weiter immer weiter bis zur letzten Hürde dahinter der alleraufrichtigste Text dessen Erkennungsmerkmal wird sein dass er ungeschrieben bleibt aber nicht ungelebt
Was ist denn dieses "Richtigleben"? Ich weiß (ahne) im Grunde, was Du meinst, stelle mir auch häufig selbst diese Frage und lebe aber genauso gerne innerhalb wie außerhalb meines Kopfes, das eine geht für mich nicht ohne das andere. Aber die Gefahr, sich online zu verzetteln oder zu verlieren, die sehe ich auch. Deshalb mache ich immer wieder mal Pausen vom Internet. Und vom Nachdenken (was mir viel schwerer fällt als ersteres.)
Ungeschrieben, aber nicht ungelebt kommt aus dem Herzen. Mit diesem alleraufrichtigsten weißen Blatt kannst du getrost ins Universum reisen. Nur zu Lebzeiten drängt es uns, das Leben in der Schrift zu spiegeln, damit etwas von übrig bleibt. Ein schönes Gedicht.
Deshalb "weiter immer weiter". Nicht, um möglichst schnell die letzte Hürde zu erreichen, sondern um den Weg bis dorthin mit Leben zu füllen. Und Versuchen von Aufrichtigkeit.
Das Gedicht berührt mich ganz seltsam und ich habe Mühe, es in einen Text zu kriegen, warum. Es muss etwas damit zu tun haben, dass mein Leben grade etwas erlebt, was nicht Text werden will, jedenfalls kein alleraufrichtigster Text, weswegen ich dachte, ich müsste es in einem Gedicht vermänteln, was mir aber nicht gelingen will, weil ich nie aufrecht mich bemüht habe, das Gedichteschreiben mal ernsthaft zu lernen. Vielleicht bin ich deshalb froh um dein Gedicht, weil es von Texten erzählt, deren Aufrichtigkeit darin besteht, dass man es einfach unterlässt, sie aufzuschreiben. Und noch vielleichter ist dieser Kommentar vielleicht genau das Gedicht, nach dem ich wortewringend suchte? (Nein, eher nicht. Aber ein Anfang. Ein erstes Üben.)
Lieber Andreas, Dein Kommentar berührt jetzt wiederum mich sehr. Dass Dein "Leben grade etwas erlebt, was nicht Text werden will" - ich glaube, es ist ein Unterschied, ob etwas nicht Text werden will, weil es sich zwar in Worte fassen ließe, aber (zu Recht) die Öffentlichkeit scheut oder einfach das Schweigen vorzieht, oder ob es nicht Text werden will, weil es so schwer zu greifen und in angemessene Worte zu kleiden ist. Vielleicht geht es dann um das innere Geschehen hinter oder unter dem äußeren Geschehen. Und will dieses eigentlich durchaus Text werden, aber es ist dann ein Ringen um Worte, oder ein sich Öffnen für Worte oder einfach auch Kapitulation und unbeholfenes Stammeln, was dann wiederum bestechend wäre in seiner Aufrichtigkeit ...
Ich finde auch, dass ein "gutes" Gedicht nicht "bemäntelt", sondern im Gegenteil den Mantel, wenn nicht ganz ablegt, so doch wenigstens aufzuknöpfen versucht. Es verklausuliert nicht, was sich klar und deutlich sagen ließe, sondern versucht aufzudecken, was sich eben nicht so deutlich zeigt. Aber es gibt so viele Arten von Gedichten ...
Und Aufrichtigkeit, ja, die finde ich wichtig. Wo sie fehlt, fehlt meines Erachtens auch die Bedeutung. Und die Schönheit. Dein Kommentar ist in meinen Augen, eben wegen seiner Aufrichtigkeit, ein schöner Text. Ein sehr gelungenes Üben. ;-)
Und jetzt fällt mir noch ein, dass Norbert Schlinkert mal ein Prosagedicht verfasst hat, das ganz gut hierrein passt: http://nwschlinkert.de/2013/03/14/prosagedicht-i-weg-und-weite/
Danke, liebe Iris, das war für mich jetzt die genau richtige und überraschend präzise Problemanalyse. Was mir im Moment den Kopf beschwert, das scheut in der Tat die Öffentlichkeit. Darum dachte ich, ich könnte es in einem Gedicht verschlüsseln, wie mit einem für niemanden zu knackenden Code. Aber genau darum, wie mir jetzt dank deiner Worte klar wurde, konnte das Gedicht nichts werden, weil die Aufrichtigkeit, wie du es nennst, ihm fehlte. Gute Texte müssen vielleicht immer aus dem Impuls heraus geschrieben werden, irgendetwas klarer zu machen, deutlicher darzustellen, und nicht im Gegenteil zu verschlüsseln, verbergen, verdunkeln. Wenn der momentane Impuls eigentlich sagt: "Ich seh selber grad nicht besonders klar und will diesen Nebel eigentlich gar nicht in die Welt hinaustexten", dann schweigt man vielleicht lieber mal eine Runde und in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren wird vielleicht doch noch mal eine Geschichte draus.
Ich hoffe doch sehr, dass wir, bis "vielleicht doch noch mal eine Geschichte draus" wird, noch viele andere Texte von Dir lesen dürfen. ;-)
Etwas möchte ich noch anhängen, kein Aber, nur den Versuch einer Differenzierung: Nicht jeder schwer zu entschlüsselnde Text ist ja einer, der zu verschlüsseln sucht, sondern kann im Gegenteil der Versuch der Entschlüsselung eines schwer greifbaren Gegenstands sein. Was aber immer nur Annäherung bedeuten kann und Scheitern nicht ausschließt. Aber selbst im Scheitern kann Schönheit liegen ...
Und manchmal hat vielleicht sogar Verschlüsselung ihre Berechtigung? Ich weiß es nicht. Ich hänge diese Frage jetzt auch nicht an, um meine obige Aussage zu relativieren oder um Verwirrung zu stiften, sondern weil ich Festschreibungen scheue und mir eigentlich nichts mehr wünsche als größtmögliche Freiheit. Die vielleicht dadurch zu erlangen ist, dass man sich selbst neu trauen lernt, so wie man das als Kind mal konnte, mit einer Art unerschütterlichem Instinkt. Nicht anhand irgendwelcher Vorgaben zu prüfen, sondern spüren zu können, wann ein Text wie hinaus will und es dann auch darf. Eben dem momentanen inneren Impuls trauen und folgen, wie Du es oben schreibst. ...
Sorry, das führt jetzt alles so weit. Du siehst, es treibt mich ebenfalls um. Ich erwarte auch gar nicht, dass Du darauf nochmal antwortest. :-)
Man kommt leicht ab vom "Richtigleben", wenn man zu gedankenvoll ist- oder auch "online"...
AntwortenLöschenWas ist denn dieses "Richtigleben"?
LöschenIch weiß (ahne) im Grunde, was Du meinst, stelle mir auch häufig selbst diese Frage und lebe aber genauso gerne innerhalb wie außerhalb meines Kopfes, das eine geht für mich nicht ohne das andere. Aber die Gefahr, sich online zu verzetteln oder zu verlieren, die sehe ich auch. Deshalb mache ich immer wieder mal Pausen vom Internet. Und vom Nachdenken (was mir viel schwerer fällt als ersteres.)
Ungeschrieben, aber nicht ungelebt kommt aus dem Herzen. Mit diesem alleraufrichtigsten weißen Blatt kannst du getrost ins Universum reisen. Nur zu Lebzeiten drängt es uns, das Leben in der Schrift zu spiegeln, damit etwas von übrig bleibt. Ein schönes Gedicht.
AntwortenLöschen"Getrost" ist ein schönes Wort. Und passt gerade sehr gut für mich.
LöschenDanke, Eva!
die letzte hürde? so weit sind wir noch nicht. wir leben irgendwie zwischen und mit den vielen hürden.
AntwortenLöschenDeshalb "weiter immer weiter". Nicht, um möglichst schnell die letzte Hürde zu erreichen, sondern um den Weg bis dorthin mit Leben zu füllen. Und Versuchen von Aufrichtigkeit.
LöschenDas Gedicht berührt mich ganz seltsam und ich habe Mühe, es in einen Text zu kriegen, warum. Es muss etwas damit zu tun haben, dass mein Leben grade etwas erlebt, was nicht Text werden will, jedenfalls kein alleraufrichtigster Text, weswegen ich dachte, ich müsste es in einem Gedicht vermänteln, was mir aber nicht gelingen will, weil ich nie aufrecht mich bemüht habe, das Gedichteschreiben mal ernsthaft zu lernen. Vielleicht bin ich deshalb froh um dein Gedicht, weil es von Texten erzählt, deren Aufrichtigkeit darin besteht, dass man es einfach unterlässt, sie aufzuschreiben. Und noch vielleichter ist dieser Kommentar vielleicht genau das Gedicht, nach dem ich wortewringend suchte? (Nein, eher nicht. Aber ein Anfang. Ein erstes Üben.)
AntwortenLöschenLieber Andreas, Dein Kommentar berührt jetzt wiederum mich sehr.
LöschenDass Dein "Leben grade etwas erlebt, was nicht Text werden will" - ich glaube, es ist ein Unterschied, ob etwas nicht Text werden will, weil es sich zwar in Worte fassen ließe, aber (zu Recht) die Öffentlichkeit scheut oder einfach das Schweigen vorzieht, oder ob es nicht Text werden will, weil es so schwer zu greifen und in angemessene Worte zu kleiden ist. Vielleicht geht es dann um das innere Geschehen hinter oder unter dem äußeren Geschehen. Und will dieses eigentlich durchaus Text werden, aber es ist dann ein Ringen um Worte, oder ein sich Öffnen für Worte oder einfach auch Kapitulation und unbeholfenes Stammeln, was dann wiederum bestechend wäre in seiner Aufrichtigkeit ...
Ich finde auch, dass ein "gutes" Gedicht nicht "bemäntelt", sondern im Gegenteil den Mantel, wenn nicht ganz ablegt, so doch wenigstens aufzuknöpfen versucht. Es verklausuliert nicht, was sich klar und deutlich sagen ließe, sondern versucht aufzudecken, was sich eben nicht so deutlich zeigt.
Aber es gibt so viele Arten von Gedichten ...
Und Aufrichtigkeit, ja, die finde ich wichtig. Wo sie fehlt, fehlt meines Erachtens auch die Bedeutung. Und die Schönheit. Dein Kommentar ist in meinen Augen, eben wegen seiner Aufrichtigkeit, ein schöner Text. Ein sehr gelungenes Üben. ;-)
LG, Iris
Und jetzt fällt mir noch ein, dass Norbert Schlinkert mal ein Prosagedicht verfasst hat, das ganz gut hierrein passt: http://nwschlinkert.de/2013/03/14/prosagedicht-i-weg-und-weite/
LöschenDanke, liebe Iris, das war für mich jetzt die genau richtige und überraschend präzise Problemanalyse. Was mir im Moment den Kopf beschwert, das scheut in der Tat die Öffentlichkeit. Darum dachte ich, ich könnte es in einem Gedicht verschlüsseln, wie mit einem für niemanden zu knackenden Code. Aber genau darum, wie mir jetzt dank deiner Worte klar wurde, konnte das Gedicht nichts werden, weil die Aufrichtigkeit, wie du es nennst, ihm fehlte. Gute Texte müssen vielleicht immer aus dem Impuls heraus geschrieben werden, irgendetwas klarer zu machen, deutlicher darzustellen, und nicht im Gegenteil zu verschlüsseln, verbergen, verdunkeln. Wenn der momentane Impuls eigentlich sagt: "Ich seh selber grad nicht besonders klar und will diesen Nebel eigentlich gar nicht in die Welt hinaustexten", dann schweigt man vielleicht lieber mal eine Runde und in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren wird vielleicht doch noch mal eine Geschichte draus.
AntwortenLöschenIch hoffe doch sehr, dass wir, bis "vielleicht doch noch mal eine Geschichte draus" wird, noch viele andere Texte von Dir lesen dürfen. ;-)
LöschenEtwas möchte ich noch anhängen, kein Aber, nur den Versuch einer Differenzierung:
Nicht jeder schwer zu entschlüsselnde Text ist ja einer, der zu verschlüsseln sucht, sondern kann im Gegenteil der Versuch der Entschlüsselung eines schwer greifbaren Gegenstands sein. Was aber immer nur Annäherung bedeuten kann und Scheitern nicht ausschließt. Aber selbst im Scheitern kann Schönheit liegen ...
Und manchmal hat vielleicht sogar Verschlüsselung ihre Berechtigung? Ich weiß es nicht. Ich hänge diese Frage jetzt auch nicht an, um meine obige Aussage zu relativieren oder um Verwirrung zu stiften, sondern weil ich Festschreibungen scheue und mir eigentlich nichts mehr wünsche als größtmögliche Freiheit. Die vielleicht dadurch zu erlangen ist, dass man sich selbst neu trauen lernt, so wie man das als Kind mal konnte, mit einer Art unerschütterlichem Instinkt. Nicht anhand irgendwelcher Vorgaben zu prüfen, sondern spüren zu können, wann ein Text wie hinaus will und es dann auch darf. Eben dem momentanen inneren Impuls trauen und folgen, wie Du es oben schreibst.
...
Sorry, das führt jetzt alles so weit. Du siehst, es treibt mich ebenfalls um. Ich erwarte auch gar nicht, dass Du darauf nochmal antwortest. :-)
Einen schönen Sontag wünsche ich!