Mittwoch, 21. Mai 2014

So, liebe Worte

Der Worte so müde. Vor allem der eigenen. Dabei bin ich gar keine Anhängerin der Überzeugung, es sei längst alles gesagt. Im Gegenteil! Viel zu viel ist gesagt, aber längst nicht alles. Dieses Zuviel hindert mich, bremst mich aus. Bloß nicht noch etwas hinzufügen! Und auf der anderen Seite hängt das Ungesagte in der Luft. Dem nur mit vorsichtiger Annäherung beizukommen ist. Das sich nicht fassen lässt. All das (im Moment noch) Unaussprechliche, das wir mitunter in silbernes Gold zu fassen versuchen. In beredtes Schweigen. Und in sein Gegenteil. Ja, genau. (Ja, wirklich?)

Der Worte so müde, der immergleichen Pointen, der geschliffenen Sätze, die allein durch ihr Oberflächenfunkeln überzeugen. Schaut man genauer, fällt man ins Leere. Bitte keine beschauliche Poesie, keine Schönworterei! Oder nur dann, wenn es passt. Und das tut es, je nachdem, wohin man den Blick lenkt, erstaunlich oft. Denn ein Zitronenfalter auf einer Wildrose ist noch immer kein Kitsch, sondern ein zerbrechlich vollkommenes Geschenk der Natur. Ebenso der Gesang einer Nachtigall, eine hellgrüne Waldlichtung, ein äsendes Reh, ein über Kiesel springender Bach, dessen Wasser im Sonnenlicht glitzert, Gras oder Strand unter den Füßen, ... All dies steht, einmal in Worte gefasst, unter Kitschverdacht.

Der ästhetischen Prüfungen so müde. Der kritischen Blicke, der gelehrten Münder. So müde, so müde, so müde. Finde da mal, unabhängig!, ein einziges aufrichtiges Wort. Ein zugewandtes, aber nicht zugeschnittenes. Finde das mal! Und dann wühlst du, um zu überzeugen, im Schmutz, trägst das Dunkel ans Licht, rührst in Blut und Schweiß, brichst Knochen, schneidest in Fleisch. Denn ehrlich gibt es nur als Tabubruch. Angeblich! Stirb deinen Tod, stirb ihn langsam, das nimmt dir jeder ab. Aber dein (manchmal!) vor Freude glucksendes Leben, das behalt für dich. Da müssen sie kotzen.

Der Schwarzmalerei so müde und der Pastellfarben so müde. Was denn nun? Der Trends so müde, der pseudoklugen Kritiker. Pfeif auf die selbsternannten Gurus und auf jeden, wirklich jeden Hype. Pfeif auch auf die, die dir sagen "Mach dein Ding." Auf die, die sagen "Das hast du gut gemacht" genauso wie auf die, die sagen "Das ist Mist." Pfeif drauf. 

*

Immer wieder, wirklich immer wieder reibe ich mich an denselben Themen, schreibe ich mich in Rage, eine vergleichsweise harmlose Rage allerdings. Gegen den inneren Kritiker ebenso wie gegen die innere Feigheit vor dem äußeren Kritiker. Muss wohl sein.

*

So, liebe Worte, auch wenn ihr vor allem durch Unvollständigkeit und Vorläufigkeit glänzt: Noch einmal kurz umarmen und dann ab ins Freie!

8 Kommentare:

  1. JA.
    (Besonders gefällt mir auch die Formulierung: "Denn ehrlich gibt es nur als Tabubruch. Angeblich!" . Ein "gutes Leben" kann nur verlogen sein, nicht wahr? Geglaubt wird dagegen gern und kunstreich an die inszenierte Melancholie und Negativität.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und ein Happy End darf es schon gar nicht geben. Ich ertappe mich zur Zeit häufiger dabei, z.B. auf die guten alten Billy Wilder Filme Lust zu haben.
      Es ist ja auch gar nicht so, dass ich etwas gegen Melancholie habe, erliege ihr selbst hin und wieder. Und auch das Zeigen des tatsächlich vorhandenen Negativen finde ich wichtig. Aber genau wie Du sagst: Dieses Inszenieren, das Künstliche, Aufgebauschte, Gehypte, das geht mir gegen den Strich.

      Löschen
  2. Kleines Geschenk, den Wörtern, Worten und ihrer Freiheit, deinem Zuversehen:

    http://springvogel.blogspot.de/search?q=wildwort

    Und, was den Zitronenfalter auf der Wildrose angeht, gilt der Kitschverdacht schließlich dem Gefäß, nicht dem Inhalt, und ... äää ... eigentlich doch, weil, ähnlich wie bei Marmelade, es einen Unterschied macht, wie viel von dem Eigentlichen darin ist und wie viel Zucker, und, noch einmal äää ... überhaupt, weil, anders als Marmelade, der Zitronenfalter auf der Wildrose, in ein Glas gesperrt, nicht mehr der Zitronenfalter auf der Wildrose ist, bleiben kann. Anders siehts aus, wenn der Zitronenfalter und Wildrose das Gefäß selbst darstellen und die Marmelade sich dem Lesen des Brotes (wie von) selbst erschließt.

    Meine ich. :)! in den Tag ...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ein sehr schönes Gedicht, mit dem ich viel anfangen kann! Das Wildwort, ja. Das ungezähmte. Wobei ja das Reh genauso wild ist wie der Wolf. Also auch das Ungezähmte muss nicht Raubtier, sondern kann auch Fluchttier sein.
      Zum Kitsch: Klar, erst die Sprache, das Wie macht den Kitsch aus. Aber auch da gibt es die Auswüchse in die andere Richtung, den Blutrausch und den Exzess um des Effekts willen. Ich bilde mir ja immer ein, genau zu spüren, wenn ein Text aufrichtig ist. Das hat nichts damit zu tun, wie perfekt, intelligent, einfach, glamourös, unbeholfen ... er formuliert ist, sondern ob unter der Oberfläche ein echter lebendiger Herzschlag zu spüren ist. Schon wieder eine Metapher, aber besser kann ich's nicht erklären.
      Danke für deinen Kommentar!

      Löschen
  3. einfach ein dickes JA zu diesem text!

    AntwortenLöschen
  4. Gern gelesen, da ab und an sehr ähnliche Gedanken!
    Für mich habe ich das Werturteil "Kitsch" abgeschafft. Im Sinne von "mir doch egal".
    Ertappe mich, den intellektuellen Kommentatoren Rechnung zu geben, mich denen anzupassen, nicht zu naivkitschig zu wirken- nein, bloß nicht, dann wäre ich eine Selbstverleugnerin.
    Dein Text hat was in Bewegung gebracht!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Darum geht's ja, glaube ich: Sich selbst treu zu bleiben. Das schließt ja Lernen und Veränderung nicht aus. Aber nicht, um zu gefallen und die Erwartungen anderer zu erfüllen. Ich ertappe mich auch immer wieder dabei, dass ich für Leser schreibe oder auch wegen der Leser etwas nicht schreibe, das aus mir eigentlich herauswill. Ich bemühe mich, diese Vorbehalte zu überwinden. Finde es aber innerhalb dieser ganzen Bewertungs- und Beurteilungswelt manchmal ganz schön schwer, davon unabhängig den eigenen Ton zu treffen (wie ich auch oben im Text schrieb).
      Umso schöner, wenn dann Kommentare kommen, die mir zeigen, dass es nicht nur mir so geht.
      Lieben Dank!

      Löschen