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Dienstag, 13. Januar 2015

und nochmal zu CHARLIE HEBDO

Ich kann zur Zeit einfach nicht den Mund halten, will mich auch nicht beruhigen. Also lass ich's raus:


Es gibt da gerade so eine komische Tendenz, sich von Charlie Hebdo zu distanzieren. „Je ne suis pas Charlie“ heißt da die Parole. 

[WICHTIG!: Ich beziehe das Folgende ausdrücklich nicht auf diejenigen, die sich aus Respekt vor den ermordeten Mitarbeitern nicht mit ihnen identifizieren wollen, die aus Respekt nicht deren Mut für sich vereinnahmen wollen und können, die also aus Gründen des Respekts vor den Opfern nicht „Je suis Charlie", sondern – wenn überhaupt – „Je ne suis pas Charlie" sagen (oder eben auch schweigen).]

Nein, ich beziehe mich auf diejenigen, die ein Problem mit den Inhalten von Charlie Hebdo haben. Mit „Je ne suis pas Charlie" ist da dann gemeint, dass man die Karikaturen der Satirezeitschrift nicht befürwortet (was man ja auch nicht muss!), sie sogar ganz schlimm findet (was man ja auch darf!). Begründung: Sie seien respektlos, geschmacklos, verletzten religiöse Gefühle, beträfen auch friedliche Muslime, nicht nur gewalttätige usw. 
So weit, dass man den Karikaturisten nun auch noch eine Mitschuld an ihrer eigenen Ermordung gibt, geht natürlich keine_r, nein, diese Tat wird – so anständig ist man dann doch – aufs schärfste verurteilt. Aber ... Immer ist dieses Aber angehängt.


Als ginge es darum, ob uns die Karikaturen gefallen oder nicht. (Mir gefallen sie größtenteils übrigens auch nicht.) Als spielte es eine Rolle, ob wir uns durch sie beleidigt, verletzt, provoziert fühlen oder nicht. Völlig egal, absolut irrelevant ist das!
Ich sage JE SUIS CHARLIE, weil mit der Ermordung der Mitarbeiter ein Anschlag auf uns alle – ja, auch auf mich – und unserer Recht der freien Äußerung und des freien Denkens verübt wurde. Jeder Anschlag in dieser Richtung betrifft Jede_n. Denn dieses Freiheitsrecht ist ein universelles, das nur dann insgesamt und als solches existiert, wenn es für jede_n Einzelne_n existiert.
Was ist daran so schwer zu verstehen? Das will mir einfach nicht in den Kopf.




Dies ist das Titelblatt der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe von Charlie Hebdo.
Und bei NETZPOLITIK.ORG findet man einen kurzen guten Artikel dazu.
Soeben schrieb ich dort einen Kommentar (was ich mir in solchen Fällen in der Regel verkneife, aber hier musste ich einfach ...), den ich, weil er ein über den Artikel hinausgehendes Statement beinhaltet,  hier rüber kopiere. Meine Meinung:
Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Satire MUSS UNBEDINGT respektlos mit Religionen (allen) umgehen, da diese nämlich ihrerseits – zumindest in ihren fundamentalistischen Ausprägungen – die Freiheitsrechte des Menschen mit Füßen treten und ihren eigenen Glauben den universellen, unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechten überordnen. Das in den Menschenrechten und in unserem Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Religionsfreiheit beinhaltet aber ganz wesentlich auch das Recht auf Freiheit von Religion und ihrer Einflussnahme.
Religion darf nicht herrschen. Sie nimmt sich dieses Recht aber in vielen Teilen heraus, und das muss in jeder Form kritisiert werden, auch durch auf die Spitze getriebene Satire.
Ich hänge noch an (vorsichtshalber, ja, denn auch ich fürchte mich ein wenig, das gebe ich kleinlaut zu): Ich befürworte absolut und halte für notwendig einen in Schrift und Bild respektlosen – im Sinne von nicht unterwürfigen – Umgang mit den (allen!) Religionen, ihren Oberhäuptern, den Auslegern der Schriften, den selbsternannten „Bestimmern" und Herrschern, NICHT mit den gläubigen (oder ungläubigen!!!) Menschen.
Ich hoffe, ihr seht den Unterschied.


Soviel für heute. Kann sein, da kommt noch mehr. So ist das eben, wenn ein empfindlicher Nerv getroffen wurde. 


Ach doch, noch eine Kleinigkeit: Mir gefiel, was Max Moor am Sonntag am Ende von TTT über den „Terror der Humorlosen" sagte. Hier das anderthalbminütige Video.

6 Kommentare:

  1. Daumen hoch hierfür, liebe Iris!!!

    .

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  2. Das „Je ne suis pas Charlie“ ist insofern eine nachgerade widersinnige Haltung, weil diejenigen, die es schreiben, ebenfalls diese Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen möchten, die sie jedoch mit diesem Anti-Slogan in die Kritik stellen. Um mich mit „Charlie Hebdo“ zu solidarisieren – was freilich, das muß man dazu sagen, ein recht einfacher Akt ist, weil ich dafür mit wenig einstehe und ich zudem politische Slogans für wenig geeignete Mittel halte – muß ich den Inhalt bzw. die Aussage der Karikaturen nicht teilen. Sondern es geht vielmehr um ein Prinzip, das ich unterstütze: nämlich das der Meinungsfreiheit: das zeigen zu dürfen, was ich zeigen und schreiben möchte, sofern diese Inhalte nicht rassistisch sind. Hinzu kommt, daß die politische Karikatur nun einmal überspitzt und ggf. sogar ätzt und andere verletzten will. Ansonsten wäre sie als Mittel der Provokation und Polemik, die ein bestimmtes Thema überspitzt aufs Tablett bringt, sinnlos. (Siehe seinerzeit in den 80ern „Titanics“ Kruzifix: „Ich war eine Weißblechdose“: Großartig und treffen. Oder die Titanic-Karikaturen zum Kindesmißbrauch der katholischen Kirche.) Die Mohammed-Karikatur wie sie bspw. Kurt Westergaard 2005 zeichnete, ist der politischen Zeichnung geschuldet und es war absurd, hieran Anstoß zu nehmen. Nicht alle dieser 2005 gezeigten Karikaturen waren freilich gelungen. Zumal sie eindimensional vorgingen, denn normalerweise hätte man die Freiheitsstatue in Bett mit Mohammed zeichnen müssen: beide heftig kopulierend: dann hätte man zumindest einen Strang des islamistischen Terrors aufgezeigt und das wäre noch weit mutiger. (Siehe die Kette USA, Afghanistan, die verschiedenen Mudschahedin dort, Bin Laden, Saudi-Arabien.)

    Als übrigens 2006 auf der Leipziger Buchmesse der Stand der „Jungen Freiheit“ ausgeschlossen wurde, gab es ebenfalls eine – wenngleich schwache – Welle des Protests. Ich teile kaum eine der Positionen, die diese Zeitung vertritt. Da sie jedoch nicht verboten ist, möchte ich mir schon selber ein Bild machen dürfen und halte auch hier nichts von Verboten. Niemand wird gezwungen, den Stand der „Jungen Freiheit“ aufzusuchen. Das Verbot von X oder Y ist ein scharfes Schwert und sollte mit Bedacht eingesetzt werden. Genauso schlimm wie solche Verbote ist freilich die vorauseilende Selbstzensur.

    Was „Charlie Hebdo“ betrifft, so teilt dieses Magazin nach allen Richtungen aus. Religionskritik ist diesem am Laizismus orientieren Blatt tief eingeschrieben. Zumal sich „Charlie Hedbdo“ immer dagegen wehrte von den Falschen wie der Front National vereinnahmt zu werden.

    Die politische Dimension dieser Ereignisse und das Leben eines Großteils der arabischstämmigen Franzosen in der Banlieue stehen dabei noch einmal auf einem anderen Blatt. Dieses Problem wird Frankreich beim nächsten von der Polizei erschossenen Jugendlichen gewaltig um die Ohren fliegen. Ob mit oder ohne „Charlie Hebdo“.

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    1. Vielen Dank für deinen ergänzenden und vertiefenden Kommentar!

      „Um mich mit „Charlie Hebdo“ zu solidarisieren – was freilich, das muß man dazu sagen, ein recht einfacher Akt ist, weil ich dafür mit wenig einstehe und ich zudem politische Slogans für wenig geeignete Mittel halte – muß ich den Inhalt bzw. die Aussage der Karikaturen nicht teilen."

      Ja, es ist ein recht einfacher Akt, der aber für mich (für andere kann ich nicht sprechen) eine Art Selbstverpflichtung beinhaltet, nämlich dahingehend, dass ich in Zukunft offensiver und mutiger meine Meinung äußern, sie mehr aus dem privaten Raum heraus in den öffentlichen holen will. Einen Anfang habe ich auf Twitter und in meinem Blog in den vergangenen Tag gemacht.
      (Das Politische ist ja sowieso nie eine reine Privatangelegenheit, das Private hingegen immer auch politisch.)
      Ich werde mich damit nicht annähernd in einer ähnlich exponierten und potentiell gefährlichen Situation befinden wie ein Journalist oder Karikaturist etc., aber dieses deutlicher Farbe Bekennen empfinde ich durchaus als eine Reaktion auf die Ereignisse in Paris, zu der wir alle durch diese geradezu verpflichtet sind.

      Ob so ein Slogan ein geeignetes Mittel ist – (wofür eigentlich?) – keine Ahnung, ich benutze ihn in erster Linie als Zeichen meiner Solidarität, nicht nur mit den Mitarbeitern des Magazins, sondern mit allen Opfern und auch mit allen, die tagtäglich mutig ihre Meinung äußern, unter schwierigeren Bedingungen, als wir sie hier in Deutschland haben.

      „.. das zeigen zu dürfen, was ich zeigen und schreiben möchte, sofern diese Inhalte nicht rassistisch sind."

      Eine wichtige Ergänzung. Ja, sie dürfen nicht rassistisch sein.

      Es wird in Zukunft sicher – hoffentlich! – noch viele Diskussionen darüber geben, was das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet, was es genau beinhaltet, welches unschätzbare Gut es darstellt, was es erlaubt und wozu es vielleicht sogar verpflichtet. Und auch, was es nicht erlaubt, z.B. Hetze und Diskriminierung.

      Ich hoffe einfach, in vielerlei Hinsicht.

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  3. Liebe Iris,

    ich kann beide Seiten verstehen: Wir, die wir uns zu Charlie Hebdo bekannten, weil er ein Mensch war und für seine Satire sterben musste und die, die sagen, sie seien es nicht, weil sie mit den Inhalten seiner Satire nicht nur nichts anfangen konnten, sondern sie wirklich rassistisch fanden. Ich stehe da irgendwo zwischen: Ich fand seine Satire teilweise extrem geschmacklos und gehöre auch nicht zu den Menschen, die behaupten, Satire dürfe alles. Satire hat für mich einen Sinn und Zweck, eine Funktion - und wenn sie diese auf eine Art verfehlt, dass man sich vom Thema, das es behandelt, komplett abwendet, dann hat sie ihr Ziel verfehlt, dann nenne ich das: Verdammt schlechte Satire. Aber das darf ich ja.

    Aber für mich ist „schlechte Satire“ kein Grund, mich nicht mit den Opfern zu solidarisieren. In erster Linie waren sie Menschen, die angeblich für ihre freie Meinungsäußerung gestorben sind (eigentlich wissen wir nichts wirklich über die Hintergründe). Deshalb solidarisiere ich mich mit ihnen und finde die Gründe der „Entsolidarisierung“ nicht ganz konsequent zu Ende gedacht.

    Ich finde aber die Bewegung, die sich auch mit allen anderen Opfern (der westlichen Welt in den anderen Teilen der Welt) solidarisieren hingegen sehr richtig. Er entlarvt nicht das Heuchlertum vom Laien und Medienkonsumenten, der eben nur das wahrnimmt und das betrauert, was ihm gezeigt wird, wohl aber die Entrüstung einiger Politiker.

    Danke für deinen differenzierten Blogartikel.

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    1. Liebe Sherry,

      mir geht’s ähnlich wie dir: Was ich von dem Inhalt der Satire halte, spielt keine Rolle für meine Solitäritätsbekundung mit den Opfern und dem Eintreten für Meinungs- und Pressefreiheit.
      Allerdings muss ich auch sagen (und ich unterstelle mal, dass das für einen Großteil der Kritiker von Charlie Hebdo gilt), dass ich diese Satirezeitschrift viel zu wenig kenne, um ihre Qualität im einzelnen oder insgesamt zu beurteilen. Das, was ich in den vergangenen Jahren gesehen habe, gefiel mir manchmal, oft auch nicht. Und auch den Kontext ihrer Satiren kenne ich zu wenig, das laizistische Frankreich, das sowieso eine ganz andere Haltung zur Religion hat als wir. Die Verknüpfung von politischen mit religiösen Inhalten in den Karikaturen usw.

      Satire ist aber auch nicht dafür da, die Menschen zu streicheln und einzulullen, sondern dafür, sie aufzurütteln und zu provozieren. Dazu darf sie nicht nur, sondern muss sie überspitzt sein.
      Und die Religionen haben Kritik in jeder Form sowieso dringend nötig!

      Wem’s nicht gefällt, der soll sie halt nicht lesen.

      Ähnlich hast du es ja auch in deinem Blogpost zum Thema geschrieben, der mir sehr gut gefallen hat in seiner Deutlichkeit. Auch deine weiteren Kommentare darunter.

      Es ist wichtig, kompromisslos für das Gut der freien Meinungsäußerung einzutreten. Und dieses Recht steht ja nicht isoliert in den Menschenrechten, es darf keins der anderen Rechte aushebeln, umgekehrt auch nicht, alle gelten immer zusammen. Eine klare Begrenzung findet die Freiheit der Meinungsäußerung in allem, was z.B. rassistisch ist ...

      Dass einige Politiker – oder Regierungen, allen voran die Saudi Arabiens – nun ein doppeltes Spiel spielen, also einerseits die Anschläge in Paris verurteilen, andererseits in ihren Ländern die Meinungsfreiheit unterdrücken und verfolgen (siehe Raif Badawi), ist schier unerträglich. Auch das muss offen kritisiert werden. Wenn nicht von den feigen, sich wirtschaftlichen Interessen beugenden westlichen Regierungen, dann wenigstens von den Bürgern, den Journalisten, den Satirikern, von Organisationen wie Amnesty International ...

      Ich könnte mich schon wieder in Rage schreiben ...

      Ich finde wichtig, was da gerade passiert. Und ich hoffe ...

      Danke für deinen Kommentar!

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