An der Rückwand ihres Hauses steht ein Gartenregal aus pulverbeschichtetem Eisen, die Stangen teils gedreht, teils geschwungen, die Böden mit türkisfarbenen Mosaiksteinen besetzt. In diesem Regal bewahrt sie jedoch kein Gärtnereizubehör wie Töpfe, Blumenerde, Hacken und Schäufelchen auf, sondern schmale gerollte Ballen aus – feinstem Chiffonstoff? So sieht es für mich aus.
Als ich sie danach frage, zwinkert sie mir verschwörerisch zu – so empfinde ich es – und nimmt mich bei der Hand. „Pst“, sagt sie, „erzähl es nicht weiter. Ich bewahre hier meine Schattenfunde auf.“
„Du tust was?“, entfährt es mir.
„Ich weiß“, sie tätschelt meinen Arm, „die gehören eigentlich in den Keller. Aber ich bin der Meinung, sie brauchen Luft und Licht.“
Sie ist verrückt geworden. Trotzdem hake ich nach: „Du sammelst also Schatten?“
„Ich schenke ihnen eine Bleibe.“
„Wo findest du sie? Ich meine, wie kommt man an einen Schatten, der nicht der eigene ist?“ Wieso lasse ich mich eigentlich darauf ein?
„Du darfst sie gerne anfassen“, beantwortet sie meine nächste Frage, bevor ich sie gestellt habe.
Ich trete näher an das Regal heran, meine nun auch, einen leichten Geruch wahrzunehmen, der von den Ballen ausgehen muss. Ein leise wehender, mit nichts, was ich kenne, vergleichbarer Duft.
„Trau dich, sie sind unempfindlicher als man denkt.“
Ich strecke meine Hand aus und streiche über ein asphaltgraues – ein – ein undefinierbares Etwas. Auch hier fällt mir nichts Vergleichbares ein. „Es fühlt sich seltsam an. Wie nichts, das ich kenne. Wie –“
„Wie ein Schatten“, sagt sie. „So fühlt sich ein Schatten an. Nun weißt du es.“ Sie lächelt. Meinen eigenen Gesichtsausdruck kann ich mir lebhaft vorstellen.
„Haben sie Namen?“, frage ich.
„Ja natürlich, aber die kenne ich nicht. Ich bohre auch nicht nach. So viel Freiheit muss sein.“
So viel Freiheit muss sein. Ja. Dennoch liegen sie hier zusammengerollt und verschnürt.
„Das mache ich nur aus Platzgründen.“ Sie hat meinen Gedanken gehört. „Sie können jederzeit entkommen, wenn sie wollen. Einzelne haben das bereits getan. Die meisten bleiben, sie tauschen hin und wieder die Plätze, breiten sich auch mal auf dem Rasen aus, hängen sich an einen Ast, schaukeln im Wind."
Ich möchte, dass es wahr ist, denke ich.
„Aber das ist es doch“, sagt sie.
Das lese ich gern!
AntwortenLöschenDas freut mich. :-)
LöschenEine Trilogie der Schatten... haben sie also endlich eine Bleibe gefunden, schön!
AntwortenLöschenEine Trilogie, hm, dann wäre dies ja schon der letzte Text zum Thema ... Wobei es natürlich seinen Reiz hat, mit einer Bleibe zu enden ... :-)
Löschenes gibt in also doch, sehr gut.
AntwortenLöschenDen Schatten? Ja, der ist gerade sehr präsent.
LöschenFür mich ist der Text Ausdruck der Erfahrung, dass die (Gedanken)Welt eines jeden Menschen immer auch Geheimnis ist und bleibt. Poesie - herrlich!
AntwortenLöschenDas gefällt mir: ein Geheimnis. Dessen Existenz in der Poesie gewürdigt, aber nicht verraten wird. Danke!
Löschenauch schatten brauchen ihren platz. :)
AntwortenLöschenStimmt. :-)
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