Donnerstag, 21. November 2013

Danke, Doris Lessing!

Soll ich noch was zu Doris Lessing schreiben? Ist ja auch schon wieder - wieviele? - Tage her ihr Tod, inzwischen starben noch mehr Menschen, nähere bekannte, auch fernere bekannte wie Dieter Hildebrandt und viele, viele völlig fremde, ferne, in Massen untergehende.
Aber Doris Lessing ...

Ich habe sie mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig gelesen. Verschlungen eigentlich. Angefangen mit dem Goldenen Notizbuch, weitergemacht mit dem Martha-Quest-Zyklus und einigen anderen. Auch die späteren Werke gerne gelesen, manche waren mir dann zu flach, beeindruckend-verstörend Das Fünfte Kind, unglaublich spannend ihre Autobiografie. Schade, dass sie die nicht fortgeführt hat nach dem zweiten Teil.

Doris Lessing war wichtig für mich in einer Zeit, in der ich ausbruchartig versuchte, mich zu emanzipieren, mehr als Mensch denn als Frau, letzteres kam erst später. 
Aus dem Goldenen Notizbuch blieb mir am eindrücklichsten der Versuch der Protagonistin, ihre verschiedenen Lebensbereiche säuberlich getrennt zu halten durch das Führen verschiedenfarbiger Notizbücher. Genau das machte ich auch! Als passten bzw. gehörten die unterschiedlichen Bereiche nicht zusammen, als handelte es sich  gar (aber nur fast!) um getrennte Persönlichkeiten. Dabei waren es lediglich Facetten eines Ganzen, erforderte es einfach nur Selbstrespekt und -erlaubnis, all die Einzelaspekte mit- oder nebeneinander zu integrieren. 
Ich kenne das noch heute im Ansatz, führe aber längst keine getrennten Notizbüchern mehr, nur noch einen DIN A6 Terminkalender, in den ich alles eintrage und dieses eine Blog, das für mich mein Goldenes Notizbuch ist. Hier kommt alles rein, was aus mir raus will, nur notdürftig durch Labels kategorisiert. Ein Mischmasch. Und manches bleibt geheim, das ist dann allermeinst.

Doris Lessing ... In manchem blieb sie mir fremd, eine gewisse Härte oder innere Abgeriegeltheit haftete ihr an, fragwürdig in meinen Augen ihr Selbstversuch, durch Schlaf- und Nahrungsentzug verrückt zu werden, fragwürdig vor allem ihre Auswertung dieses Versuchs und Deutung seines Ergebnisses. Ach, na und, sie hat sich was getraut und zugemutet, auch abseits gängiger Wege. 

Sie war nicht vereinnahmbar. Und jetzt, da ich das schreibe, wird mir klar, dass es wohl genau diese Eigenschaft war, die sie für mich so anziehend machte. Nachdem ich mich selbst über Jahre hinweg vollkommen hatte vereinnahmen lassen. Doris Lessing, eine Frau, die sich zweifelhaften Vereinigungen anschloss, diese aber auch wieder verlassen konnte, inklusive (selbst)kritischem Rückblick, die sich später jeglicher Gruppierung und Bewegung verweigerte, aber immer politisch denkend blieb.

Genau in dieses Verweigerungsverhalten passte auch ihr Vorwort in der 1971er Auflage vom Goldenen Notizbuch, auf das ich mich hier im Blog schon einmal bezogen habe: Es gibt nur eine Art, Bücher zu lesen

Seltsam kurz übrigens der Wikipedia-Artikel, aber wenigstens gibt's dort eine vollständige Literaturliste.
Ein paar ihrer Werke will ich wiederlesen. Das ist ein Schatz, den sie da hinterlassen hat.

Danke, Doris Lessing!

4 Kommentare:

  1. Liest Du noch in Deinen Notizbüchern von damals? Was ruft das in Dir hervor?
    Und: Hast Du das gewusst?
    http://www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/doris--lessing--tot-gysis-tante-starb-zwei-wochen-nach-ihrem-sohn,7169128,25064868.html

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nur noch selten. Es gibt eine Phase in meinem Leben, von der bin ich vor allem froh, dass ich sie überwunden habe. Die Notizbücher hebe ich auf, als eine Art Beweis. Aber ich lese nicht mehr darin.
      Von der Verwandtschaft mit Gysi wusste ich, von dem kranken Sohn nicht.

      Löschen
  2. Danke für diese schöne Zusammenfassung! Ich habe Doris Lessing in meinem angelsächsischen Vorleben persönlich kennengelernt, aber mir scheint, dass Du sie besser kanntest.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, das glaube ich kaum, dass ich sie besser kannte, wenn man überhaupt von kennen sprechen kann. Ich rede ja vor allem davon, was sie bzw. ihr literarisches Werk mir bedeutete. Anderes hat sie selbst von sich gesagt, z.B. was die Verweigerung von Gruppenzugehörigkeiten betrifft. Aber dass Du sie persönlich kennenlernen durftest, darum beneide ich Dich. Dazu muss ich Dich unbedingt mal näher interviewen. :-)

      Löschen