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Donnerstag, 29. Oktober 2015

Meine Meinung (Brief an Akif Pirinçci)

Herr Pirinçci,

tut mir ja echt leid, dass Sie jetzt so im Regen stehen. Leider kann auch ich Ihnen weder einen Schirm noch ein Dach anbieten, nee, geht wirklich nicht, da müsste ich mich dermaßen verbiegen, das ist anatomisch gar nicht möglich.

Dumm gelaufen, echt, das mit Ihrer Rede und den Reaktionen darauf. Find ich auch überhaupt nicht gut, dass die Ihnen diesen einen Abschnitt, Sie wissen schon, den mit den KZs, dass die Ihnen den so im Mund herumdrehen. Kapieren echt nix, diese ewigen Herumdreher. Weder die, die Sie jetzt am liebsten mundtot machen wollen, noch die, die Ihnen applaudieren. Applaudieren Ihnen doch glatt für etwas, das Sie gar nicht so gesagt haben. Mist. 

Dabei haben Sie sich solche Mühe gegeben mit Ihrem Pamphlet. Das haben Sie wirklich drauf, muss ich Ihnen neidlos zugestehen (hihi, als könnte man auf so ne „Fähigkeit“ neidisch sein);  alle Stilmittel drin: Überspitzung, Polemik, Herabsetzung anderer, null Argumentation, dafür jede Menge Beleidungen und kunstvoll verschachtelte Sätze. Alle Achtung!
Wobei Ihnen genau letztere, nämlich die kunstvoll verschachtelteten Sätze, zum Verhängnis geworden sind. Haben Sie im Ernst geglaubt, die von was auch immer, jedenfalls nicht von hehren Motiven bewegte Masse könne solch einer komplexen Ausdrucksweise folgen? Was für eine Fehleinschätzung. Gejubelt haben die und applaudiert fürs richtig wie fürs falsch Verstandene. So ist sie nunmal, die Masse. Feiert gerne, sich und ihren Herdentrieb, geht voll ab dabei. Yeah!

Und nun? HamSe den Salat. Bzw. den Regen, in dem Sie nun stehen und keiner hält Ihnen den Schirm hin oder bietet Ihnen ein Dach überm Kopf. Ist ja auch keiner zu verpflichtet. Ist nämlich ein freies Land. So frei, dass keiner sich Ihre frei geäußerte Meinung anhören muss, oder ihr gar beipflichten. Nö, so frei geht es hier zu, dass man nicht gezwungen werden kann, Ihnen eine Plattform in welcher Gestalt auch immer zu bieten. So frei, dass niemand einen zwingen kann, stumm zu ertragen, was Sie frei von sich geben, sondern dass man widersprechen darf, ja, stellen Sie sich vor, sogar das! Und zwar nach Belieben in schärfster Form, ja, soweit geht diese Freiheit, in schärfster Form und wie Sie polemisierend. Kaum zu fassen, nicht wahr, wie weit diese Freiheit reicht. Zu gerne hätten Sie allein und allmächtiglich ein paar Grenzen und Zäune um Ihre individuellen Rechte gezogen. Tja, is nich.

Wissen Sie, Herr Pirinçci, ich find‘s, wie gesagt, auch blöd, dass Ihnen manche Ihrer Worte so falsch ausgelegt werden. Ich find‘s blöd und vor allem überflüssig. Bleibt doch auch ohne diese Verdrehung genug in Ihrer Rede und Schreibe und Denke, das einem (mir!) den Magen umdreht und zum schärfsten Widerspruch auffordert. 
Ich mag es nicht, wenn man nicht genau hinhört. Und ich mag es nicht, wenn man hetzt wie Sie. Ich mag es nicht, wenn man Ihnen applaudiert (Magenumdrehgeräusch). Und ich mag es nicht, wenn man gegen Sie hetzt. Ja, das mag Sie nun erstaunen, ist aber so. Getreu dem Prinzip „Freiheit ist immer die Freiheit des ... „ Na, können Sie den Satz vervollständigen?

Aber ich mag es, wenn man Ihnen widerspricht, wenn man sich weigert, Ihnen zuzuhören oder Ihre Texte zu lesen, wenn man sich weigert, Ihnen eine Plattform zu bieten (benutzen Sie doch Ihr eigenes Wohnzimmer dafür oder sprechen Sie von Ihrem Balkon herab, nur so‘n spontaner Vorschlag), wenn man sich weigert, Ihre schriftlichen Ergüsse zu verlegen und zu vertreiben. (Was bestehende Verträge betrifft, wird das sicher juristisch zu klären sein.) 
((Wieso allerdings der Manuscriptum Verlag sich von Ihnen trennt und auch der Kopp Verlag Sie nicht drucken will, ist mir ein Rätsel. Würde doch super passen.)) 
(((Ich bin übrigens Buchhändlerin und werde mich weigern, irgendjemandem eins Ihrer Bücher zu verkaufen. Hat aber auch noch niemand nach gefragt. Vielleicht sind Sie weniger interessant, als Sie glauben?))) 

Ja, das war‘s im Großen und Ganzen. Sollte ich was vergessen habe, kann ich‘s ja nachliefern. Derweil widme ich mich lieber interessanteren, wichtigeren, schöneren, angenehmeren, klügeren, befriedigerenden, inspirierenderen, ansprechenderen, höherwertigen, anspruchsvolleren, relevanteren,  weltbewegenderen, vorwärtsbringenderen, menschenfreundlicheren Dingen.
Machen Sie‘s gut. 


(Meine Reaktion auf Aki Pirinçcis Rede bei der Pegidaversammlung vom 19.10.2015 in Dresden, die Reaktionen darauf und die Reaktionen auf die Reaktionen ... Ich verlinke hier absichtlich nicht, bitte selber googeln oder bei Youtube schauen.)

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