Mein tapferer Freund
Komm her
Lass mich dein Herz berühren und
Deine ängstliche Haut
Reich mir den übervollen Blick
Ich trinke ihn in einem Zug
Und träufle Tau in deinen wunden Geist
Komm her
Wir sind noch nicht am Ende
Du musst nichts sagen
Die Worte die an deiner Zunge haften
Pflücke ich
In einem einzigen geduldigen Kuss
Sei weich
Sei offen
Und wage mit mir einen Sprung
Aus höchster Höhe
Hand in Hand erlernen wir das Fliegen
Dem Wind vertraut besiegen wir die Angst
Und unsere Landung wird ein Fest
Komm her
Mein tapferer Freund
Wir sind noch nicht am Ende
Schön, dass auch du daran glaubst, dass Menschen fliegen können.
AntwortenLöschenViele Grüße,
Raimund
Wunderbar liebevoll und warm! Lillilu
AntwortenLöschen@Numungo: Zumindest in Metaphern ist alles möglich ... zum Glück!
AntwortenLöschen@Lillilu: Danke, so sollte es rüberkommen.
Liebe Iris,
AntwortenLöschenwunderbare Zeilen. Gruß Linda
Danke, liebe Linda!
AntwortenLöschenNicht nur in Metaphern. Du musst es nur tun.
AntwortenLöschenViele Grüße, Numungo
Liebe Iris!
AntwortenLöschenMir gefallen:
"die Worte, die ich von deiner Zunge pflücke"
Als Gärtner würde ich aber etwas liegendes nicht pflücken, sondern aufsammeln. Beim Pflücken ist ein, wenn auch geringer, Widerstand zu spüren. Übertragen auf die Zunge dürften die Worte dort nicht einfach liegen, sondern "haften, kleben, sprießen, wachsen, wuchern, keimen, hängen...".
Nun sollen die Worte mit einem Kuss gepflückt werden; da passt das Liegen. Dennoch würde ich die Worte lieber auf der Zunge "warten" lassen.
Zwei Adjektive für den Kuss? Gleichzeitig "einzig" und "geduldig" ?
Hmh!
Ich stelle mir vor, wie die eine Zunge die Worte von der anderen Zunge abwischt, ihren Geschmack kostet, sie "auf der Zunge zergehen lässt".
Das dauert eine Weile und erfordert Geduld. "Geduldig" hat aber auch etwas von "dulden". Was hältst Du von "sorgfältig, umfassend"?
Ein saugender Kuss könnte die Worte auch "schlürfen" oder "schlucken".
Mir gefällt nicht:
"Hilflose" Haut. Meinst Du "verletzlich, durchscheinend, verwundbar, geschunden, empfindlich"?
Mir gefällt nicht:
"Übervoller" Blick. Da erscheint mir das Bild einer überfüllten Straßenbahn, oder eines aufgehäuften Popcornbechers.
Was hat der Blick zu leisten? Er soll so eine Menge aussagen, dass er mit dem Adjektiv "voll" nicht ausreichend charakterisiert wäre; zudem "in einem Zug" zu trinken. Trinken. Etwa Tränen?
Ich glaube, folgendes zu verstehen:
"Was du mit deinem reichgefüllten Blick darbietest, trinke ich in einem Zug".
Mir gefallen nicht die Befehle:
Sei weich, sei offen! Sie wirken absurd, wie "sei blond, sei flüssig!"
Warum nicht: "entspanne dich, öffne dich!"?
Schwach: "Sprung aus großer Höhe".
Von wo denn? Aus den Wolken? Von einer Klippe? Und dann über den Baumwipfeln?
Gelandet, Ginko.
Lieber Ginko,
AntwortenLöschendanke für die Herausforderung!
- hilflose Haut: okay, geändert
- Der Blick eines Menschen, der zu viel gesehen/erlebt hat, kann übervoll sein; so ein Blick kann schreien und flehen. In einem Blick kann man ertrinken, und man kann ihn im übertragenen Sinne austrinken, womit ich ein genaues Hinschauen, Verinnerlichen und Verstehen meine. Wäre das mit dieser Erklärung in Ordnung? Ich weiß nicht, wie ich genau das treffender formulieren könnte.
- Die Gedanken zum Pflücken hatte ich genau so und habe überlegt, ob ich die Worte an den Lippen haften lassen soll, aber das hat nicht dieselbe Intensität. Also probier ich’s mal so.
- In einem einzigen geduldigen Kuss: einzigen, weil es ohne Unterbrechung geschehen soll; in der Geduld steckt für mich respektvolle Langsamkeit. Was ist verkehrt an Dulden? Ohne ein gewisses Maß an Duldung gäbe es wohl kaum dauerhafte Beziehungen. Für mich ist Geduld ein Teil von Liebe.
- Sei weich und sei offen verstehe ich nicht als Befehl, sondern als Ermutigung: Trau dich doch, weich zu sein … Geht das wirklich nicht?
- Aus großer Höhe: akzeptiert, ich probiere etwas anderes.
Noch in der Schwebe, Iris
Liebe Iris!
AntwortenLöschenZunächst hatte ich vermutet, Du hättest "Komm her" in "die Vogelfrau" eingebaut. Daraufhin habe ich Deine seminargespülte Fassung gelesen. Einen Teil meiner früheren Kommentare dazu hattest Du zurück gewiesen; dennoch halte ich sie auch nach weiterem Überdenken für angebracht. Aber sei's drum. "Die Vogelfrau" ist für Dich ein wertvoller Text.
Zur Baustelle inmitten der "Blütenblätter":
"Sei offen" ist grammatisch ein Befehl. Darum geht es aber gar nicht. "Öffne dich" ist grammatisch auch ein Befehl.
Der Unterschied besteht darin, dass der die das Angesprochene reagieren kann, indem der Versuch folgt, oder die Verweigerung, sich zu öffnen. Lautet die Formulierung aber "sei offen (geschlossen, groß, klein...)", wird gefordert, eine Eigenschaft anzunehmen. Dass Du so etwas nicht gemeint haben kannst, setze ich voraus. Ich weise lediglich auf die Sprachlogik hin.
Ähnliche Bedenken lassen mich Anstoß nehmen an "übervoll". Selbstverständlich transportierst Du mit dem so bezeichneten Blick ein ganzes Bündel an Werten und Empfindungen.
Hier streikt lediglich der Physiker. Voll ist voll und nicht steigerungsfähig. Der Rand eines Gefäßes ist erreicht. Wird weiter eingefüllt, wird das Gefäß mitnichten übervoll, sondern fließt über.
Nun ist ein Auge, zumal im Gedicht, kein Gefäß mit Eichstrichen, sondern, unter anderem, seelisches Ausdrucksmittel. Lass es also übervoll und trinkbar sein.
So, wie das Gedicht jetzt funkelt, kann ich mit Deinen Gestalten empfinden,
und fühle mich gut dabei.
Wortküsschen, Ginko.
Danke, Ginko!
AntwortenLöschenDie Baustelle bleibt noch ein bisschen, denn ich bin selbst noch nicht hundertprozentig überzeugt. Zumal mir deine Erläuterungen völlig einleuchten. Aber bisher scheitere ich an der Umsetzung. Der Blick muss einfach so bleiben. Alternative für den Physiker wäre der "überfließende Blick", aber wie platt und klischeehaft! Und auch nicht wirklich treffend. Über "sei weich und offen" denke ich noch nach (werde weich?). Und auch das Wort "haften" klingt nicht wirklich schön in meinen Ohren ...
Kurz zur Vogelfrau: Ich habe mindestens die Hälfte deiner Verbesserungsvorschläge übernommen! Aber sie lässt mich sowieso nicht los. :)
LG Iris
Darf ich mitmischen bei der Textanalyse?
AntwortenLöschenGanz hervorragend ist der Refrain „Komm her, mein tapferer Freund, wir sind noch nicht am Ende“! Zumal er auch die Einleitung ist. Eine warme Hülle für die Verse.
Zu „Worte, die gepflückt werden, die warten, die liegen“:
Das „Pflücken“ empfinde ich als viel poetischer, als die anderen Varianten. Pflücken hat auch etwas mit ernten zu tun, es hat eine „belohnende“ Konnotation und es ist aktiv. Es war deine erste Wahl, und ich empfinde es als die beste! Warten und liegen und demzufolge auch bergen, überträgt völlig andere Bilder und Gedanken. Vor allem „bergen“ lässt mich an Schiffbruch denken.
Zur „Haut“: hier finde ich weder ängstlich noch hilflos geeignet. Einige Varianten hat Ginko schon aufgeführt. Wie wäre es mit „warm“? Das klingt so schlicht und gibt dem Geliebten etwas positives, es kommt sonst alles Gute nur von ihr.
Mir gefällt der „Sprung aus großer Höhe“. Aus irgendeinem Grund empfinde ich dies als höher und wagemutiger als „von himmelhoher Klippe“. Bei letzterem erzeugt die Übertreibung eine Verringerung.
Aus einsamer Klause, Lillilu
Liebe Lillilu, natürlich darfst du! Ich bin für jede ehrliche Rückmeldung dankbar, vor allem zu solchen Herzensstücken wie diesem hier.
AntwortenLöschenIm Moment fühle ich mich allerdings nur verwirrt und sammle erst mal. Außerdem packt mich gerade wieder immenser Selbstzweifel, da ist ein bisschen Rückzug nach innen angesagt.
Die Baustelle bleibt, solange sie nötig ist.
Liebe Grüße in die Klause, Iris
Baustelle beendet.
AntwortenLöschenSo, wie das Gedicht jetzt da steht, fühlt es sich für mich genau richtig an. Es leuchtet, jedenfalls in meinen Augen.
Für Ginko und Lillilu, falls ihr nochmal hier reinschaut, ein paar Erläuterungen:
- ängstliche Haut: beinhaltet die Ohnmacht nach erlittenen und die Angst vor erneuten Verletzungen. Haut nicht nur als Organ, sondern auch als Bild für die Persönlichkeit.
- sei weich, sei offen: Es gibt keinen adäquaten Ersatz. Mit der Befehlsform werden ja nicht nur Befehle ausgedrückt, sondern auch Aufforderungen, Einladungen, Ermutigungen ... Wie bei der Frageform sind auch bei der Befehlsform nicht nur die Formulierung, sondern auch Tonfall und Kontext entscheidend fürs Verständnis.
- aus höchster Höhe: Dies ist das Resultat daraus, dass mir euer beider Argumente eingeleuchtet haben.
Eure Kommentare waren für mich eine echte Herausforderung. Danke dafür.
Iris
Ich schließe mich der Autorin an und genieße das Ergebnis.
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