Der Tisch wächst, genau wie das ganze Haus, und macht Platz für ... Nein, nicht für etwas. Im Moment macht er einfach nur Platz. Ich räume die gesamte Fläche frei und betrachte die Spuren im Holz, die von rund 20 Jahren gemeinsamem Essen, Feiern, Arbeiten, Planen und Spielen zeugen. Auch von Streiten und Weinen und Einsamkeit, aber diese Spuren sind weniger sichtbar. Es gibt keine Kuhlen von Faustschlägen oder Ränder von Tränen. Trotzdem haben sich ihm auch solche Ereignisse eingeprägt.
Zu den sichtbaren Spuren: Dort stand der schneebestäubte Gugelhupf mit der einzelnen roten Kerze, die beim Auspusteversuch mit Ganzkörpereinsatz nicht verlöschte, aber herunterfiel und einen winzigen Brandfleck hinterließ. Hier steckte die - im Anschluss verbogene - Gabel als stolzaufrechtes Zeichen der Gemüseverweigerung. In manchen Ecken finden sich blasse Farbkleckse oder Kugelschreiberspuren, der immer zu kleinen Din-Größe der Papierbögen geschuldet. Über jener Stelle trafen sich einst zwei randvolle Rotweingläser zur klirrenden Versöhnung; es wäre an der Zeit, eine weitere derartige Stelle hinzuzufügen.
Dieser Tisch, an dem ich täglich sitze und esse und schreibe und Gespräche verschiedensten Inhalts führe, über den hinweg ich meine Gedanken aus dem Fenster und wieder zurück schweifen lasse und auf dem neuerdings wiederholt die Karte einer 750 Kilometer entfernten Stadt ausgebreitet liegt, dieser Tisch ist ein Buch. Ich werde mich nicht von ihm trennen können, auch nicht nach weiteren 20 Jahren. Wir teilen ein Stück Geschichte, er teilt sie mir täglich mit.
Hach!
AntwortenLöschenEinfach nur: Hach!
Ah, ich kenne solche Tische... Schön ist das, wenn auch auf eine manchmal traurige Art, aber schön.
AntwortenLöschenIch liebe diesen Tisch. Im Alltag fallen mir die Spuren kaum noch auf, manchmal aber doch, und dann kommt es auf meine Grundstimmung an, ob sie mich wehmütig stimmen oder zum Schmunzeln bringen. Jedenfalls werde ich diesen Erinnerungsträger nicht hergeben können. Und auch keinesfalls abschleifen.
Löschen