Mittwoch, 26. August 2015

Eveline Hasler: Mein Schatten

Mein Schatten

Ich will nicht in der Hocke leben
um zu essen und zu trinken von euren
Becherchen und Tellerchen
auf Kindsgröße schrumpfen
um in euren Betten zu schlafen
mir Streicheleinheiten
erschleichen

Ich richte mich auf
Die Arme wachsen aus den Fenstern
Mein Kopf hebt das Dach ab
Vögel nisten in meinem Haar
Ich bin die Solitärin
mein Schatten fällt
wo er fällt



Eveline Hasler. In: Neue Freuden, neue Kräfte. Ermutigungen. Hrsg. Herbert Schnierle-Lutz. Insel Verlag Berlin 2013

Gefunden in Sonjas Wildgansblog, hier, und gedacht, dass ich es zu mir rüberholen muss, wegen der Schatten, you know.


*


Ich richte mich ebenfalls auf. Und aus. Und verabschiede mich in den Urlaub. Farben sammeln. Licht und Schatten. Eindrücke.





Bis bald!

Samstag, 22. August 2015

Versöhnung

Dann fällst du über den Rand und merkst: Es gab gar keine Grenze. Nichts hielt deinen Schritt ins Leere und den Sturz. Den Fall. Unter dir ein Schatten, der auf dich zu rast. Er breitet die Arme aus wie du, gerät wie du ins Trudeln. Aber er ist still. Stumm. Du hingegen rufst ihm etwas zu. Dann fängt er dich auf. Augenblicklich seid ihr nicht mehr voneinander zu unterscheiden.
Aber diese Geschichte ist zu unheimlich, um sie zu erzählen. Zu brutal. Erschreckend. Abstoßend? Vielleicht.
Also erzählst du eine andere. Ein Märchen.
Es war einmal ...
... und wenn sie nicht gestorben sind, dann ...
Langweilig, nicht wahr? Weil absolut vorhersehbar. 
Du wirfst einen Stein, triffst deinen Schatten, der hält sich die Stirn, du entschuldigst dich, er schüttelt den Kopf. Wie sollst du das deuten? Tut er die Sache als nichtig ab? Oder will er dir nicht verzeihen?
Du reichst ihm eine Rose, da blüht er sichtlich auf, hebt sich vom Asphalt in die Höhe, zieht seinen Hut und deutet eine Verbeugung an. 
Du bist beschämt. Reichst ihm zögerlich die Hand. Als er sie mit seiner Hand umschließt, spürst du die erwartete Kälte.
Ihr geht ein paar Schritte, weiter ist es nicht bis zum Rand.
Mit dem, was dahinter liegt, habe ich keine Erfahrung, sagt er und gibt dir einen Schubs. Einen leichten nur, trotzdem verlierst du das Gleichgewicht und machst einen unwillkürlichen Schritt nach vorn. Dann fällst du...
Es ist unausweichlich, da können wir noch so viele Märchen einfügen, das alles zögert es nur künstlich hinaus. Besser du versöhnst dich beizeiten mit deinem Schatten. Beginne damit, die Steine liegen zu lassen. Nicht umsonst haben sie ein Gewicht, das sie am Boden hält.

Samstag, 15. August 2015

Legt sich ein Schatten

Heute fiel mir ein, dass ich 2013 ein Gedicht geschrieben habe, das perfekt zu den drei Texten passt, die ich in den letzten Tagen unter dem Label „Schatten“ gepostet habe. Drei ganz unterschiedliche Texte, von denen einer nicht mehr als ein Fragment, eine kleine Assoziation innerhalb des letzten Wochenrückblicks darstellt (unter dem Absatz „Gescheitert“).

Das Gedicht habe ich damals „Letztes Gesicht“ betitelt. Heute würde ich es vielleicht mit einem anderen Titel versehen? Ich schreibe es hier noch einmal neu auf:


*


Liegt ein gefalteter Schatten
unter der Schwinge

Hebt sich die Schwinge
löst sich der Schatten
und steigt

Verfliegen die Jahre 

Senkt sich die Schwinge
legt sich ein Schatten
über die Zeit

Liegt die gefaltete Schwinge
unter dem Schatten
und schweigt 

Wie alles sich neigt
selbst die Wandelbarkeit
hat ein letztes Gesicht
das verleugnest du nicht


*

Ich mag dieses Gedicht sehr und es bedeutet mir viel. Ließe ich meine Finger, sie würden eine detaillierte Interpretation ins Schreibfeld tippen. Ich habe damals eine Weile gebraucht, um eine endgültige Fassung zu finden. Dann schließlich war es für mich perfekt. Es ist sehr genau. Aber ich halte meine Finger im Zaum. Mein Gefühl ist: Da kommt/kommen noch mehr. Die Schatten sollen eine offene Tür vorfinden.

Montag, 10. August 2015

Schattenbleibe

An der Rückwand ihres Hauses steht ein Gartenregal aus pulverbeschichtetem Eisen, die Stangen teils gedreht, teils geschwungen, die Böden mit türkisfarbenen Mosaiksteinen besetzt. In diesem Regal bewahrt sie jedoch kein Gärtnereizubehör wie Töpfe, Blumenerde, Hacken und Schäufelchen auf, sondern schmale gerollte Ballen aus – feinstem Chiffonstoff? So sieht es für mich aus. 
Als ich sie danach frage, zwinkert sie mir verschwörerisch zu – so empfinde ich es – und nimmt mich bei der Hand. „Pst“, sagt sie, „erzähl es nicht weiter. Ich bewahre hier meine Schattenfunde auf.“ 
„Du tust was?“, entfährt es mir. 
„Ich weiß“, sie tätschelt meinen Arm, „die gehören eigentlich in den Keller. Aber ich bin der Meinung, sie brauchen Luft und Licht.“ 
Sie ist verrückt geworden. Trotzdem hake ich nach: „Du sammelst also Schatten?“ 
„Ich schenke ihnen eine Bleibe.“ 
„Wo findest du sie? Ich meine, wie kommt man an einen Schatten, der nicht der eigene ist?“ Wieso lasse ich mich eigentlich darauf ein? 
„Du darfst sie gerne anfassen“, beantwortet sie meine nächste Frage, bevor ich sie gestellt habe. 
Ich trete näher an das Regal heran, meine nun auch, einen leichten Geruch wahrzunehmen, der von den Ballen ausgehen muss. Ein leise wehender, mit nichts, was ich kenne, vergleichbarer Duft. 
„Trau dich, sie sind unempfindlicher als man denkt.“ 
Ich strecke meine Hand aus und streiche über ein asphaltgraues  – ein – ein undefinierbares Etwas. Auch hier fällt mir nichts Vergleichbares ein. „Es fühlt sich seltsam an. Wie nichts, das ich kenne. Wie –“ 
„Wie ein Schatten“, sagt sie. „So fühlt sich ein Schatten an. Nun weißt du es.“ Sie lächelt. Meinen eigenen Gesichtsausdruck kann ich mir lebhaft vorstellen.
„Haben sie Namen?“, frage ich. 
„Ja natürlich, aber die kenne ich nicht. Ich bohre auch nicht nach. So viel Freiheit muss sein.“ 
So viel Freiheit muss sein. Ja. Dennoch liegen sie hier zusammengerollt und verschnürt. 
„Das mache ich nur aus Platzgründen.“ Sie hat meinen Gedanken gehört. „Sie können jederzeit entkommen, wenn sie wollen. Einzelne haben das bereits getan. Die meisten bleiben, sie tauschen hin und wieder die Plätze, breiten sich auch mal auf dem Rasen aus, hängen sich an einen Ast, schaukeln im Wind."
Ich möchte, dass es wahr ist, denke ich. 
„Aber das ist es doch“, sagt sie.

Sonntag, 9. August 2015

Wochenrückblick 3. - 9. August 2015

Gelesen, gehört, geschaut, gefreut:

Ja, ja, ja, ja
Habe aber gerade keine Lust, darüber zu schreiben. Anderes zieht an mir.


Gestolpert:

– über mich selbst und meine Ansprüche (wie sehr ich Arroganz verabscheue! zugleich aber auch Dummheit absolut unerträglich finde, eigentlich unhinnehmbar)
– über meine Empfindlichkeit
– über meinen Wunsch, gesehen (und akzeptiert) zu werden, ohne mich dafür verbiegen zu müssen (womit ich Anpassung und Selbsterklärung meine); die Übungen, die ich mir deshalb auferlege (auf mein Blog bezogen bedeutet das: schwer verständliche Texte, Unbehauenes, Bruchstückhaftes, krude Assoziationen und dergleichen ungefiltert rauszulassen (noch viel zu wenig! (Ich liebe dieses Üben!))) 
– über eine defekte Fahrradbremse, was zum Nächsten Abschnitt führt:


Gestürzt:

mit dem Fahrrad. Halb so schlimm. Nur eine leichte Prellung und eine große Schürfwunde am linken Knie. Das rechte war wegen einer Zerrung, die ich mir vor kurzem zugezogen habe, noch bandagiert und deshalb vor einer allzu harten Begegnung mit dem Asphalt geschützt.
Weil ich dazu neige, jegliches Malheur auch (wohlgemerkt: auch, nicht nur) in einem ganzheitlichen (und ganz und gar unesoterischen) Zusammenhang zu deuten, dachte ich spontan: Aha, offenbar gehe ich in die Knie. Kapituliere. Gut so. Passt in meine derzeitige Lebenssituation.
Kapitulation ist im Gegensatz zu Resignation ja etwas Positives, ihr geht eine Akzeptanz unausweichlicher Fakten voraus. Sie ist vernunftbewegt und schließt weiteres Handeln nicht aus, sondern ermöglicht es erst neu.
So spreche ich mir Mut zu, pflege meine Knie mit ihren verschiedenen Blessuren und ziehe daraus die Zeit und die Muße, mich auch anderen Anteilen meiner Person pfleglich zuzuwenden.


Gescheitert:

mit der Absicht, zu einem bestimmten Post in einem bestimmten Blog einen Kommentar zu hinterlassen. „Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.“, heißt es da. Nein, muss ich nicht. Ich setze ihn einfach hier bei mir hinein:


... und im Schuppen hinterm Haus steht eine mechanisch betriebene Zeitmaschine, mit der man sich wahlweise ins Pliozän (um auf einem wilden Hipparion zu reiten?) oder ins Internetzeitalter (um einen Blogartikel zu verfassen?) katapultieren kann ...

Wer den zugehörigen Blogartikel findet, gewinnt ....
... einen Einblick in den Zusammenhang. Wofür ich natürlich nicht garantiere.

Derweil beobachte ich einen vor vielen Jahren auf der Straße liegen gebliebenen Schatten eines Mannes dabei, wie er seinen Hut zum Gruß einer Zeit, die er nicht mehr erleben wird, zieht und dann wieder aufsetzt.


Gefunden: 

das Blog geflüchtet.de.


Die AutorInnen sind ...


„... erschrocken und wütend über die Übergriffe auf Flüchtlinge in unserem Land. Das Versagen der EU, auch nur einen Minimalkonsens bezüglich ihrer Versorgung zu erreichen, beschämt uns. Wir sind es leid, wie in Medien, aber auch persönlichen Gesprächen die Schutzbedürftigkeit aus ihrer Heimat fliehender und geflohener Menschen in Frage gestellt und zugleich Rassismus verharmlost wird.“ *

Ihr Blog soll ...


„... Biografien von Flüchtlingen in Gegenwart und Vergangenheit dokumentieren, historische Vorgänge thematisieren, die Zwangsmigration und Flucht hervorgerufen haben und Umgangsweisen von Aufnahmegesellschaften beschreiben. Wir wollen nicht die sich wiederholenden gegenwartspolitischen Argumente aufwärmen, wir wollen aus fachlicher Perspektive erklären, wie Flucht entsteht und entstand, wie Menschen flüchteten und fliehen, wie Aufnahmeländer mit ihnen umgingen und umgehen.“ *

Weiter schreiben sie:


„Gleichzeitig ist eine globale Geschichte von Flucht immer auch eine Verflechtungsgeschichte. Über die Jahrhunderte haben Kriege, Kolonisation und Ausbeutung zu nationalen, ethnischen und religiösen Verwerfungen geführt, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart spürbar sind. Auch diesen Aspekt möchten wir beleuchten.“ *

Das alles können sie nicht allein leisten, deshalb ... 

„... bitten wir Interessierte um ihre Mitarbeit. Schreiben Sie Blogbeiträge, helfen Sie unserem Lektoratsteam oder erzählen Sie anderen von uns.“ *

geflüchtet.de bündelt in für mich beispielloser Weise Fakten, globale und historische Zusammenhänge und Einzelschicksale. Die Blogbeiträge informieren, klären auf und berühren, je nach Thema und immer auf sachlich und verständlich geschriebene Weise. 
Zu eigenen Beiträgen wird eingeladen (s.o.), die BetreiberInnen fungieren dabei als Redakteure.
Ich wünsche dem Blog eine breite Akzeptanz und schließe mich ganz und gar dem folgenden an:
„Wir wünschen uns eine Gesellschaft, die Menschen unabhängig von ihrer Herkunft willkommen heißt und sie als Bereicherung sieht. Denn: Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ *

* alle Zitate: geflüchtet.de 




Samstag, 8. August 2015

Irritationen (Gewebeprobe)

auf drei

auf zwei

auf eins

Wir werden uns nicht einig und sprechen deshalb von uns als wir, denn würden wir uns einig, könnten wir ich sagen, denn schließlich sind wir eins, von außen betrachtet, von innen besehen aber sind wir viele, die einander auch nicht mit nur einem Augenpaar betrachten, sondern mit ebenso vielen wie ...
ungenügende Logik, die mich/uns den Satz vor seinem Abschluss beenden lässt. Lieber ins Leere laufen als gegen eine Wand.

die Gespräche, die dadurch möglich sind ... eine Auffächerung des Selbstgesprächs ...

das Zurückschnellen der sogenannten “anderen” ... aufgrund der Irritationen? Sollte ich diese unterlassen? Warum? Zur Besitzstandswahrung?

Was hat sich da denn angesammelt, hm? Augenpaare, zumeist anonyme. Bin ich in Liebe entbrannt? Bin ich in irgendwelcher Weise angewiesen? Wände, sprecht! ha ha ... Dennoch: der Verlust schmerzt, jeder einzelne versetzt mirdiruns einen Stich. Das Abwenden, das Wegsehen, das Kopfschütteln, das sich Entfernen. das mich Entfernen.

Und dann bist du beleidigt, betätigst deinerseits die Löschtaste, es ist ja so leicht, nein, es ist schwer, aber technisch betrachtet einfach, ein Klick. Und dann spürt den keiner! Deine Inkonsequenz.

Warum lässt du solche Texte hinaus? Gewebeproben, winzige Entzündungsherde inbegriffen.
Du lässt dich von innen schwer gegen deine Haut fallen. Sie reißt nicht, die gute.

Sprechen wir wieder von uns, das ist sicherer.

Beraten wir uns noch wegen des Labels?
Brauchen wir eins?
Schauen wir noch mal drüber über den Text?
Nee, den lassen wir so stehen, so ist er wenigstens wahr.


Donnerstag, 6. August 2015

was bleibt (ohne Punkt und Komma)

ich dachte schon du meintest mich als du dich noch einmal umsahst aber nein du prüftest deinen Schatten den du hinter dir herzogst wie eine Schleppe prüftest die Kontur richtetest dich auf rücktest den Hut gerade als stündest du vor einem Spiegel so tief blicktest du in den Asphalt und als dir endlich gefiel was du sahst hobst du den Blick der mich im Abwenden deines Gesichts kurz streifte und an deinem Innehalten erkannte ich dass du mich bemerkt hattest und deinem Rücken sah ich an dass du einen Sekundenbruchteil  lang versucht warst dich erneut umzudrehen diesmal nicht um deinen Schattens zu prüfen sondern um meinetwillen aber du tatest es nicht sondern strebtest vorwärts der Straße zu die du zügig überquertest und auf deren anderer Seite du in dem Menschenstrom untertauchtest der gerade aus dem dortigen Bürohaus zum Feierabend eilte und so vergaß ich dich bis ich heute erneut die Stelle passierte an der du dich zu deinem Schatten umgedreht hattest und siehe da ich fand ein Zipfelchen desselben an der einen Seite ausgefranst dort wo er abgerissen war und ich erinnerte mich dass ich als du innehieltest einen Schritt vorwärts machte hoffnungsvoll auf dich zu dabei musste ich auf deinen Schatten getreten sein so dass er als du davoneiltest riss und das Stück auf dem mein Fuß stand zurückblieb und als ich mich nun bückte um es genauer zu betrachten erkannte ich den blassen Abdruck meines Schuhs darauf wie ein Stempel haftet dieser Beweis unserer letzten Begegnung auf dem Asphalt anscheinend wetterfest und resistent gegenüber jeglichen Einflüssen und ich fragte mich wie genau wohl etwas sein kann das lediglich ein Schatten ist mit einer Trittspur darauf ein Schatten eines Ereignisse das von so geringem zeitlichen Ausmaß und zugleich von so immenser Bedeutung für unser weiteres Leben war denn das war es doch möchte ich glauben oder nicht wie sonst ließe sich Bedeutung definieren als über das bleibende Zeugnis der Verbindung von zwei so flüchtigen Dingen wie einem Schatten und einem Fußabdruck

Sonntag, 2. August 2015

Still

Still.



„Du bist so still.“  „Ja.“


Still, Stille, Stillen.

Stillerücken. Stille Rücken. (Ach, könnte ich doch malen ...)

Still (und schön. schön still)



*



„... it‘s oh so still ...


... and so peaceful until ... “


*


Kontrastprogramm:

– Nothing compares to ...

– Satzfetzen

– weißes Rauschen

– Rausch


– Pst

– Shush

– Oh so ...

– Sie (irgendwo dazwischen. immer)