"Nachts ist die Stadt schön. Sie ist voller Gefahren, aber auch voller Freiheit. Die Schlaflosen sind auf den Straßen, die Künstler, die Mörder und die Spieler, Osterien, Garküchen und Cafés sind geöffnet. Man grüßt sich, die Leute, die nachts leben, kennen einander. Jeder vergibt dem anderen seine Laster. Das Tageslicht klagt an, das Dunkel der Nacht erteilt Absolution. Nachts kommen die Verwandelten heraus, Männer, wie Frauen gekleidet, denn so will es ihre Natur, und niemand belästigt sie. Nachts fordert niemand Rechenschaft. Die Krüppel, die Blinden, die Lahmen kommen heraus, die tagsüber abgewiesen werden. Nachts ist die Stadt wie eine umgekrempelte Tasche. Auch die Hunde kommen heraus, die, die kein Zuhause haben. Sie warten die Nacht ab, um nach Essensresten zu suchen, so viele Hunde überleben hier ohne Menschen. Nachts ist die Stadt ein zivilisierter Ort."
aus: Erri De Luca, Der Tag vor dem Glück, Roman Graf 2010
Liebe Iris!
AntwortenLöschenEine in schüchtern lobendem Stil gehaltene Anfrage bei Annette Kopetzki blieb bislang ohne Antwort.
Dir selbst danke ich für die Auswahl der entzückenden Textstelle. Sie hat ein Soliton von Gefühlswellen bei mir ausgelöst.
Turmschreibend, Ginko.