Gestern schrieb ich „Einen Briten umarmen“. Heute denke ich, um noch eins draufzusetzen, jeder sollte einen Briten umarmen. Jeder Brite, jede Britin sollte einen oder eine haben, der oder die ihn oder sie umarmt und sagt: Bleib doch. Bitte. Please don‘t go. Stay.
Aber es wurde ja gesagt. Tausendfach. In verschiedenen Stellungnahmen und Petitionen. Vergeblich.
Es ist so traurig. Ich bin traurig.
Im Oktober werde ich nach England reisen. Meine Tochter besuchen, die dort studiert. Mal sehen, wie es für sie weitergeht. Ihr gesamter Freundeskreis – Briten und diverse andere – ist betrübt, erschüttert, entsetzt. Alle, die sie kennt, haben für Remain gestimmt. Wie geht es nun weiter?
Das Fitzelchen Hoffnung, die Wahl ließe sich rückgängig machen, könnte wiederholt werden und diesmal ein anderes Ergebnis erzielen. Illusorisch.
Wie geht es weiter?
Ich möchte nicht spekulieren. Kann es auch nicht, zu komplex das Thema.
Aber ich denke mir, dass es neben der politischen Dimension noch eine andere geben muss. Eine menschliche, eine Verbindung, die nicht auf dem Papier steht und die nichts mit Zahlen zu tun hat. Eine Verbindung, die anderer Art ist, emotional und intellektuell begründet, eine, die mit Kultur zu tun hat und gleichen Bedürfnissen, Freude an Austausch, Interesse an Neuem und Anderem, Lust auf Gemeinschaft über Grenzen hinweg ... So etwas.
Ich gebe die Hoffnung auf Verständigung und Freundschaft nicht auf. Auch nicht unter erschwerten Bedingungen.
Let‘s stay friends. Und das meine ich nicht als die abgedroschene Floskel am Ende einer Liebesbeziehung. Nein, ganz ehrlich: Let us stay friends.
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Sonntag, 26. Juni 2016
Samstag, 25. Juni 2016
Einen Briten umarmen (Brexit I)
Ich erinnere mich an Liverpool vor gut zwei Jahren. Im Cavern Club trat eine Beatles Cover Band auf. Alle sangen lauthals mit. Wir alle. Ein bunt gemischtes Wir. Tranken Bier und Cider. Waren ausgelassen. Ein Liverpooler spendierte mir einen Strawberry Cider. Wir unterhielten uns, so gut es eben ging im Lärm der aufgedrehten Boxen und der „All you need is love“ schmetternden Menge. Wir sprachen uns direkt ins Ohr, um etwas zu verstehen, rückten dicht zusammen, er legte seinen Arm um meine Taille. Wohlige Nähe. Menschliche Nähe. Verbundenheit durch Musik und Rausch und Lust. Alles in Maßen. Friedlich. Frei. Kein Gedanke an Nationalität, EU, politische Anschauungen. „Imagine there‘s no countries ...“ Ob das heute anders wäre? Ich glaube nicht. Ich hoffe nicht. Ich werd‘s ausprobieren. Baldmöglichst. Wieder einmal mit Menschen verschiedenster Nationalität Beatles Songs singen. Laut und ausgelassen. Strawberry Cider trinken. Einen Briten umarmen. „All you need is love“ glauben. Wenigstens einen Abend, eine Nacht lang.
Samstag, 18. Juni 2016
Still so still
Still so still
unter tausend Fäden den gefunden,
der mich löst
er hält mich und ich ihn
lose in der Hand
Still so still
das Wasser rauscht
vorbei hindurch
die Füße nackt
weil: Sommer!
Wie viele Kindheiten hatten wir?
Welche davon waren heil?
Das Fischlein springt
der Haken fängt sich in der Luft
in allen Wipfeln du
und:
Still so still
weil ich es will
so hat das Älterwerden sich gelohnt
der Blick geht weit
und hält erst hinterm Horizont
im Innern bin ich
die mir innewohnt
unter tausend Fäden den gefunden,
der mich löst
er hält mich und ich ihn
lose in der Hand
Still so still
das Wasser rauscht
vorbei hindurch
die Füße nackt
weil: Sommer!
Wie viele Kindheiten hatten wir?
Welche davon waren heil?
Das Fischlein springt
der Haken fängt sich in der Luft
in allen Wipfeln du
und:
Still so still
weil ich es will
so hat das Älterwerden sich gelohnt
der Blick geht weit
und hält erst hinterm Horizont
im Innern bin ich
die mir innewohnt
Sonntag, 5. Juni 2016
Ich werde sie vermissen oder I like birds
Zwei Seiten, durch eine Glasscheibe getrennt.
Auf der einen Seite sitze ich, auf der anderen sie.
Ich sitze drinnen, sie sitzt draußen.
Ich lese die Zeitung, sie verfolgt ihre eigenen Nachrichten.
Ich sehe mir den Wetterbericht an, sie hält ihre Nase in den Wind.
Ich betrachte sie, sie sieht ab und zu in meine Richtung.
Ich denke darüber nach, wie es wohl ist, eine wie sie zu sein. Sie – Ich werde nie wissen, was sie denkt.
Ich wünschte, ich hätte Flügel. Sie ist wunschlos glücklich. (Stelle ich mir vor.)
Ich seufze, sie singt.
Ich beiße in mein Marmeladenbrot, sie verschlingt einen Regenwurm.
Ich werde sie vermissen. Sie – vermisst nichts und niemanden. (Stelle ich mir vor.)
Buchtipp:
Einen sehr schönen TED-Talk von Tim Birkhead findet man hier: The early birdwatchers
Auf der einen Seite sitze ich, auf der anderen sie.
Ich sitze drinnen, sie sitzt draußen.
Ich lese die Zeitung, sie verfolgt ihre eigenen Nachrichten.
Ich sehe mir den Wetterbericht an, sie hält ihre Nase in den Wind.
Ich betrachte sie, sie sieht ab und zu in meine Richtung.
Ich denke darüber nach, wie es wohl ist, eine wie sie zu sein. Sie – Ich werde nie wissen, was sie denkt.
Ich wünschte, ich hätte Flügel. Sie ist wunschlos glücklich. (Stelle ich mir vor.)
Ich seufze, sie singt.
Ich beiße in mein Marmeladenbrot, sie verschlingt einen Regenwurm.
Ich werde sie vermissen. Sie – vermisst nichts und niemanden. (Stelle ich mir vor.)
***
Buchtipp:
„Winner of both The Independent nature book of the year 2012, and The Guardian natural history book of the year, 2012. A winner also of the British Birds and British Trust for Ornithology BIRD BOOK OF THE YEAR 2012. and short-listed for the Royal Society Winton Science Book Prize.“(zitiert von der Website des Buches)
Einen sehr schönen TED-Talk von Tim Birkhead findet man hier: The early birdwatchers
***
I like birds!
:-)
Freitag, 3. Juni 2016
Zum Glück wurde nichts von alledem gesagt.
„Was kann ich tun?“ (Er)
„Gib mir zu denken. Reich mir das Wasser. So was in der Art ...“ (Sie)
Er versteht‘s nicht. Nimmt‘s wörtlich. Aber nicht wörtlich genug.
Das Wasser, das er ihr bringt, schüttet sie ihm ins Gesicht.
Er prustet. Zuckt zurück. Springt sie an (aber nur mit seinem Blick).
Wie ein Tier, denkt sie. Aber nein, nicht einmal das.
„Nichts. Nichts kannst du tun.“ (Sie)
„Du bist mir ein Rätsel.“ (Er)
„Ich wünschte, du wärest mir ebenfalls eins.“ (Sie)
Das Tier (das er nicht ist) fällt in sich zusammen.
„Das bringt doch alles nichts.“ (Er)
„Weil du es nicht bringst.“ (Sie, so was von gemein)
Da bricht er endgültig aus. (was auch immer man sich darunter vorstellen mag)
Zum Glück wurde nichts von alledem gesagt, denkt sie. Zum Glück habe ich‘s nur aufgeschrieben.
„Gib mir zu denken. Reich mir das Wasser. So was in der Art ...“ (Sie)
Er versteht‘s nicht. Nimmt‘s wörtlich. Aber nicht wörtlich genug.
Das Wasser, das er ihr bringt, schüttet sie ihm ins Gesicht.
Er prustet. Zuckt zurück. Springt sie an (aber nur mit seinem Blick).
Wie ein Tier, denkt sie. Aber nein, nicht einmal das.
„Nichts. Nichts kannst du tun.“ (Sie)
„Du bist mir ein Rätsel.“ (Er)
„Ich wünschte, du wärest mir ebenfalls eins.“ (Sie)
Das Tier (das er nicht ist) fällt in sich zusammen.
„Das bringt doch alles nichts.“ (Er)
„Weil du es nicht bringst.“ (Sie, so was von gemein)
Da bricht er endgültig aus. (was auch immer man sich darunter vorstellen mag)
Zum Glück wurde nichts von alledem gesagt, denkt sie. Zum Glück habe ich‘s nur aufgeschrieben.