Samstag, 17. November 2012

Hinaus

Sie hat sich wieder hingelegt. Endlich zufrieden mit der Tiefe der Grube. Die Erde ist kühl, aber das Blut im Rücken ist warm. Bald wird das Wasser hereinströmen, dann kann sie ihre Kiemen testen. 
Derweil liegen die Flügel ordentlich gefaltet in der Truhe. Dort teilen sie sich den Platz mit Notizbüchern, Muscheln und Steinen. Wer möchte den Deckel hochklappen und stöbern? Mit den Fingern über die Federn streichen, die Bänder von den Kladden lösen und den Träumen folgen, die immer nur aufs Meer gerichtet waren. 
Irgendwann wuchsen die Flügel, ihrem unbezähmbaren Wunsch Folge leistend. Nun liegen sie abgetrennt, nutzlos. Wollt ihr die DNA zum Beweis? Die offenen Wunden an ihren Schultern - noch würden sie sich wieder um die Wurzeln schließen. 
So viele Jahre hatte sie geglaubt, es ginge ums Fliegen. Als die Flügel dann endlich durchgebrochen waren, verging ihr die Lust. Diese Höhe. Dieser Abstand. 
Nun würde sie tauchen und ahnte doch schon, dass es auch darum nicht ging. Es war ein weiterer Abstecher, den sie machte, um in die Nähe von Weite zu gelangen.
Hört, das Wasser kommt! 
Sie atmet ganz ruhig und denkt nicht an den übernächsten Schritt. Wir hingegen denken an nichts anderes und werden dennoch geduldig warten, werden dabei nicht untätig sein. Das Boot kann einen neuen Anstrich vertragen. Die Segel wollen ausgebessert sein. Proviant muss an Bord ...
Wir könnten ausrasten vor Freude auf die bevorstehende Fahrt. Denn diesmal wird es weder hinauf noch hinunter gehen, sondern hinaus, weit hinaus.

5 Kommentare:

  1. Das nenne ich die Dialektik der Seele und es gefällt mir gut.

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    1. Trial and error. Alles hat seine Notwendigkeit, glaube ich.

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  2. Sehr schön.er Text.

    Schade, dass du mich entlinkt hast, bin nur bei Twitter weg.
    Liebe Grüße

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    1. Gut, dass Du's mir sagst! Das war ein Versehen, wollte eigentlich ein inaktives Blog aus meiner Blogroll entfernen, das im Alphabet direkt über Deinem stand. Hab's grade korrigiert.
      Liebe Grüße zurück.

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  3. Danke, ich lese deine Texte nämlich regelmäßig und gerne. Twitter ist mir zu unruhig geworden und ich freue mich, wenn man so noch per Blog in Verbindung bleibt. Lieben Gruß

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