Freitag, 5. April 2013

Hinaus ins Watt (mir selbst zur Aufmunterung zu sagen)

Rückzug allerorten. 
Nein, stimmt gar nicht. Weder wirklicher Rückzug, eher (Rück)Besinnung. Und auch nicht allerorten, sondern hier und da. Nur mein erstes Empfinden war so absolut. Als würde etwas wegbrechen, das bisher zuverlässig da war und an das ich mich jederzeit anlehnen konnte. 
Andreas Wolf drüben bei Sichten und Ordnen empfand es wohl ähnlich, so entnehme ich es seinem heutigen Blogeintrag.
Was passiert denn da? Menschen reflektieren ihr Tun und Lassen im Internet, speziell ihre Präsenz in Blogs. Sie stellen fest - nach einem langen grauen Winter -, dass es noch anderes gibt als das Vertiefen in Texte, zu schreibende wie zu lesende. Hebt man nämlich den Blick vom Bildschirm, von der Tastatur, vom Buch, vom weißen Blatt Papier, fällt er vielleicht durchs Fenster hinaus auf Boten aus einer anderen Welt, mit der wir fast gar nicht mehr zu rechnen wagten. Grün! Gold! Sie, wir spüren eine Art Unbefriedigung in unserem Tun, das uns bis vor kurzem noch so unendlich wichtig war, in dem wir sogar rettende Funktionen entdeckt hatten, teils sogar lebensrettende, so das Empfinden, das nicht lügt, nur manchmal Scheuklappen trägt und sich als exklusiv betrachtet. Wir glaubten, angekommen zu sein auf einer beweglichen Plattform und hatten uns gerade eingerichtet, da passierte etwas, das nicht nur aus uns kam, sondern auch von außen auf uns zu. Dass es das gab, hatten wir fast vergessen in unserer geschlossenen Welt, deren Begrenzung wir aufgrund ihrer enormen Ausdehnung gar nicht wahrgenommen hatten. Da flatterten Nachrichten herein aus Fernen, Lüfte und Bücher und Vögel, Wildheiten, Fremdes. Und Bekanntes. Tief von den Wurzeln her. Bekanntes, Vertrautes, das uns gerne mal wieder in die Arme schließen wollte. Und wir ließen es zu, ließen uns herumtragen, ließen uns zeigen, was es sonst noch gab an Möglichkeiten, ließen uns mitnehmen, überließen uns dem Fluss ...
Wir würden wiederkommen, mit der Flut.
(Diese Gedanken sind sehr meine. Dass ich "wir" schreibe, bedeutet nicht, dass ich anderen die gleichen Motive unterstelle wie mir. Und auch nicht, dass ich meine damit ganz erfasse.)

An einigen Stellen gibt es gerade ein Nachdenken übers Blogschreiben (wie es das ja immer mal wieder gibt, überall), ein Nachdenken über das Warum, Was, Wie, Wozu, z.B. bei Melusine (da hat es mich am stärksten berührt, im ersten Moment sogar schmerzlich getroffen), vorher auch bei Norbert W. Schlinkert, z.B. hier (da auch in einem Kommentar von Phyllis Kiehl), und bei Andreas Wolf. Es gibt noch weitere Stellen. Mir kommt es vor wie eine Welle. Oder wie eine den Gezeitenkräften unterworfene Bewegung. Worin dann auch eine begründete Hoffnung läge: Das Meer kommt wieder, absolut zuverlässig, und schwemmt Neues ans Land. Derweil können wir Schätze sammeln im Watt.

Ich zitiere an dieser Stelle mal ein älteres Gedicht von mir, weil es grade gut passt. Für mein Empfinden jedenfalls.


Hinaus ins Watt

Verlass nicht diese 
Stelle die sich 
erschöpft hat gerade 
als du tief
eintauchen wolltest Ebbe
hinaus ins Watt 
Schätze zu sammeln
Muscheln und Herzsteine
zum Fädeln auf 
die goldene Schnur 
deiner Erinnerung bevor 
die Flut wiederkehrt
und dir das 
Meer zurückgibt genau 
an dieser Stelle

(27. März 2010)  


to be continued ...

2 Kommentare:

  1. Was "das Warum, Was, Wie, Wozu" des Blogbetreibens und Inihmschreibens angeht, so denke ich ständig darüber nach und habe das auch in unregelmäßigen Abständen direkt oder zwischen den Zeilen immer wieder kundgetan. Ich denke, sich klar zu sein oder zu werden, was man da tut, ist absolut notwendig, natürlich ohne sich dadurch selbst am Tun zu hindern. (Das generelle Nachdenken über mein Tun wurde mir schon oft vorgeworfen, wie unentspannt und unlocker ich doch sei, aber man sollte eben an das Feuer denken, bevor es brennt!) Ich werde jedenfalls weiter in mein Blog schreiben und auch weiter an meinem Roman und an anderen Texten arbeiten, das ist für mich in gewisser Hinsicht überlebensnotwendig, selbst wenn es draußen wieder schön werden sollte, was ich dann natürlich auch zu genießen versuche, hoffentlich – seufz – mal wieder mit Erfolg.

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    1. "sich klar zu sein oder zu werden, was man da tut" - für mich ist das eine fortlaufende Entwicklung. Vom Beginn meines Bloggens bis heute verändern sich bei mir Motivation und Intention, d.h. eigentlich bin ich mir nicht sicher, ob ändern der richtige Ausdruck ist, ob es nicht viel mehr ein langsames Klarwerden darüber ist, was mich antreibt und wohin ich will. Ich lerne mehr und anderes, als ich mir vorher vorgestellt und gewünscht habe. Das hat u.a. mit der Befruchtung meiner Gedanken durch das Lesen anderer Blogs zu tun. Da besteht eine Wechselwirkung, und ich muss sagen: Ich liebe das. Was da geschieht. Woran ich teilhaben kann. Mir ist das wichtig, es ist Teil meines Alltags geworden, ich möchte es nicht mehr missen und finde es dann traurig, wenn Blogger sich verabschieden oder sich rar machen. Aber auch das ist ja Teil einer lebendigen Entwicklung.
      Wenn Sie mich fragen: Denken Sie ruhig weiter öffentlich nach (neben der anderen Textarbeit, dafür viel Glück!), und machen Sie überhaupt das, was Sie wollen. Schließlich ist dies das beste, was man zum wunderbaren Facettenreichtum des Internets beitragen kann.

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