 Prozent davon zogen positive Meldungen nach sich: Freilassungen, Hafterleichterungen, die Aufhebung von Todesurteilen oder auch Anklagen gegen die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen." (ai)
    Mehr Informationen hier.

    Sonntag, 25. Januar 2015

    dünne Haut

    Ich habe dich heute gesehen, in der Frühe, als ich da lag, gerade aufgewacht, die Augen aufschlagend und mit dem Blick in meiner linken Armbeuge landend, die weiche Hautfalte dort, die zarte, verletzliche Stelle, die mich an eine tiefergreifende Verletzlichkeit erinnerte, eine in mir drin, verwandt mit der Verletzlichkeit aller und so auch mit deiner, die ich gut kenne und vor der ich manchmal die Augen verschlossen habe, wie du sie ebenfalls verschlossen hast vor meiner, wir voreinander, wir, die wir nichts mehr sehen wollten, irgendwann, nichts als unseren jeweils eigenen Weg, dessen einsames Beschreiten nicht so weh tat wie das Nebeneinander ohne Berührung, der Schmerz des Nichtangefasstwerdens, das tiefere Spuren hinterlassen kann als ein festes Zupacken, und dann dieses sanfte Erwachen in der Frühe, in einen pflichtfreien Sonntag hinein, mit dem ersten Blick auf eine empfindlich zarte Stelle, meine eigene Haut, dünn und verletzlich wie deine, und da auf einmal sah ich dich, sah dich, wie du früher warst, für mich, für uns, und es nicht mehr bist, für mich, für uns, aber immer noch für dich, in der immer noch selben schutzbedürftigen Haut, die dünner wird mit den Jahren, nicht wahr?, dünn wie Papier irgendwann, bis zum Ende beschrieben, hoffe ich, für dich wie für mich.

    Samstag, 24. Januar 2015

    Kannst du dein Auge –

    Kannst du dein Auge –
    besser: kannst du deinen Blick –
    kannst du dein Schauen –
    kannst du es so richten, dass –
    dass das Geschaute –
    das Geschaute selbst 
    zum Blick wird
    welcher deinen –
    dass es zum Auge wird
    welches das deine –
    zurückschaut
    und zwar solcher Art
    dass du nicht wüsstest:
    schautest du zuerst
    und darauf das Geschaute
    oder schaute es dich an
    und du erwiderst bloß
    den Blick
    dass du dich fragtest:
    wer erkennt hier wen
    und wer von euch
    ist Sub- und wer
    Objekt
    sag, kannst du das –
    so schauen?

    Freitag, 23. Januar 2015

    genau in der Mitte (Bruchstücke)

    Wir sitzen einander gegenüber, zwischen uns der alte Tisch. Auf den häufen wir alles, was wir haben: Bruchstücke
    un/vollkommener Reichtum
    Dann beginnt die Zusammenfügung.
    Ob sie gelingt?

    Alles bleibt unabgeschlossen.
    Die Fragen unbeantwortet.
    Während die Zeit fortschreitet.

    Wir fließen
      "   fliehen
      "   fliegen

    Sag: Wo wollen wir ankommen?

    Und dort: Nehmen wir das nächste Schiff.
    Hinaus.
    Nehmen wir das nächste Schiff?
    Hinaus?

    Wie verloren wir sind in der Enge.
    Wie geborgen in der Weite.
    Nicht? Wahr?

    Sieh: Wir müssen nur lernen, was wir längst tun: Leben.

    Und Lieben, sagst du.
    Ach: Fragst du?
    Nein: Weißt du!

    Es ist so schwer wie leicht.
    Wir lachen. Solche Sätze mögen wir. Weil wir wissen: Unmöglich klingt im ersten Moment, was bei näherer Betrachtung: Wahrheiten enthält.

    Wir warten.
    Hier am Tisch, einander gegenüber, mit ausgestreckten Händen.
    Warten auf das, was noch kommt. Was in uns aufsteigt, wenn wir geduldig sind.
    Und während wir warten: gehen wir. In verschiedene Richtungen. Driften wir auseinander. Lassen wir los. Übergeben wir uns dem Strom. Kommen wir an. Du da, ich dort.

    Und steht der Tisch. Und steht. Und steht für immer. Und steht genau: 
    in der Mitte




    *


    (für Eva. weil wir über den Tisch sprachen, gestern.)

    Donnerstag, 22. Januar 2015

    More Than A Feeling (Road to Anywhere VII)

    was bisher geschah: die ganze Geschichte


    *

    „Wo geht’s lang?"

    Wir waren wieder startklar. Mario streckte die Pfote aus: „Einfach weiter geradeaus."

    Ich drückte aufs Gas. Wir fuhren ein paar Kilometer schweigend durch die hügelige Landschaft. Das Mixtape lief auch nicht, ich hatte gerade keine Lust auf Musik. 
    Keine Ahnung, woher mein plötzlicher Stimmungsumschwung kam. Das eben Erlebte hing mir nach. Auch der gestrige Tag. Ich bewegte mich so selbstverständlich in Marios Welt. Dabei war ich erst gestern früh aus meiner Welt in seine katapultiert worden. Meine Welt, tja, die hing mir auch nach.

    „Du, Alice ..."

    „Lass mich“, fiel ich ihm ins Wort. Als ich seinen erschrockenen Blick sah, legte ich meine Hand auf sein Knie und versuchte, ihn zu beschwichtigen: „Das ist hier alles so neu für mich. So viel. So ganz anders als alles, was ich bisher kannte. Unser Trip gestern. Deine Freunde. Die Nacht, Ich ...“

    „Pst." Diesmal unterbrach Mario mich. „Pst, Liebes. Wir fahren einfach noch ein Stück, okay? Dann essen wir was. Und dann sehen wir weiter, ja?"

    „Ja." Ich nickte zur Bekräftigung.

    „Wäre Musik okay?"

    „Musik wäre okay", sagte ich und schaltete das Mixtape ein.




    Fünf Minuten und einen Song später unterbrach ich erneut unser Schweigen: „Mario?"

    „Ja?"

    „Wie kommt es, dass das Gras hier soviel grüner ist?"

    „Grüner als wo?"

    „Als in der realen Welt."

    Ich spürte Marios Blick auf meinem Gesicht. Er räusperte sich. Ich erwartete eine seiner typischen Marioerklärungen. Als nichts kam, sah ich zu ihm rüber. Seine Kulleraugen schwammen in Tränen.
    Ich trat auf die Bremse. „Mario! Was ist los?"

    „Du, du ...", er schniefte. "Du glaubst mich nicht."

    „Du glaubst MIR nicht", verbesserte ich ihn reflexartig, aber er schüttelte so heftig den Kopf, dass seine langen Ohren um ihn herumflogen.

    „Nein, du glaubst MICH nicht und alles um uns herum. Du bist wie die anderen."

    „Welche anderen, Mario?"

    „Na, die anderen Besucher. Die meisten glauben, sie träumen und wollen sehr bald wieder aufwachen. Keiner hält das hier " – er beschrieb einen großen Kreis mit seiner Pfote – "keiner hält das hier für real."

    „Aber ... aber ist es das denn? Ist es denn real, Mario?"

    Wieder sah er mich mit seinen tränennassen Augen an. Sah mich lange einfach nur an.

    „Mario! Sag endlich: Ist das hier real?"

    Er zog die Nase hoch. „Ich hoffe es, Alice. Ich hoffe es sehr."



    *

    to be continued

    Dienstag, 20. Januar 2015

    Glättung, Kuss und Traum

    Glättung.

    Der Wogen. Der Erhöhungen und der Vertiefungen. 
    Der Unruhe.

    Einebnung.
    Ruhende Pole allerorts.

    Ist es das, was wir wollen? Bequemlichkeit. Mit den Gedanken schlurfen können, ohne uns an Unebenheiten zu stoßen; ohne zu stolpern. Wollen wir das?
    Ungehindert bleiben. Unangestoßen.

    Ach, gar nicht erst gehen!

    Lieber stehen wir am Rand und schauen. Und stehen. Und schauen.
    Schauen nur. Weiter nichts. 
    Warum dann das Einebnen? Warum das Glätten der Wogen, wenn wir doch nur schauen und nicht gehen? Machen wir's unseren Blicken bequem!

    Wir betten sie. Unsere Blicke. Betten uns, statt uns auszusetzen. Betten uns weich und sanft.
    Und eigentlich schauen wir auch nicht, sondern lassen unseren Blick träge auf dem Naheliegenden ruhen. Schauen, wirkliches Schauen wäre Bewegung, wäre Wille und Anstrengung. Wäre auch: Wunsch und Vorstellung. Einer Möglichkeit.

    Wir stippen den Finger ins Unbekannte. Aber unmittelbar darauf verlieren wir die Neugier, den Mut und lassen den Arm sinken. Kraftlos. Lustlos. Die Möglichkeit tropft ins Leere und verliert sich auf dem Weg zwischen Zeugung und Geburt im Nichts.

    Glättung. Einebnung.
    Lakenruhe.

    Und irgendwo in uns das Messer.
    Und das aufgewühlte Meer.
    Um diese beiden und alles Unbenannte unsere zum Zerreißen gespannte Haut. Nicht wahr? Diese zum Zerreißen gespannte Haut. Darüber in zitternder Schwebe ein brüchiger Fingernagel. Dazwischen: du. Wir. Und eine Angst, die Angst hat, sich beim Namen zu nennen.

    In all dies hinein biete ich dir: einen Kuss. Biete ihn dar. Schenke ihn hin. Einen ernst gemeinten Kuss, der deinen Namen auf die Zunge nimmt wie eine kostbare Speise. Der ihn schmeckt, deinen Namen. Der dich schmeckt. 
    Und der dich trägt. In eine Brandung trägt. In ein Wogen. An einen Fels. In eine Schlucht.

    Es beginnt immer mit einem Traum. In dem du nicht schläfst, sondern rennst. Um dein Leben rennst. An Fassaden hoch, über Dächer, durch unwegsames Gelände. Ein Traum, in dem du rennst. Und rennst. Und schließlich fällst. Ab_grund_tief.


    Montag, 19. Januar 2015

    AMNESTY INTERNATIONAL: URGENT ACTION: DROHENDES VERFAHREN WEGEN TWITTERNACHRICHTEN

    Der ehemalige kuwaitische Oppositionspolitiker Saleh al-Mulla wurde am 11. Januar gegen Kaution freigelassen. Ihm wird vorgeworfen, in Twitternachrichten den Emir von Kuwait und den ägyptischen Präsidenten beleidigt zu haben. Die nächste Anhörung ist für den 15. Februar angesetzt.
    Saleh al-Mulla erschien am 11. Januar zu seiner ersten Anhörung vor dem Strafgericht in Kuwait-Stadt. Die Anklagen gegen ihn lauteten auf "Beleidigung des Emirs", "Infragestellen der Autorität des Emirs", "Vornahme einer feindseligen Handlung gegen einen Bruderstaat durch Beleidigung dessen Präsidenten, was zu einem Abbruch der Beziehungen zwischen den beiden Ländern führen könnte" und "Missbrauch von sozialen Medien (Twitter)". Das Gericht ordnete seine Entlassung aus dem Zentralgefängnis von Kuwait gegen Hinterlegung einer Kaution in Höhe von 2.000 Kuwaitischen Dinar (knapp 6.000 Euro) an. Die nächste Anhörung soll am 15. Februar stattfinden.
    Am 31. Dezember 2014 und 1. Januar 2015 kritisierte Saleh al-Mulla auf Twitter den Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Unter anderem forderte Saleh al-Mulla den Emir auf, keine weiteren kuwaitischen Steuergelder für die ägyptische Regierung aufzuwenden. Daraufhin musste er am 6. Januar bei der Staatsanwaltschaft vorstellig werden und wurde dort in Anwesenheit seiner Rechtsbeistände vernommen. Die Staatsanwaltschaft entschied, Saleh al-Mulla zu Vernehmungszwecken bis zum nächsten Tag festzuhalten und ordnete am 7. Januar zehn Tage Untersuchungshaft an. Am 8. Januar legten seine Rechtsbeistände Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein. Nach Ansicht von Amnesty International beinhalten die Twitternachrichten von Saleh al-Mulla nichts weiter als seine persönliche Meinung. Die Organisation betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.
    (Text: ai)

    HIER kann man mit einem Klick eine vorformulierte e-mail verschicken und weitere Informationen finden.

    *

    Ich weise hier regelmäßig auf Eilaktionen von Amnesty International hin. Diese sind 
    „ein effektiver Weg, um akut bedrohten Menschen das Leben zu retten. Sie sind die denkbar schnellste Form der Intervention: Wenn Amnesty von willkürlichen Festnahmen, Morddrohungen, Verschwindenlassen, Folterungen oder bevorstehenden Hinrichtungen erfährt, startet die Organisation eine Urgent Action.
    Binnen weniger Stunden tritt ein Netzwerk von fast 80.000 Menschen in 85 Ländern (in Deutschland 10.000) in Aktion: Diese Aktivisten und Aktivistinnen appellieren per Fax, E-Mail oder Luftpostbrief an die Behörden der Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden. Bei den Adressaten gehen Tausende von Appellschreiben aus aller Welt ein. Es ist dieser rasche und massive Protest, der immer wieder Menschenleben schützt.
    Unzählige Personen - von China bis Chile, von Syrien bis Simbabwe - konnten seit der ersten Urgent Action im Jahr 1973 gerettet werden. Allein im Jahr 2007 hat Amnesty International 350 neue Eilaktionen gestartet - etwa 35 Prozent davon zogen positive Meldungen nach sich: Freilassungen, Hafterleichterungen, die Aufhebung von Todesurteilen oder auch Anklagen gegen die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen." (ai)
    Mehr Informationen hier.

    Sonntag, 18. Januar 2015

    Tausend Tode schreiben


     Tausend Tode schreiben Version 2/4.

    „‘Tausend Tode schreiben’ ist ein groß angelegtes Projekt. Die Idee ist, dass tausend Autoren tausend kurze Texte über den Tod schreiben: Persönliche Begegnungen, wissenschaftliche Betrachtungen, Fiktion. Diese vielfältigen Texte sollen zusammenwirken als ein transpersonaler Text, der – so die Annahme – einiges über das aktuelle Bild des Todes in unserer Gesellschaft verraten wird.
    ‘Tausend Tode schreiben’ ist ein work in progress. Eine weitere Version folgt am 16.2.2015 (3/4), die endgültige und vollständige Fassung (4/4) erscheint am 13.3.2015 zur Leipziger Buchmesse. Käufer*innen älterer Versionen der ’1000 Tode’ bekommen die jeweils neuen gratis per E-Mail. 
    Die Herausgeber- und Autorenanteile an den Erlösen werden dem Kindersterbehospiz Sonnenhof in Berlin-Pankow gespendet."

    (Soweit die Beschreibung auf minimore.de)


    Zu Weihnachten 2014 bekam ich meinen ersten E-Reader geschenkt und lud mir gleich die Version 1/4 von „Tausend Tode schreiben"  runter.
    Zunächst ein wenig skeptisch ob dieses Großgruppenprojekts, war ich dann doch positiv angetan von der Vielfalt der Erfahrungen und Betrachtungsweisen, der Art, sich der Thematik zu stellen und damit umzugehen, den nüchternen wie poetischen Worten. Vieles hat mich wirklich berührt, in seiner Tragik, in der Menschlichkeit und Tiefe, auch in der Schlichtheit oder der trotz aller Trauer aufscheinenden Schönheit.
    Ich kann diese Fülle an Texten allerdings nicht runterlesen wie einen Roman oder Erzählungsband. Ich brauche Pausen, lese immer mal wieder einen oder mehrere Texte, dann folgt ein Nachsinnen oder Reflektieren. Was dort geschrieben ist, geht nicht spurlos an mir vorüber. Wie auch, handelt es sich doch um ein Thema, das ausnahmslos jeden betrifft. Kein Leben, das nicht irgendwann mit dem Tod endet.
    Diese Art des Lesens – immer mal wieder ein paar Seiten – lässt mich wünschen, ich könnte das Buch in gedruckter Form in der Hand halten. Dann könnte ich darin herumblättern, mal hier, mal dort intuitiv hängen bleiben und mich spontan hineinziehen lassen in einen Text. Auch mal zurückblättern, weil eine Assoziation zu etwas vorher Gelesenem kommt usw. So mache ich es mit Gedichtbänden, und so würde ich es mit dieser Anthologie auch gerne tun.
    Aber wer weiß, was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden ...

    In Version 2/4 bin ich jetzt ebenfalls mit einem Text vertreten. Den habe ich 2012 geschrieben und damals auch hier im Blog veröffentlicht. Ich berichte darin über die Erfahrung mit dem Tod meiner Mutter. 

    Bleibt mir, wirklich sehr, sehr herzlich Danke zu sagen an Christiane Frohmann vom Frohmann Verlag für dieses bemerkenswerte Projekt und ihren enormen Einsatz dafür! 



    Übrigens: Es können weiterhin Texte eingereicht werden. Eine kurze Beschreibung, wie man teilnehmen kann, gibt Stefan Mesch auf Facebook.

    Donnerstag, 15. Januar 2015

    frei von * (ein un_brauch_bares Gedicht)

    Ich habe Hunger
    sagst du

    hier hast du ein Stück Brot
    sage ich

    ich brauche ein Wort
    sagst du

    ich habe nur Worte
    die niemand braucht
    sage ich

    das sind die einzigen
    sagst du
    die genießbar sind

    warum?
    frage ich

    weil sie frei von * sind
    sagst du

    und das Brot?
    frage ich

    das teilen wir
    sagst du

    und das Wort?
    frage ich

    das teilen wir auch

    Dienstag, 13. Januar 2015

    und nochmal zu CHARLIE HEBDO

    Ich kann zur Zeit einfach nicht den Mund halten, will mich auch nicht beruhigen. Also lass ich's raus:


    Es gibt da gerade so eine komische Tendenz, sich von Charlie Hebdo zu distanzieren. „Je ne suis pas Charlie“ heißt da die Parole. 

    [WICHTIG!: Ich beziehe das Folgende ausdrücklich nicht auf diejenigen, die sich aus Respekt vor den ermordeten Mitarbeitern nicht mit ihnen identifizieren wollen, die aus Respekt nicht deren Mut für sich vereinnahmen wollen und können, die also aus Gründen des Respekts vor den Opfern nicht „Je suis Charlie", sondern – wenn überhaupt – „Je ne suis pas Charlie" sagen (oder eben auch schweigen).]

    Nein, ich beziehe mich auf diejenigen, die ein Problem mit den Inhalten von Charlie Hebdo haben. Mit „Je ne suis pas Charlie" ist da dann gemeint, dass man die Karikaturen der Satirezeitschrift nicht befürwortet (was man ja auch nicht muss!), sie sogar ganz schlimm findet (was man ja auch darf!). Begründung: Sie seien respektlos, geschmacklos, verletzten religiöse Gefühle, beträfen auch friedliche Muslime, nicht nur gewalttätige usw. 
    So weit, dass man den Karikaturisten nun auch noch eine Mitschuld an ihrer eigenen Ermordung gibt, geht natürlich keine_r, nein, diese Tat wird – so anständig ist man dann doch – aufs schärfste verurteilt. Aber ... Immer ist dieses Aber angehängt.


    Als ginge es darum, ob uns die Karikaturen gefallen oder nicht. (Mir gefallen sie größtenteils übrigens auch nicht.) Als spielte es eine Rolle, ob wir uns durch sie beleidigt, verletzt, provoziert fühlen oder nicht. Völlig egal, absolut irrelevant ist das!
    Ich sage JE SUIS CHARLIE, weil mit der Ermordung der Mitarbeiter ein Anschlag auf uns alle – ja, auch auf mich – und unserer Recht der freien Äußerung und des freien Denkens verübt wurde. Jeder Anschlag in dieser Richtung betrifft Jede_n. Denn dieses Freiheitsrecht ist ein universelles, das nur dann insgesamt und als solches existiert, wenn es für jede_n Einzelne_n existiert.
    Was ist daran so schwer zu verstehen? Das will mir einfach nicht in den Kopf.




    Dies ist das Titelblatt der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe von Charlie Hebdo.
    Und bei NETZPOLITIK.ORG findet man einen kurzen guten Artikel dazu.
    Soeben schrieb ich dort einen Kommentar (was ich mir in solchen Fällen in der Regel verkneife, aber hier musste ich einfach ...), den ich, weil er ein über den Artikel hinausgehendes Statement beinhaltet,  hier rüber kopiere. Meine Meinung:
    Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Satire MUSS UNBEDINGT respektlos mit Religionen (allen) umgehen, da diese nämlich ihrerseits – zumindest in ihren fundamentalistischen Ausprägungen – die Freiheitsrechte des Menschen mit Füßen treten und ihren eigenen Glauben den universellen, unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechten überordnen. Das in den Menschenrechten und in unserem Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Religionsfreiheit beinhaltet aber ganz wesentlich auch das Recht auf Freiheit von Religion und ihrer Einflussnahme.
    Religion darf nicht herrschen. Sie nimmt sich dieses Recht aber in vielen Teilen heraus, und das muss in jeder Form kritisiert werden, auch durch auf die Spitze getriebene Satire.
    Ich hänge noch an (vorsichtshalber, ja, denn auch ich fürchte mich ein wenig, das gebe ich kleinlaut zu): Ich befürworte absolut und halte für notwendig einen in Schrift und Bild respektlosen – im Sinne von nicht unterwürfigen – Umgang mit den (allen!) Religionen, ihren Oberhäuptern, den Auslegern der Schriften, den selbsternannten „Bestimmern" und Herrschern, NICHT mit den gläubigen (oder ungläubigen!!!) Menschen.
    Ich hoffe, ihr seht den Unterschied.


    Soviel für heute. Kann sein, da kommt noch mehr. So ist das eben, wenn ein empfindlicher Nerv getroffen wurde. 


    Ach doch, noch eine Kleinigkeit: Mir gefiel, was Max Moor am Sonntag am Ende von TTT über den „Terror der Humorlosen" sagte. Hier das anderthalbminütige Video.

    Montag, 12. Januar 2015

    to be continued

    ... der Wunsch, es möchte etwas aufscheinen vom Willen zur Wahrhaftigkeit in den Erschreibungen, den Herantastungen, auch in den Verschlüsselungen, auch in den Verschweigungen, die ihre Begründung aus was auch immer beziehen, vielleicht aus einer Notwendigkeit, das möchte ich jedenfalls glauben, möchte es  m i r  glauben, die ich mir mit jedem, auch jedem nach außen gerichteten, Text Briefe schreibe, ohne mir deshalb ununterbrochen als meine eigene Adressatin bewusst zu sein, Briefe von mir und aus mir an mich und in mich, um  m i c h  zu schreiben und zu lesen in einer fortwährenden Arbeit der Aufdeckung und der Häutung, die in Aufrichtigkeit geschehen soll und auch muss, weil es sonst nichts nützt, einer gewissen Schonungslosigkeit auch, die schmerzt, aber viel weniger schmerzt als eine fortwährende Schonung, eine echte Aufrichtigkeit, so der Wille, von dem ich hoffe, dass er aufscheint in den Bruchstücken, auch den fantasierten, dennoch aus mir oder wenigstens dem mir Bekannten geschöpften, um zu zeigen, was war und was ist und wie es war und wie es ist und  d a s s  es ist, ja, vor allem das, so eine Art Selbstvergewisserung abseits von Einordnungen und Bewertungen, nichts anderem verpflichtet als eben der Wahrhaftigkeit oder zumindest dem Willen dazu, mehr geht ja vielleicht gar nicht ... und am Ende nie das to be continued vergessen, weil es ein echtes Ende ja erst ganz am Schluss gibt, wenn wirklich nichts mehr geht, jedenfalls nichts, von dem wir wissen könnten, höchstens ahnen oder hoffen, aber  j e t z t  i s t  und nur jetzt, alles andere ...

    (beim abschließenden Lesen fiel mir auf, dass ich in diesem Text ein bestimmtes Wort inflationär verwende, nämlich das Wort "auch", erst wollte ich's ändern, aber dann dachte ich, dass dieses "auch" doch recht genau zeigt, worum es geht: eine Addierung kleiner gleichwertiger Teile zu einem Ganzen, längst nicht abgeschlossen, to be continued eben)

    AMNESTY INTERNATIONAL: URGENT ACTION: REGISSEURIN ZU HAFTSTRAFE VERURTEILT

    Die tunesische Filmregisseurin Ines Ben Othman ist wegen Beamtenbeleidigung zu zwei Monaten Haft verurteilt worden.

    Am 7. Januar wurde Ines Ben Othman wegen "Beleidigung eines diensthabenden Beamten" gemäß Paragraf 125 des tunesischen Strafgesetzbuchs zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Angaben ihrer Rechtsbeistände zufolge durften sie ihre Mandantin zwar vor Gericht verteidigen, hatten aber den Eindruck, dass die Richter_innen kein Interesse daran hatten, ihnen tatsächlich zuzuhören. Sie haben angekündigt, Rechtsmittel einlegen zu wollen.

    Ines Ben Othman wollte am 19. Dezember 2014 auf der Polizeiwache von Ariana, einem Vorort der Hauptstadt Tunis, Anzeige gegen einen Polizisten erstatten. Ihren Angaben zufolge hat der stellvertretende Leiter der Polizeiwache in den vergangenen Monaten beleidigende Kommentare über sie auf Facebook hinterlassen. Auf der Polizeistation hatte Ines Ben Othman eine Auseinandersetzung mit dem stellvertretenden Leiter und wurde angeklagt und inhaftiert.

    Amnesty International wendet sich gegen gesetzliche Bestimmungen, die Beleidigung oder Verleumdung als Straftat definieren und ist der Ansicht, dass solche Vergehen zivilrechtlich behandelt werden sollten. Die Organisation kritisiert seit einiger Zeit, dass die tunesischen Behörden sich auf derartige Gesetze berufen, um Regierungskritiker_innen, Journalist_innen, Blogger_innen und Künstler_innen strafrechtlich zu verfolgen. Die Organisation hat die tunesische Regierung bereits in der Vergangenheit aufgefordert, Gesetze zu überprüfen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken. Hierzu zählen auch gewisse Bestimmungen des Strafgesetzbuchs.

    (Text: ai)

    HIER kann man mit einem Klick eine vorformulierte e-mail verschicken und weitere Informationen finden.

    *

    Wie in meinem letzten Blogpost angekündigt, werde ich in Zukunft regelmäßig auf Eilaktionen von Amnesty International hinweisen. Diese sind 
    „ein effektiver Weg, um akut bedrohten Menschen das Leben zu retten. Sie sind die denkbar schnellste Form der Intervention: Wenn Amnesty von willkürlichen Festnahmen, Morddrohungen, Verschwindenlassen, Folterungen oder bevorstehenden Hinrichtungen erfährt, startet die Organisation eine Urgent Action.
    Binnen weniger Stunden tritt ein Netzwerk von fast 80.000 Menschen in 85 Ländern (in Deutschland 10.000) in Aktion: Diese Aktivisten und Aktivistinnen appellieren per Fax, E-Mail oder Luftpostbrief an die Behörden der Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden. Bei den Adressaten gehen Tausende von Appellschreiben aus aller Welt ein. Es ist dieser rasche und massive Protest, der immer wieder Menschenleben schützt.
    Unzählige Personen - von China bis Chile, von Syrien bis Simbabwe - konnten seit der ersten Urgent Action im Jahr 1973 gerettet werden. Allein im Jahr 2007 hat Amnesty International 350 neue Eilaktionen gestartet - etwa 35 Prozent davon zogen positive Meldungen nach sich: Freilassungen, Hafterleichterungen, die Aufhebung von Todesurteilen oder auch Anklagen gegen die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen." (ai)
    Mehr Informationen hier.

    Samstag, 10. Januar 2015

    Bleivergiftung

    Die Suchbegriffe, über die man auf meine Seite gelangt, fand ich bisher nicht besonders interessant oder gar spektakulär. Aber der heutige! Hier:
    "Bleisaum Zahnfleisch" 
    Wie landet man über so einen abgefahrenen Suchbegriff auf meinem Blog?

    Schnell mal googeln. Aha, Bleivergiftung. Dachte ich mir schon. Wikipedia nennt unter Diagnose und Monitoring als eines der äußeren Symptome einer Bleivergiftung

    einen blauschwarzen, Blei(II)-sulfid enthaltenden „Bleisaum“ im Zahnfleisch um die Zahnhälse"

    Wieder was dazu gelernt.

    Angesichts der Ereignisse der letzten Tage (Ich denke hier vor allem an Charlie Hebdo.) assoziiere ich unter Bleivergiftung allerdings etwas anderes und komme auf die Idee, mal nach dem Bleigehalt heute üblicher Munition zu googeln. Dabei stoße ich auf einen Hersteller, der doch tatsächlich u.a. mit folgendem Satz für seine bleifreie Munition wirbt: 

    Diese Munition beweist, dass auch ohne umwelt- und gesundheitsschädigendes Blei hohe Effizienz und Genauigkeit ohne Einschränkungen möglich sind.“
    Nicht gesundheitsschädigende Munition. Uff. Zynismus pur. 
    (Und ja, ich weiß, dass damit natürlich die Gesundheit des Schützen und nicht die der "Zielperson" gemeint ist. Was es in meinen Augen aber nur noch zynischer macht.)

    Wie sähe wohl eine Welt ohne Waffen aus?

    Und was bedeutet eigentlich Zivilisation?





    Wir geraten in jeglicher Hinsicht an unsere Grenzen. Auch an die unserer Vorstellungskraft. Im Zerstören sind wir besser als im Erhalten und Wiederherstellen. Dennoch weigere ich mich, pessimistisch zu sein oder an der Menschheit ganz allgemein und insgesamt zu verzweifeln. Es gibt auch einen –  wenn auch über einen sehr langen Zeitraum sich erstreckenden – Fortschritt zum Guten hin.


    Hier der Link zu einem Interview, das das brand eins Magazin im Oktober 2014 mit Jan Philipp Reemtsma geführt hat und an das ich in diesem Zusammenhang wieder denken muss. Die Frage, um die es ging:

    Weshalb vertrauen wir der Zivilisation trotz der Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts? 



    Was mir persönlich noch wichtig ist:

    Entgegen unserem Ohnmachtsgefühl gibt es ja doch einige Dinge, die wir tun können und die in unserer Macht stehen, ohne dass dafür die Anwendung von Gewalt nötig wäre. Ein Beispiel habe ich im gestrigen Blogpost genannt.

    Amnesty International beschreiten mit ihren Aktionen einen Weg, den ich aus tiefster Überzeugung mitgehen kann und schon lange gehe. Die Aktionen bleiben nicht ohne Wirkung. Ich bewundere die Beharrlichkeit und das unbeirrte Festhalten an ausschließlich friedlichem und respektvollem Handeln (das manchmal eine ganz schöne Herausforderung für meine begrenzte Geduldfähigkeit bedeutet).
    In Zukunft, das habe ich mir vorgenommen, werde ich regelmäßig auf solche Aktionen verlinken. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum ich das nicht schon früher getan habe. Vielleicht aus einem diffusen Empfinden heraus, dass die Dinge getrennt bleiben sollten, dass nicht alles in ein Blog gehört, dass es dann unübersichtlich wird ... 
    Ich lasse es jetzt mal bei diesen wie immer vorläufigen Gedanken bewenden.


    Soviel zum Stichwort "Bleisaum Zahnfleisch".



    Freitag, 9. Januar 2015

    Tatenlos zusehen ist auch keine Option

    Es gibt Möglichkeiten zu handeln und zwar auf friedlichem Wege. Es kostet nicht mehr Anstrengung als das Schreiben eines Tweets. Es bedeutet viel weniger Aufwand als das Verfassen eines Blogartikels. Und es zeigt Wirkung.

    Amnesty International Urgent Action für Raif Badawi

    Donnerstag, 8. Januar 2015

    Verstummen ist keine Option

    Verstummen ist keine Option
    angesichts –
    angesichts all dieser –
    all dessen –
    wie sag ich's denn bloß?!
    dein Kopf –
    zu voll
    und auch das Herz
    – zu Unrecht!, denn –
    ja, warum?
    es geht ja nicht um –
    um?
    dich!
    nein?
    doch!
    ja was denn?!
    deine Kehle zugeschnürt
    im Bauch ein schwerer Stein
    [dabei bist ja gar nicht du –
    was?
    getroffen! aber trotzdem be-
    oder? darf ich das? so? sagen?]
    die Sätze –
    wollen nicht gelingen
    – alle falsch/zu klein/groß –
    zerbrechen dir
    noch auf der Zunge
    zersplittern bis zur
    Unkenntlichkeit
    gerecht wirst du keinem
    auch dir nicht
    und trotzdem:
    Verstummen ist keine Option
    Lass dir dein hilfloses –
    mein was?
    dein hilfloses –
    ja?
    Lass dir dein
    Stammeln nicht verbieten!

    Mittwoch, 7. Januar 2015

    7. Januar 2015







    Was Salman Rushdie sagt: 
    "Religion, a mediaeval form of unreason, when combined with modern weaponry becomes a real threat to our freedoms. This religious totalitarianism has caused a deadly mutation in the heart of Islam and we see the tragic consequences in Paris today. I stand with Charlie Hebdo, as we all must, to defend the art of satire, which has always been a force for liberty and against tyranny, dishonesty and stupidity. ‘Respect for religion’ has become a code phrase meaning ‘fear of religion.’ Religions, like all other ideas, deserve criticism, satire, and, yes, our fearless disrespect." (English PEN, 7.Januar 2015)

     .

    Dienstag, 6. Januar 2015

    Meine Hand schließt sich um ein ...

    Du hast deine Krone abgesetzt. Für mich. 

    Wir lagen im Feld, die Stoppeln durchstachen unsere Rückenhaut. Wir würden blühen, eines Tages. Ahntest du etwas? Hattest du deshalb ...?

    Teil zu sein eines ewigen Kreislaufs. Machte uns das klein? Oder groß?

    Damals stellten wir kindliche Fragen. Später schämten wir uns dafür. Noch später übten wir Nachsicht mit uns. Irgendwann würden wir uns die damalige Weltsicht zurückwünschen. 

    Vorerst hast du: deine Krone abgesetzt. Für mich.

    Wollen wir tanzen? Meine Lust, dich aufzufordern.
    Ich habe etwas gefunden. Willst du es sehen?
    Meine Hand schließt sich um ein ... G e h e i m n i s

    Wir tanzen längst, sagst du. 
    Ja, das tun wir. Und du, du hast deine Krone abgesetzt. 
    Darf ich noch etwas anfügen? Ja, darf ich? Also gut: Diese Krone: Du hattest kein Recht, sie zu tragen. Weißt, wusstest du das?

    Du bleibst stumm. Natürlich, das bliebe ich wohl auch. Aber deswegen gleich verzeihen? Ach komm, ein wenig Herausforderung!

    Wir tanzen seit je, sage ich. Und du, du hättest deine Krone längst absetzen müssen. Es war gerade noch rechtzeitig. Weißt du? Es war ganz schön knapp. Fast wären wir ... wärest du ... wäre ich ...

    Wir würden blühen, eines Tages, so ging mein Traum, oder besser: das stumme Versprechen darin.
    Und fast wäre die Möglichkeit, dass es wahr werden könnte, eines Tages – fast wäre schon die bloße Andeutung einer Möglichkeit zu einem Stäubchen im Wind geworden. Und das einzig wegen einer zu Unrecht getragenen Krone. Auch das spricht mein Traum.

    [So zweifellos zu trauen, so sicher zu folgen dem aus der eigenen Tiefe Heraufsteigenden. Ja.]

    Du hast deine Krone abgesetzt. Warum?
    Ist das wichtig?, fragst du.
    Ja, sage ich, gänzlich unreflektiert. Es ist mir wichtig. Das von dir hören zu wollen, das ganz genau wissen zu wollen nehme ich mir raus.

    [Wie ich mir viel öfter was rausnehmen sollte aus der Schatzkiste mit den Selbsterlaubnissen.]

    Öffnest du deine Hand für mich?, fragst du.
    Du forderst mich ganz schön heraus.