Montag, 16. April 2012

Gold

Ich erinnere mich an eine Zeit, die vorüberging wie alle anderen, aber die, als sie war, eine Kugel zu sein schien, eine Kugel aus geschmolzenem Gold, darin eine nicht enden wollende Zahl Samstagnachmittage, Badewannen, gefüllt mit Schaumgebirgen, Tauchwettbewerbe, verschrumpelte Finger und Zehen, ein blauer Frotteebademantel mit tiefen Taschen, die Hände der Mutter, die sanft die Haare aus dem Gesicht streichen, während ein warmer Luftstrom aus dem Föhn die Kopfhaut massiert und in den Ohren kitzelt, der Platz auf der Couch mit dem goldbraunen Cordbezug, auf den ich mich mit angezogenen Füßen kuschelte, in Erwartung des Grießbreis mit der Butterpfütze und der Vorabendserie, deren Titelmelodie ich immer noch auswendig kenne, und ob das alles so war, wie ich es erinnere, so golden, könnte ich nicht beschwören, aber es ist im Laufe der Jahre so geworden, und in dieser Bearbeitungsmöglichkeit im Nachhinein liegt eine Freiheit, die derjenigen der Wahlmöglichkeit im Vorhinein nicht unähnlich ist, eine Freiheit, die lediglich genommen werden will, denke ich mir, und setze auf meine heutige Einkaufsliste ein Päckchen Grieß.

2 Kommentare:

  1. Wie schön sich dieser eine Satz in die goldene Kugel einschmiegt. Im Märchen rollte sie ja manchmal weg oder fiel in tiefe Brunnen, und das Fehlende war der Auslöser für vieles ...

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    1. Vielleicht ist deshalb das Bewahren wichtig, auch wenn manches Bewahrte im Laufe der Zeit eine andere Form annimmt,z.B. die einer goldenen Kugel, was unter Umständen heilsam sein kann.
      Danke!

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