An Regentagen kommen die wilden Kinder in die Stadt. Dort suchen sie die großen Pfützen auf und werfen ihre Angeln aus. Stundenlang sitzen sie geduldig und warten.
Seit der Fluss vergiftet ist, kommen sie aus dem Wald hierher und harren aus, aufrecht und stumm unter den Blicken, den Fingerzeigen und dem Gelächter der Leute. Erst in der Dämmerung, wenn die Stadtbewohner in ihren Häusern vor den schwarzen Kästen sitzen oder um Biere geschart Parolen tauschen, erst dann ziehen sie ihren Fang an Land. Stolz sind sie und frei.
Jedes Mal werfen sie die Hälfte der Beute zurück ins Wasser, nehmen nur so viel mit, wie sie tragen können. Die ersten Fische essen sie roh, weitere werden im Feuer gebraten, andere im Rauch haltbar gemacht. Es genügt für ein paar Wochen.
Wir Kinder beobachten ihren Rückzug von unseren Zimmerfenstern aus. Wir beneiden sie, und etwas zieht an uns. Eines Tages zieht es so stark, dass wir die Fenster öffnen müssen und hinausklettern. Es geht nicht geräuschlos vonstatten, aber wir sind vom Weltgeschehen übertönt, das unsere Eltern im Wohnzimmer gefangen hält.
Wir folgen den wilden Kindern tief in den Wald hinein, sie lassen es geschehen und teilen ihren Fisch mit uns. Sie bieten uns ein Lager. Zudecken müssen wir uns selbst, niemand erzählt uns eine Geschichte, nichts, das uns davon abhalten könnte, das Rascheln in den Zweigen zu hören, die Wolken am Mond vorbeiziehen zu sehen, den Nachtwind auf unseren Wangen zu spüren.
Nach einigen Wochen ist unsere Haut gebräunt. Unsere Muskeln sind gehärtet und unsere Sinne geschärft. Wir haben Hornhaut an den Füßen und können uns lautlos fortbewegen. Nun dürfen wir mit in die Stadt. Niemand erkennt uns dort, denn wir sind durch einen neuerworbenen aufrechten Gang getarnt.
Wir sitzen an den Pfützen, ertragen die Blicke, die Fingerzeige und das Gelächter der Leute. Geduldig lassen wir die Fische an den Angeln zappeln und ziehen sie erst an Land, nachdem die Stadtbewohner sich hinter ihre Mauern zurückgezogen haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen