Mittwoch, 7. Dezember 2011

Sebastian van Roehlek: der himmel voller schweigen

"momentan passiert viel. es gäbe genug stoff zum schweigen.

dann überlegt man, ob schweigen ein gut ist oder ein übel.

schweigen ist nicht das gegenteil von sprechen. und reden nicht die antwort darauf: weder aufs eine noch aufs andere. das gelungene schweigen kennt keine wörter. braucht sie nicht. wörter entziehen dich nur aus deiner beziehung zur welt. sprache macht dich gebrechlich und lässt dich glauben, du seist auf sie angewiesen und du bist es auch. wie der hund auf dich angewiesen ist, weil ihm das wolfsein nichts mehr sagt.

und eigentlich bist du nur sprache. bist jedes komma im hals, im kopf. dein leib ist kein ausrufezeichen. er ist dein doppelpunkt. mit ihm hältst du wort. dein ewiger konkurrent. mit ihm buhlst du zwischen verlangen und du. er sehnt sich danach von anderen gelesen zu werden. ein objekt wird ausgewertet. du aber willst nur subjekt sein. unterworfener. du kannst dich nicht hingeben. die sprache verbietet es dir.

und es bleibt die sprache, die dir einfällt, dich zu rechtfertigen. für dein du zu sein. das ist du und du ist ein virus. sag ich. ‘ich’ ist ein virus. aufgeladen mit nichts als sprache. mit nichts als rechtfertigung. ‘ich’ darf nicht ‘du’ sein. muss verschieden sein. wir teilen uns

die dieselben begriffe, sie sollen uns voneinander fernhalten. darf ich dich lesen?

darf ich mich schreiben?

schreiben ist mein ewiger kampf gegen die eigene wahrnehmung.

kein schweigen fällt mir ein. nur das wort. nur das wort ‘schweigen’. es zwingt mich, das schweigen als gegenpart zu verstehen. da komm ich nicht raus. da bleib ich wohnhaft.

da löst sich das wort nicht von ab."


Sebastian van Roehlek, 7.Dezember 2011
(Herzlichen Dank für's Ausleihen!)

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