Samstag, 20. Dezember 2014

aus dem Kopf

"Dir kommt immer der Kopf dazwischen, nicht wahr?", sagt sie, "das klingt alles so – gedacht. So gewogen. So aus dem Kopf eben."

Und ich denke – ja, denke! – , wenn du wüsstest! 
Denn du weißt nicht, was es mir bedeutet: zu denken. Meinen Kopf zu benutzen. Ihn rauchen zu lassen. Ihn spielen zu lassen. Herumtollen zu lassen wie ein Kind auf einem Abenteuerspielplatz. Ihn abwägen und reflektieren zu lassen. Ihn sich selbst korrigieren zu lassen. Ihn lernen zu lassen. Ihn zu füttern, den unersättlichen, hungrigen, kurz vor dem totalen Verhungern gerade noch geretteten Kopf. Weißt nicht, was es mir bedeutet, denken zu können, frei von Manipulation. Ja, frei! Spar dir deinen reflexhaften Einwand, es gebe keine wirkliche Freiheit von Manipulation. Spar dir das. So etwas können nur die behaupten, die nicht hinter den Mauern waren mit den verschlossenen Toren, bewacht von den Hütern, die dich in einer Absolutheit hüten, die nichts auslässt an dir, nicht die kleinste, tiefstgelegene Faser. Alles, selbst das Intimste sehen sie, nehmen sie in die Mühle ihrer Hände und Worte, zermahlen sie zu feinstem Pulver, rühren sie an zu einer formbaren Masse und formen diese dann, ganz nach ihrem Belieben. Willkür. Warst du der schon mal ausgesetzt? Wirklich ausgesetzt? In der Art, dass du anschließend nicht mehr die warst, die du wesentlich bist, sondern eine Art Knetfigur in grausamen Händen? Nein. Das. Warst. Und. Weißt. Du. Nicht. Also schwätz nicht. Denke ich.

"Weißt du", sage ich, "mein Kopf will auch geliebt werden. So wie mein Herz verstanden werden will." "Und dir rate ich", fahre ich fort, "ebenfalls deinen Kopf zu benutzen. Denken, selbst denken!, zu können ist ein Geschenk. Lernen zu können ist ein Geschenk. Und es fällt mir wirklich schwer, jemanden zu achten, der freiwillig und ohne äußeren Zwang auf dieses Geschenk verzichtet."

"Willst du mich beleidigen?", fragt sie empört.

"Denk, was du willst.", sage ich. "Tu's."

2 Kommentare:

  1. Solche Texte sind deine starke Seite, wunderbar! Ich wüsste auch, wo er hingehört, welche Geschichte er bereichern würde.

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    1. Ich ahne, welche Geschichte du meinst. :-) Die ist zwar fertig, aber natürlich nicht zu Ende, schreibt sich in neuen Geschichten fort. Kann man es überhaupt anders machen?

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