Montag, 17. März 2014

Englandwärts

Bin in England aufgewacht. Dabei fliege ich erst am Donnerstag.
Noch drei Tage arbeiten, dann packen, dann geht's los.
Meine Tochter treffen, die seit zwei Monaten per Couchsurfing durch Schottland tingelt. Gemeinsam werden wir Städte, Küsten, Unis angucken.
Zwei Wochen Mutter-Tochter-Zeit. Ich freu mich so.
Und bin deshalb innerlich schon hin und weg und dort. Alles andere darf warten. Auch die Vogelfrau.

Samstag, 15. März 2014

Am Abend saßen wir zusammen und ... (Vogelfrau 3)

... sprachen über die Ereignisse des Tages. Einer von uns hatte gehört, wie Bluhm im Aufzug vor sich hin murmelte: "Lass dies um Himmels willen keinen Krimi sein, bitte lass dies keinen Krimi sein." 
Wir lachten, aber nicht, weil wir Bluhms Aussage so witzig fanden, sondern um das Gefühl der Beklemmung abzuschütteln.
Zur Sache: Die Rollen waren klassisch verteilt, ohne dass wir bewusst Einfluss darauf genommen hatten. Letzteres war uns einzig gültiger Beweis für die Echtheit einer Geschichte. Anscheinend waren wir noch nicht so weit, uns vollkommen von alten Klischees zu lösen.
Nächster Punkt: Die Flügel. Einige hätten gerne ihre Ideen dazu geäußert, aber unser gemeinschaftlicher Beschluss lautete: Abwarten! Wir wollen nehmen, was kommt.
Nochmal zurück zu Bluhms gemurmelter Bitte: Da ließ sich was machen. Hielten wir doch ohnehin nicht viel von Genrezuordnungen. Wir konnten die Ereignisse laufen lassen, ohne sie unter einen Oberbegriff zu fassen. Konnten wir doch, oder? Oder?? Die Zweifler unter uns beeilten sich, zustimmend zu nicken. Naja ...
Das ist eben alles noch Neuland für uns. Groß die Gefahr (oder nur unsere Angst?), sich zu verlaufen. Aber selbst dann ... Hey, wir wollten das so! Wir wollten diese Form von Freihei!. Lasst sie uns bis zur Neige auskosten!

Freitag, 14. März 2014

Taube auf Balkonbrüstung (Vogelfrau 2)

Bluhm setzte sich auf den Drehstuhl vor dem Schreibtisch, ließ die Hand mit der Liste sinken und sah zum Fenster hinaus. Eine Taube hatte sich auf der Balkonbrüstung niedergelassen und schaute ihn mit schiefgelegtem Kopf an. Er zückte seine Kamera und schoss ein Foto. Vögel an Tatorten. Vor Jahren hatte er damit angefangen, inzwischen war eine ganze Serie daraus geworden. Seine Frau liebte diese Fotos. Wie überhaupt das Betrachten und Beobachten jeglichen Federvolks zu ihrer größten Leidenschaft geworden war, seit sie den Großteil ihrer Tage liegend verbringen musste. Im Bett, oder auf dem Sofa, von dem aus sie den Garten überblickte. Die Sträucher, in denen die Amseln nisteten, den Sandsteintrog, der als Tränke und Bad diente, das Vogelhaus, das im Winter mit Körnern lockte ...

Die Taube flatterte auf und verschwand aus seinem Sichtfeld.
Bluhm wendete das Papier in seiner Hand. Am unteren Rand der Rückseite stand in winzigen, blassen Buchstaben ein weiterer Satz: Ich bin nicht die Einzige! Ohne Anführungszeichen. Also kein Zitat diesmal? 

Bluhm zückte sein Handy und klingelte Treuer an: "Wie weit seid ihr da unten?"
"Du kannst dir nicht vorstellen, was ... Komm mal runter, sie verfrachten sie gerade in den Wagen."
"Was ist mit den Flügeln?"
"Das ist es ja! Musst du dir selber ansehen. Wie weit bist du denn?"
"Hab gerade das obligatorische Vogelfoto geschossen."
Treuer seufzte deutlich hörbar durch die Leitung: "Ach Bluhm ..."
"Ich komm runter!", rief er und legte auf.
Er legte die Liste zurück auf den Schreibtisch, steckte Handy und Brille ein und verließ die Wohnung.

Donnerstag, 13. März 2014

Du kannst nicht fliegen (Vogelfrau 1)

- Der Versuch der Um- oder Neuschreibung einer vor mehreren Jahren verfassten Kurzgeschichte, die zwar abgeschlossen, aber dennoch irgendwie unfertig war. Mal sehn, was dabei herauskommt. -


*
 
Die Wohnungstür war lediglich ins Schloss gezogen worden. Auch die Tür zum Balkonzimmer war nicht abgesperrt. Die Frau hätte problemlos auf dem üblichen Weg entkommen können. Warum sie einen anderen gewählt hatte? Das herauszufinden, war Ermittlungssache.

Entkommen können. In dieser Kategorie dachte Bluhm, nachdem er sich gründlich im Zimmer der Toten umgesehen hatte. 
Treten wir ein paar Schritte und ein, zwei Stunden zurück:

Ein Grüppchen Passanten hatte die Polizei verständigt: Sie hatten bemerkt, wie die Frau auf die Brüstung des Balkons geklettert war. Einer hatte noch zu ihr hinauf gerufen, ein anderer war zur Haustür gestürzt, um sämtliche Klingelknöpfe zu drücken. Aber als die ersten Stimmen durch die Gegensprechanlage drangen, lag sie bereits auf dem Gehweg. Zerschmettert, in einer wachsenden Blutlache, die Flügel weitgehend unversehrt und zu beiden Seiten ausgebreitet.

Hauptkommissar Bluhm trat durch die offene Balkontür hinaus und beugte sich über die Brüstung. Sieben Stockwerke tiefer kümmerten sich seine Kollegen um die Leiche und um die Passanten. Verdammt nochmal, warum nahmen sie ihr nicht endlich die Flügel ab?! Er sandte einen schrillen Pfiff hinunter. Kollegin Treuer blickte auf und  erhob sich, drehte die Handflächen nach außen, zog die Schultern hoch und schüttelte den Kopf. Dann machte sie eine flatternde Bewegung mit den Armen, griff sich an die Schulter und tat, als versuche sie ihren Arm abzutrennen. Was ihr nicht gelang. Erneut die Geste der Ratlosigkeit. 
Was hatte das zu bedeuten? Bluhm fuchtelte ein Fragezeichen in die Luft, aber da war Treuer schon wieder in die Hocke gegangen, um sich weiter mit den Kollegen zu beraten. 
Diese absurden, diese nutzlosen Flügel ...
Ah, offenbar waren sie überein gekommen, das lange weiße Kleid zu entfernen oder zu öffnen. Treuer und ein anderer waren mit Scheren zugange. Soweit er das auf die Entfernung erkennen konnte.

Bluhm wandte sich ab und trat über die Schwelle zurück ins Zimmer. Dort ließ er den Blick schweifen, so erwartungslos, wie es ihm möglich war. Ein Blatt Papier auf dem ansonsten leeren Schreibtisch fesselte seine Aufmerksamkeit.
Es war dicht beschrieben, in einer akkuraten Handschrift. Er nahm es vom Tisch: Eine Sammlung von Sätzen beziehungsweise Aussagen, teilweise durchgestrichen oder farbig markiert. Der Form nach eine Art Zitatliste. 
Bluhm angelte seine Lesebrille aus der Brusttasche. "Du wirst MICH immer lieben, von Anbeginn liebe ICH dich.", lautete der erste Satz. Er war rot durchgestrichen und wiederholte sich mehrmals im Lauf der Liste. Desweiteren:
"Heute gehört uns der Himmel, morgen das ganze All."
"Es gibt kein Gold, nur toten Glanz."
"Wir singen, wir toben, wir regieren die Welt."
"Es gibt nur uns, für dich nur MICH, der Rest ist Schein."
"Wir wollen tanzen, bis der Boden blutet."
"Lass unsere Liebe einzig sein; ICH esse dich wie Brot, und du trinkst MICH wie Wein."
"Wir werden ewig sein, du bist alleine MEIN."
Und so weiter und so fort. Eine Auflistung seltsamer, befremdender Aussagen.
Am Ende: "ICH bin zu jeder Zeit und an jedem Ort."  
Und als letzter Satz, so oft nachgezeichnet, bis das Papier an einigen Stellen gerissen war: "Du kannst nicht fliegen."

Sonntag, 9. März 2014

Herr M., Herr S., Frau L. und all die anderen, ...

... die einfach zur Tür hereinstürzen, als wären sie Herrscher über dein Zuhause. Als gehörte ihnen dieser Raum mehr als dir. Wie sie dich zurückdrängen, und wie du nicht in der Lage bist, dich zu behaupten gegenüber ihrer Anmaßung. Wie sie dann aus dem Nichts Schläge auf deiner Haut verteilen und ihren Speichel mitten in dein Gesicht spritzen. Ihre Freiheit nennen sie das, und wenn du die Hände schützend vors Gesicht hältst, brüllen sie los. Eingeschränkt fühlen sie sich dann. Und bedroht, sobald du ein leises Wort zu deiner Verteidigung sagst. Und trittst du ihnen einen Schritt entgegen, fühlen sie sich gar verfolgt und rufen um Hilfe. Das alles in deinem Raum. Und du willst weder schreien noch schlagen noch spucken. Bist ein wenig hilflos und ohnmächtig in deiner selbstgewählten Gewaltlosigkeit. Überlegst, ob du ihnen einen Stuhl ans Fenster rücken sollst, ihnen einen Platz am Tisch anbieten, sie bewirten, freundlich mit ihnen reden. Könntest du das in deiner Angst? In deinem Ekel vor ihren geifernden Mündern? Willst du nicht lieber mit ausgestrecktem Arm zur Tür zeigen und mit lauter Stimme einen Platzverweis aussprechen? Recht hättest du. Aber du denkst: "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Du denkst: "Dieser Raum gehört mir." Du denkst: "Wie kriege ich diese beiden Gedanken unter einen Hut?" Und genau diese Frage stellst du dann den Herren M. und S. und der Frau L. und all den anderen, die ungefragt über deine Schwelle getreten sind. Du stellst diese Frage, entkorkst die Weinflasche, schneidest das Brot in dicke Scheiben, bittest die Ungebetenen, Platz zu nehmen, und hoffst auf eine minimale verbindende Gemeinsamkeit, wie beispielsweise Ratlosigkeit eine sein könnte. Nicht die schlechteste, wie dir klar wird, als ihr euch zögernd in die Runde setzt, allesamt ein wenig verlegen. Schweigend einander musternd, bis der erste lachen muss. Aber da wird die Realität bereits zum Traum.

Samstag, 8. März 2014

Durch die Wand im Kopf - lose Fäden sammeln

Der kleine, feine Unterschied zwischen weggehen und weitergehen.
Der Ort in mir, den ich Zuhause nennen will.
Die entmachteten Festschreibungen.
Die Schönheit einer definitionsbefreiten Liebe.
Der nie endende Versuch.
Der Unterschied zwischen Freiheit und Beliebigkeit.
Das zärtliche Beharren.
Die Irrelevanz von Originalität.
Die Relevanz der Wiederholung. 
Die Selbsterlaubnis als unverbrüchliches Recht.
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