Als Bluhm tief in der Nacht nach Hause kam, schlief seine Frau bereits. Er streifte die Kleider ab und kroch zu ihr unter die Decke, schmiegte sich sacht an ihren Rücken. Federleicht war sie in den vergangenen Monaten geworden. Die Schulterblätter stachen heraus. Er strich mit dem Finger darüber - diese zarte Haut, diese zerbrechlich wirkenden Knochen.
Die andere Frau ging ihm nicht aus dem Kopf, die Vogelfrau, wie er und die Kollegen sie inzwischen nannten.
Sie lag auf dem Obduktionstisch in der Rechtsmedizin. Eine erste Untersuchung hatte ergeben, dass die Flügel nicht, wie zunächst angenommen, mit der Haut der Toten vernäht oder verklebt, sondern offenbar mit ihrem Skelett verwachsen waren.
Sprachlos starrten sie auf die weißen Federn, die den Rücken der Frau bis hinunter zu den Kniekehlen bedeckten. Schließlich zog Dr. F... das Laken über sie und verkündete, dass er morgen einen Ornithologen konsultieren werde.
Bluhm ahnte, dass die Vogelfrau in seinen Träumen auftauchen würde, und genauso war es. Aber nicht nur sie, auch er und seine Frau waren mit Flügeln ausgestattet. Vera hob ab und tanzte im Wind, als sei sie eine einzige Feder, leicht wie Blütenstaub. Er hingegen war zu schwer und wagte wohl auch nicht, den festen Boden unter seinen Füßen zu verlassen. Das einzige, was er zustande brachte, war ein Winken mit dem rechten Flügel, wie zum Abschied. Und der klägliche Versuch, mit dem linken die Tränen aus den Augen zu wischen, nachdem beide Frauen seinem Blick entschwunden waren.
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