Donnerstag, 7. Juni 2012

Hinter den Häuten

Er fand ihre Haut zu dünn. "Wie ein Mohnblütenblatt." Sie verzieh ihm, denn er konnte nicht wissen, dass diese Haut bereits ein Fortschritt war gegenüber der offenen Wunde darunter.
Im Gegenzug fand sie seine zu Haut zu dick. "Wie die eines Gürteltiers." Er verzieh ihr, denn sie konnte nicht wissen, mit welchen Waffen er seit jeher gepiesackt worden war.
Hatten sie nun Glück? Da war doch beiderseitiges Verzeihen.
Hin und wieder probierten sie es mit Erklärungen. Und reagierten mit Abwinken. Und lächelten schief.
Versuchten sich an Definitionen von dünn, dick, Liebe und Glück.
Scheiterten an der Unterart des Verzeihens, die zu Genickstarre beim Empfangenden führt.
Wo lag denn nun der Fehler? Übten sie nicht Nachsicht und Gnade vor Recht und Großzügigkeit, sie alle beide.

Sie besaßen getrennte Spiegel, manchmal warfen sie verstohlene Blicke in den des jeweils anderen. Da blitzten beängstigende Möglichkeiten auf. Ganz und gar fremde, an denen verschluckten sich ihre Augen. Danach schliefen sie unruhig, gepeinigt von der Furcht, am Morgen in vertauschten Häuten zu erwachen.

Fragte sie jemand "Liebt Ihr Euch?", antworteten sie "Natürlich, Du Dich nicht?", zwinkerten sich zu und lachten verschmitzt, ließen ein verdutztes Gegenüber zurück und bewahrten Fassung bis hinter ihre hastig verschlossene Tür. Erst vor ihren getrennten Spiegeln weinten sie.

Sie ahnten, dass es nicht ums Verzeihen ging und auch nicht ums Definieren. Aber sie sahen nicht.
Und sie schauten nicht hin.
Und irgendwie versperrten ihre Häute den Weg.

12 Kommentare:

  1. Eine enigmatische Episode. Liebe zwischen Spiegelbildern? Klingt merkwürdig.

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  2. eine wunderschöne geschichte über das verstehen, dem das begreifen fehlt, weil die haut es nicht zulässt.

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    1. Schöne Lesart, die spiegelt, womit auch Du Dich in diversen Texten beschäftigst. :-)

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  3. treffer, schiff versenkt.

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  4. Im Schiff war alles auf Privat... dürfte sich jetzt geändert haben.

    Schiffe selbst versenken oder sich daran freuen: Eine schönes Spiel für Menschen mit zu viel Zeit und zu vielen negativen Energien.

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    1. Ich verstehe nur Bahnhof (oder sollte ich besser sagen Hafen?)
      Im Ernst: Ich habe eine Schwäche für austernähnliche, schwer erschließbare Texte, für Kommentare gilt das nur bedingt.

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    2. Erster Satz bezog sich auf Schiffe.
      Zweiter Satz Allgemein. Sollten aber bitte beide gelöscht werden!!!

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  5. Erster Satz in Sachen Schiff, zweiter Allgemein. Aber danach alles Löschen!!!

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  6. Erster Satz fürs Schiff, zweiter Allgemein, aber danach bitte löschen!!!!

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    1. Geht auch Lächeln statt Löschen? Letzteres wäre mir zu einfach. Hier, bitte: :-)

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