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Donnerstag, 18. Februar 2016

Fort

Als sie am Morgen aufwachte, stellte sie fest, dass sie über Nacht gegangen war. Fort. Sie sprang aus dem Bett, riss sich den Schlafanzug vom Leib und betastete sich von oben bis unten, drehte und wendete sich vorm Spiegel. Ihre Haut war intakt. Dennoch war sie sich entschlüpft. Sie warf sich den Morgenmantel über und lief durch den Flur zur Haustür, diese stand offen. „Haaallooo!“, rief sie in den klammen Morgen hinaus, ihre Stimme noch belegt vom Schlaf und den Dialogen im Traum. Und noch einmal: „Haaallooo!“, schon etwas zögerlicher. „Hallo!“, antwortete der Nachbar von gegenüber und winkte ihr zu. Irritiert winkte sie zurück. Auf einmal spürte sie die Kälte der Fliesen an den nackten Füßen. Sie schloss die Tür, nahm die Zeitung aus dem Briefkasten und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Sie zog den Rolladen hoch und setzte sich mit ihrer Tasse an den Tisch, die Hände um das heiße Porzellan geschlossen. Draußen vorm Fenster lag ungerührt der neue Tag. Lebendig und kühl. Und dort draußen bewegte sie sich fort. Fort von ihr. Sie schlug die Zeitung auf. Da war die ganze Welt auf dünnem Papier. Eine grausame Welt, in der man sich leicht abhanden kommen konnte.

10 Kommentare:

  1. "ich bin der Welt abhanden gekommen" - bravourös formuliert. Ein vertrautes Fühlen und Erschrecken. Suche erfolglos. Man behilft sich mit der Routine des Tages. Die Lücke muss überbrückt werden.

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    1. Genau genommen ist sie ja sich selbst abhanden gekommen ... :-)
      Ob es eine Suche geben wird? Ein Finden? Eine weitere Bewegung?
      ...

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  2. oha, sehr eindringlich, liebe iris.
    und ja, das kann schon passieren, vielleicht hängt es mit den träumen zusammen?
    spannend...

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    1. Stimmt, vielleicht hat es mit den Träumen zu tun ... Vielleicht werden wir das noch erfahren ....
      :-)

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  3. Ach, und diese Zeitung und die grausam dargestellte Welt... da muss man ja weglaufen!
    Manchmal ist man weit von sich entfernt und versucht sich wieder näher zu kommen. Ich glaube, das geht nur ohne die große Welt, dazu braucht es die Annäherung im der kleinen überschaubaren Welt um uns herum. Vielleicht auch mit alten Gewohnheiten brechen und über einen neuen grünen Zweig zu sich zu kommen?!

    Liebe Grüße,
    Silbia (die es auch nicht weiß ;-) )



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    1. „über einen neuen grünen Zweig zu sich zu kommen“ – das ist ein sehr schönes Bild. Ich sehe sie schon balancieren und die Luft in den Wipfeln schnuppern ...

      Herzlichen Dank für den Kommentar und liebe Grüße zurück!
      Iris (immerhin wissen wir um unser Nichtwissen :-))

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  4. Du kanntest Dich ja plötzlich kaum noch - oder gar nicht mehr. Wohin führt solches?

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    1. SIE kannte sich kaum noch. ;-) (Wie sehr der Text mein derzeitiges Leben spiegelt, wurde mir erst nach dem Schreiben bewusst.)
      Wohin das führt, weiß ich auch nicht. Ich wünsche mir einfach, dass es sich weiter schreibt ... und weiter ...

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  5. Die ganze Welt auf dünnem Papier. Zum Verzweifeln.
    Ein starker Text. Bravo!

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