Sonntag, 17. Januar 2016

2Wochenrückblick 4. - 17. Januar 2016

gelesen:

Don Winslow: Missing. New York

Zwei Mädchen sind verschwunden, die eine wird schon bald gefunden, ermordet, der Täter ist schnell gefasst, die Akte wird daraufhin geschlossen. Nur Frank Decker glaubt nicht an ein Ende des Falls und ermittelt auf eigene Faust weiter, ganz das Klischee des guten Detectives und des harten Typs mit dem weichen Kern, ein Mann nicht nur auf der Suche nach einem verschwundenen Kind, sondern auch nach sich selbst. Man(n) kennt das. Trotzdem: Die Geschichte ist in sich glaubwürdig, gut aufgebaut und vor allem so fesselnd geschrieben, dass ich den Alltag um mich herum komplett vergaß. Das ist Entspannung pur, dafür lese ich Krimis. 
Kleines Aber: Winslows bei Suhrkamp verlegte Krimis sind besser, komplexer, nicht wegen Suhrkamp, sondern umgekehrt, vermutlich; außerdem gibt es in Missing. New York patriotische Anklänge (Irakkrieg gut, Todesstrafe gut), weshalb ich ihn stellenweise mit ambivalenten Gefühlen gelesen habe.



Robert Seethaler: Ein ganzes Leben

Der Mann kann schreiben. Und zwar mit einer solchen Leichtigkeit, dass das Lesen der reinste Genuss ist. Schon mit dem Vorgängerroman Der Trafikant ging es mir so, hier nun wieder, wenn auch die Geschichte eine ganz andere und der Erzählstil diesmal karger, damit dem Sujet absolut angemessen ist.
Worum geht‘s: Um nicht mehr und nicht weniger als das ganze Leben eines einfachen Mannes, eines Einzelgängers in einem österreichischen Bergdorf, der im Laufe seines Lebens und in Anpassung an die politischen, gesellschaftlichen, technischen Veränderungen als Hilfsknecht, Seilbahnbauer, Soldat, Touristenführer arbeitet, eine einzige kurze große Liebe erlebt und am Ende, auf die anderen Dorfbewohner leicht verschroben wirkend, in selbstgesuchter Einsamkeit stirbt.
Gut 130 Seiten angefüllt mit Beschreibungen von archaischer Schönheit, taktvoller Charakterzeichnung und Würdigung eines Lebens in Schlichtheit und Selbstbescheidung, ohne Beschönigung oder Glorifizierung, beispielhaft für vermutlich viele Leben, die nunmal so und nicht anders verlaufen sind.



Laline Paull: Die Bienen

Aus den Klappentexten der gebundenen Fassung und des Taschenbuchs: 
„Ihr Name ist Flora. Ihre Nummer 717. Sie ist ziemlich groß. Ihr Pelz ist struppig. Andere finden sie hässlich. Doch sie ist klug und mutig. Und sie muss sich gegen die Regeln des Bienenstocks behaupten, denn Flora 717 ist eine Biene. Genauer: eine Säuberungsbiene aus der untersten Kaste im Bienenkorb. Ausgestattet mit Fähigkeiten, die ihren Rang weit überschreiten, steigt sie schnell auf und darf sogar an der Seite der Königin leben. Alles scheint perfekt. Doch ohne es zu wollen, gebiert Flora eines Tages ein Ei. Ein Umstand, der allein der Königin vorbehalten ist und bei Missachtung schwer bestraft wird. Es beginnt ein Wettlauf um Zeit, Nahrung und Geschicklichkeit, um ihr Leben und das ihres geliebten Kindes zu bewahren. Laline Paull inszeniert gekonnt einen Roman über Aufstieg, Liebe und Gerechtigkeit.“
Dieses Buch ist ein Märchen für Erwachsene, es ist Abenteuerroman und düstere Fabel um das Leben in einem totalitären Staat, allerdings mit gutem Ausgang und einer extrem originellen Heldin.  
„Ein hinreißendes Debüt“ meinte Denis Scheck und ich meine das auch.


geschaut:

The Killing

alle vier Staffeln
als Neuverfilmung der dänischen Serie Kommissarin Lund – Das Verbrechen produziert, aber in vielem abweichend und eigenständig, weshalb man die beiden nicht miteinander vergleichen muss, sie stehen jeweils für sich und ich habe die eine im letztem Jahr und die andere in den ersten zwei Wochen des neuen Jahres mit Begeisterung und fast suchtmäßig geschaut (Ach, und wie sich mein romantisches Herz über den Schluss der vierten Staffel von The Killing gefreut hat! Ich will hier aber nicht spoilern, falls jemand mitliest, der die Serie noch später als ich entdeckt.)
Bin jetzt in Linden & Holder verliebt.




Season 1-3 Trailer


Season 4 Trailer




geschrieben:

wenig
Es gibt ein paar Dinge in meinem Privatleben, die mich momentan sehr einnehmen.
Und es gibt die Reaktionen von verschiedenen Seiten, teilweise ideologiebesetzt, auf die Silvesternacht in Köln, die mich allesamt ebenso fassungslos machen wie die Ereignisse selbst. Und die mich entgegen meiner sonstigen Art im Netz verstummen ließen. Aus Feigheit? Aus dem Gefühl, mit meiner Sicht, meinen Gedanken allein dazustehen? Aus der kleinlichen Sorge, mich vielleicht unbeliebt zu machen?
Natürlich ist es nie leicht, zwischen all den laut und selbstbewusst Auftretenden und sich immer gleich in Aktionsbündnissen Zusammenschließenden als Einzelne eine abweichende Meinung zu vertreten, eine, die sich irgendwie nirgendwo einordnen lässt.
Ich brauche Bedenkzeit, Einkehrzeit, andere einzelne Stimmen (die es zum Glück gibt! s.u.), den Austausch mit ihnen ...
Ich habe mich also bisher darauf beschränkt, wenn überhaupt, dann „um den heißen Brei“ herum zu schreiben und tue das auch hier wieder. Gefällt mir zwar nicht, geht aber einfach (noch) nicht anders. 
Zwischendurch überlegte ich, über andere Dinge zu schreiben, aber das war mir nicht möglich, zu sehr bin ich innerlich von dem einen Thema besetzt. Lediglich das Dilemma Dinge, die mir auf der Seele brennen vs. selbstverordnete Sprachlosigkeit konnte ich ansatzweise formulieren. 
So der derzeitige Stand. Immerhin reichte es für einen Wochenrückblick. Eine im letzten Jahr erwachte und nach wenigen Monaten schon wieder eingeschlafene neue Tradition in meinem Blog. Vielleicht lässt sie sich wachküssen.


gedacht:

1. Freiheit ist eine Menschenpflicht.

2. #Hashtags machen Wörter kaputt.
(Ich wünsche uns allen, dass ausnahmslos jeder Aufschrei frei von Vereinnahmung durch ideologisch begründete #Hashtag Aktionen und Bündnisse gehört wird. Und ich wünsche den Wörtern, dass sie ideologisch unbesetzt bleiben. Ja. nennt mich ruhig naiv.)

3. Das Sprachlos ist wahrlich kein leichtes.


gefreut:

über einzelne Stimmen der Vernunft zwischen den sich gegenseitig übertönenden Gruppen von dumpfem gewaltbereitem Pack, pöbelnden Rassist*innen und ideologiegeschwängerten Besserwisser*innen und Welterklärer*innen 


getrauert:

um David Bowie und Alan Rickman, zwei Wunderbare

Where are you now?

Im Netz gibt's so viele Nachrufe, Videos, Zitate, Links ..., dem muss ich nichts mehr hinzufügen


gehört:

klar, David Bowie
klar, Bob Dylan, The Cutting Edge 1965-1966, mein Weihnachtsgeschenk (und gedacht, bitte stirb du jetzt nicht auch noch)

und, in Dauerschleife, nachdem The Killing endgültig zu Ende war: den Schlusssong der letzten Folge der letzten Staffel (das Video mit Filmsequenzen zeige ich hier natürlich nicht, aus Spoilergründen :-))





The Jezabels: Peace of Mind

11 Kommentare:

  1. Das Gedachte gefällt mir sehr, ich möchte mich vorbehaltlos anschließen, dann wären wir schon zu zweit naiv.

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  2. Schon zu dritt! Das gefällt mir. :-)

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  3. Ich freu mich sehr über jede einzelne von euch. :-)

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  4. Normal/e naive Menschen lesen doch keine Krimis!?

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    1. Achso, das wusste ich noch gar nicht. :-)
      Ich liebe Krimis. Nicht nur wegen der oben geschilderten Entspannung beim Lesen, sondern auch wegen der Beleuchtung menschlicher Abgründe. Sie sollten aber schon gut geschrieben sein mit einigermaßen glaubwürdiger Handlung.

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  5. Ich bin auch dabei..:-)

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