Berlin: weil da die Freunde sind
Liverpool: weil da die Tochter ist
Bretagne: weil da weder Heim- noch Fernweh ist
(muss das wirklich raus?, das mit den Orten und meiner Sehnsucht?, alles muss raus!, ins Netz, als wäre das kein Widerspruch, vom Inneren ins Äußere schreiben, erzählen, von mir, Adressat unbekannt, was nur noch auf manche zutrifft, warum ich das tue?, ich weiß es nicht, es gibt etwas, das mich antreibt, mich nach außen zu stülpen in einem langen Prozess, wenn ich an die Anfänge denke, als ich noch so vorsichtig war, mit der tiefen Angst vor Vereinnahmung, vor der hüte ich mich immer noch, fürchte sie aber nicht mehr, auch das ein Verdienst meines schrittweisen mich Äußerns, Entäußerns?, des Freilegens der Schichten, ich tu das für mich, das Publikum dient mir zur Selbstüberprüfung, halte ich stand?, auch im Scheitern?, auch im Zweifel?, auch im Irrtum?, dass mein Blog mein Zimmer ist, mein Garten, in dem es wild zugeht, unsortiert, sprunghaft, manchmal still, manchmal laut, zögernd, immer wieder metamäßig, ja, seufz, auch das, aber warum seufz?, ist doch wichtig!, mir, also nochmals: dieser Raum, dieser Garten: allein mein, ganz allein mein, das ist das Wesentliche, hat zur Heilung beigetragen, der allmählichen, unabgeschlossenen, mich zu üben in Mut, in Öffnung und Verweigerung, auszuhalten, dass nichts hier besonders oder gar vollkommen ist, manches oder vieles ist nicht einmal gut, bin ja selbst mein schärfster Kritiker, werde meinem eigenen Anspruch nicht gerecht, nur ganz ganz selten, darüber nicht zu verzweifeln, nicht das Handtuch zu werfen, auch das ist seelenmuskelfestigend, mein Schreiben nicht vom Ergebnis her zu denken, sondern mich dem Prozess zu überlassen, wenigstens da weiß ich, dass es gut ist, wie es ist und zwar haargenau so wie es ist, mich zu verzetteln, mir zu erlauben, was auch immer ..., zum Beispiel zu mäandern, abzuschweifen, Um- und Nebenwege einzuschlagen, oder gar keine Wege, jedenfalls keine vorgezeichneten oder sich abzeichnenden, sondern querfeldein, abwegig, ja, geht, geht alles, ist ja meins, hm, worüber schrieb ich doch gleich? ... Sehnsuchtsorte, unerreichbar momentan, stattdessen schlendere ich durch meinen Garten, ziehe mich zurück in meinen Blograum, mache eine kleine Notiz, füge das Eigentliche zwischen zwei Klammern an, oder sind doch die Orte das Eigentliche?, macht das einen Unterschied? ...)
Impressum und Datenschutz + Die Nischen des Gartens
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Samstag, 28. November 2015
Freitag, 27. November 2015
„Stay in bed and grow your hair“ (weiteres Nachdenken über den Frieden)
Sonja kommentierte unter meinem gestrigen Post, ihr erster Gedanke beim Lesen sei der an John und Yoko gewesen. Ja! Darauf war ich gar nicht gekommen. Ein Bed-in!
John Lennons „Give Peace a Chance“ entstand während seines und Yoko Onos zweiten Bed-ins, diesmal im Queen Elizabeth Hotel in Montreal, das vom 26. Mai bis zum 2. Juni 1969 dauerte.
„Die Begründung für ihre Aktion war, dass Demonstrationen die Öffentlichkeit zunehmend gleichgültig ließen und man die Menschen über ein Bed-In auf anderem Wege auf Probleme aufmerksam machen könne. Mit ihrer Botschaft "Sex für den Frieden" wollten Lennon und Ono humorvoll für Frieden werben. Ihr Statement sollte nicht so ernst wirken wie das von Martin Luther King oder Gandhi. Die traurige Ironie bei ihrer Entscheidung bestand jedoch darin, dass sie meinten, nur ernste Friedensaktivisten wie King und Gandhi würden erschossen.“
Der Song bezieht sich an vielen Stellen auf die Besucher während dieser Zeit, auch auf Menschen, die die beiden gerne als Besucher gehabt hätten, und auf Themen, die besprochen wurden. (Quelle: Songlexikon der Unis Freiburg und Düsseldorf)
Ist Frieden das Ziel oder der Weg? Ist er die Haltung, mit der wir den Weg beschreiten?
Welche Antwort kann es beispielsweise auf eine Erschütterung des Vertrauens geben, auf gewalttätige Angriffe von innen wie von außen, die zuerst Gefühle des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht hervorrufen, im Anschluss Wut und den Wunsch nach Rache, später und etwas heruntergekühlt dann das Ziel, (wieder) „Herr der Lage“ zu werden (was bedeutet das eigentlich?).
Die Bundeswehr steht nach ihren Engagements im Kosovo und in Afghanistan vor dem dritten Kampfeinsatz in ihrer Geschichte. Gestern wurde bekanntgegeben, dass Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado zur Unterstützung Frankreichs bei den Luftschlägen gegen die Terrormiliz IS geschickt werden sollen. (Quelle: tagesschau.de)
Ist Gewalt die einzige Option?
In den Tagen nach den Anschlägen in Paris wurde auch wieder Jens Stoltenberg zitiert, der norwegische Ministerpräsident, der in seiner Rede beim Trauergottesdienst für die Opfer der Breivik-Attentate unter anderem folgende Sätze sagte, die zugleich die Essenz seiner Rede darstellen:
Wie lässt sich eine solche Antwort voller Überzeugung formulieren und dann auch leben?
Ich möchte nicht aufhören, darüber nachzudenken.
Was Jens Stoltenberg sagte, erinnert mich auch an einen Song von Oasis:„Don‘Look Back in Anger“. Darin beziehen sie sich unter anderem auf die Bed-ins von John Lennon und Yoko Ono, und zwar mit folgendem Satz, der angeblich ein Zitat Lennons während eines Bed-ins darstellt:
John Lennons „Give Peace a Chance“ entstand während seines und Yoko Onos zweiten Bed-ins, diesmal im Queen Elizabeth Hotel in Montreal, das vom 26. Mai bis zum 2. Juni 1969 dauerte.
„Die Begründung für ihre Aktion war, dass Demonstrationen die Öffentlichkeit zunehmend gleichgültig ließen und man die Menschen über ein Bed-In auf anderem Wege auf Probleme aufmerksam machen könne. Mit ihrer Botschaft "Sex für den Frieden" wollten Lennon und Ono humorvoll für Frieden werben. Ihr Statement sollte nicht so ernst wirken wie das von Martin Luther King oder Gandhi. Die traurige Ironie bei ihrer Entscheidung bestand jedoch darin, dass sie meinten, nur ernste Friedensaktivisten wie King und Gandhi würden erschossen.“
Der Song bezieht sich an vielen Stellen auf die Besucher während dieser Zeit, auch auf Menschen, die die beiden gerne als Besucher gehabt hätten, und auf Themen, die besprochen wurden. (Quelle: Songlexikon der Unis Freiburg und Düsseldorf)
Everybody's talking about
Bagism, Shagism, Dragism, Madism
Ragism, Tagism, this-ism, that-ism
Ism ism ism
All we are saying is give peace a chance
All we are saying is give peace a chance
Everybody's talkin' 'bout ministers, sinisters
Banisters and canisters, bishops and fishops
Rabbis and pop eyes, bye bye, bye byes
All we are saying, is give peace a chance
All we are saying, is give peace a chance
Let me tell you now
Everybody's talking about, revolution
Evolution, masturbation, flagellation
Regulation, integrations, meditations
United Nations, congratulations
All we are saying is give peace a chance
All we are saying is give peace a chance
Everybody's talking about, John and Yoko
Timmy Leary, Rosemary, Tommy smothers
Bobby Dylan, Tommy Cooper, Derek Taylor
Norman Mailer, Alan Ginsberg, Hare Krishna, Hare Hare Krishna
All we are saying is give peace a chance
All we are saying is give peace a chance
All we are saying is give peace a chance
All we are saying is give peace a chance
All we are saying is give peace a chance...
John Lennon wurde erschossen. Von Frieden sind wir weit entfernt. Waren die Bed-ins also umsonst? Was ist mit anderen Pazifisten wie Gandhi und Martin Luther King, waren ihre Aktionen umsonst oder vergeblich, weil sie erschossen wurden?
Ist Frieden das Ziel oder der Weg? Ist er die Haltung, mit der wir den Weg beschreiten?
Welche Antwort kann es beispielsweise auf eine Erschütterung des Vertrauens geben, auf gewalttätige Angriffe von innen wie von außen, die zuerst Gefühle des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht hervorrufen, im Anschluss Wut und den Wunsch nach Rache, später und etwas heruntergekühlt dann das Ziel, (wieder) „Herr der Lage“ zu werden (was bedeutet das eigentlich?).
Die Bundeswehr steht nach ihren Engagements im Kosovo und in Afghanistan vor dem dritten Kampfeinsatz in ihrer Geschichte. Gestern wurde bekanntgegeben, dass Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado zur Unterstützung Frankreichs bei den Luftschlägen gegen die Terrormiliz IS geschickt werden sollen. (Quelle: tagesschau.de)
Ist Gewalt die einzige Option?
In den Tagen nach den Anschlägen in Paris wurde auch wieder Jens Stoltenberg zitiert, der norwegische Ministerpräsident, der in seiner Rede beim Trauergottesdienst für die Opfer der Breivik-Attentate unter anderem folgende Sätze sagte, die zugleich die Essenz seiner Rede darstellen:
"Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit."
Wie lässt sich eine solche Antwort voller Überzeugung formulieren und dann auch leben?
Ich möchte nicht aufhören, darüber nachzudenken.
***
Was Jens Stoltenberg sagte, erinnert mich auch an einen Song von Oasis:„Don‘Look Back in Anger“. Darin beziehen sie sich unter anderem auf die Bed-ins von John Lennon und Yoko Ono, und zwar mit folgendem Satz, der angeblich ein Zitat Lennons während eines Bed-ins darstellt:
„I'm gonna start a revolution from my bed / 'Cause you said the brains I had went to my head "Ich mag dieses Lied, man kann es – wie „Give Peace a Chance“ – wunderbar laut und friedlich mitsingen, deshalb:
Donnerstag, 26. November 2015
Einmal wohnten wir eine Ewigkeit lang ...
Einmal wohnten wir eine Ewigkeit lang zwischen den Laken, verließen sie nur hin und wieder für die nötigsten Verrichtungen. Der Sommer (Es war doch Sommer?) wehte durchs offene Fenster herein, nachts besuchten uns allerlei märchenhafte Wesen. Ich höre noch immer ihr zärtliches Raunen. Wir waren eingehüllt in Salz und Seide. Tag und Nacht wechselten sich ab, ohne dass die Zeit verging. Das tat sie erst wieder, nachdem wir in einen kleinen Streit geraten waren. Du wolltest unseren Rausch unterbrechen, um ... Ja, warum eigentlich? Ich weiß es nicht mehr. Ich sagte noch, tu‘s nicht, aber da tickte die Uhr bereits. Wir wachten auf aus etwas, das kein Schlaf gewesen war und auch kein Traum, wachten für immer daraus auf.
Ich erzähle dir das, weil du dich nicht mehr daran erinnern willst, weil du sagst, du seist in der Realität angekommen und wollest dort bleiben. Dein für immer schmerzt. Ich weiß nicht, irgendwie spüre ich noch den Nachtwind und die seidigen Laken, spüre auch deine Hand noch und wie sanft und fordernd sie war. Ganz anders als die Hand, die eben versehentlich meinen Arm streifte, als du an mir vorüber in dein Zimmer gingst.
Ich erzähle dir das, weil du dich nicht mehr daran erinnern willst, weil du sagst, du seist in der Realität angekommen und wollest dort bleiben. Dein für immer schmerzt. Ich weiß nicht, irgendwie spüre ich noch den Nachtwind und die seidigen Laken, spüre auch deine Hand noch und wie sanft und fordernd sie war. Ganz anders als die Hand, die eben versehentlich meinen Arm streifte, als du an mir vorüber in dein Zimmer gingst.
Mittwoch, 25. November 2015
Schritte ins Jetzt (Fragment)
Der unbezwingbare Wunsch – manchmal – nirgends zu sein. Und da dann ganz. Wellen schlagen dir eine Richtung vor. (Du kannst ja schwimmen, deshalb gibt es Optionen.) Der Wind? An den lehnst du dich, stark wie er. Wer braucht da noch einen Fels? Erzähl ihnen von der Balance auf beweglichem Grund. Erzähl ihnen vom Vertrauen in alles, das weit ist. Überhaupt: Weite (und kein Punkt dahinter) Wäre da eine Hand, die nach deiner greift, sie müsste folgendes wissen: Es gibt keinen vorgezeichneten Weg, nur einzelne Schritte ins Jetzt.
Dienstag, 24. November 2015
Champagner und Rosen (Gewissensfragen)
Auf der Suche nach einer angemessenen Reaktion nicht die eine, sondern viele mögliche finden. Alle haben ihre Berechtigung, möchte ich glauben, die leisen wie die lauten, die intellektuellen, die pragmatischen, die naiven, die unsicheren, die kleinen und großen, die langsamen und die – hm, die schnellen auch?, die fast überstürzt scheinenden? Nicht alles last sich nachträglich korrigieren, also vielleicht doch etwas mehr Bedacht bei Reaktionen mit endgültiger Wirkung? Fragen, Fragen, Fragen ...
Derweil:
Champagner!
Titelbild der Ausgabe vom 18. November 2015 |
und Rosen!
Du hebst den Stein
Ich pflücke die Rose
Du holst weit aus
Ich strecke den Arm
Du wirfst den Stein
Ich reiche die Rose
Du triffst mich nicht
Aber ich treffe dich
Montag, 23. November 2015
Zeichensetzen (Meta)
Eben stieß ich über mehrere Querverweise auf den Artikel Ein Zeichen setzen bei Holio, der mich dazu bewegte, über das Thema Zeichensetzen, speziell nach den Anschlägen in Paris, nachzudenken. Ich schrieb einen Kommentar unter seinen Artikel und stellte während meines Schreibens fest, dass ich von einer konkreten Reaktion auf einen Abschnitt in seinem Artikel mehr und mehr zu einem assoziierenden Nachdenken über meine eigenen Beweggründe hindriftete. Deshalb kopiere ich meinen Kommentar zusätzlich als eigenen Post hier herüber:
„Sie schreiben: „Bei Zeichen stellen sich Fragen.“ und fragen: „An wen richtet sich das Zeichen?“ und stellen ein paar Antwortmöglichkeiten vor: Terroristen (die aber weniger, sagen Sie), Medien, nähere Umgebung, als Ausdruck der Trauer (an wen gerichtet, sagen Sie da nicht).
Ich stelle mir auch Fragen zu den verschiedenen Zeichen, auch und vor allem zu denen, die ich selbst setze. (Kann ich, will ich, soll ich, darf ich, muss ich?) Die Frage, die ich mir dabei bisher nicht gestellt habe, ist die nach einem Adressaten. Deshalb verblüfft sie mich im ersten Moment, als ich sie hier bei Ihnen lese. Und ich überprüfe dann doch noch einmal meine Motivation, denn klar, das Zeichen, das ich setze, geht ja nach außen, wird sichtbar für jeden, der hinsieht. Beabsichtigt oder unbeabsichtigt?
Die Ereignisse in Paris begleiten mich seit ich davon erfuhr in meinem Denken und Tun. Ich schrieb darüber ( http://iris-bluetenblaetter.blogspot.de/2015/11/koln-paris-koln-oder-jetzt-erst-recht.html ), persönlich und ohne Manifestcharakter, mehr in dem Sinn eines Entwicklungsschritts, dem mit Sicherheit weitere folgen werden. Während ich für mich zu einer „Jetzt erst recht“-Haltung kam, war mein Blick auf Paris und auf mein Inneres gerichtet, nicht auf einen möglichen Adressaten. Das Gefühl, meine Haltung der Welt zeigen zu müssen, kam später dazu, aber auch da ohne einen bestimmten Adressaten im Blick. Der Gedanke dahinter vor allem, dass ich es mir selbst schulde und – vielleicht etwas abstrakt – den Werten, die mir wichtig sind. Und eigentlich zeige ich es damit dann allen. Alle, die hinsehen, sollen sehen, was ich denke. Ich verstecke es/mich nicht.
Es klingt vielleicht nach einem unwesentlichen Unterschied in der Motivation, am Ergebnis kaum abzulesen, für mich aber doch bedeutend. Denn einen Adressaten im Blick zu haben, würde meine Beweggründe verwässern, würde mein Zeichensetzen, würde mein Reden und Schreiben beeinflussen, es wäre auf Wirkung ausgerichtet. Es wäre wie das Überstreifen einer (öffentlichkeitswirksamen) Maske. Ohne die Ausgerichtetheit auf einen Adressaten ist es aber genau das Gegenteil, nämlich das Ablegen einer Maske. Gesicht zeigen, das ist wohl das eigentliche Zeichen.
[...]“
Ich stelle mir auch Fragen zu den verschiedenen Zeichen, auch und vor allem zu denen, die ich selbst setze. (Kann ich, will ich, soll ich, darf ich, muss ich?) Die Frage, die ich mir dabei bisher nicht gestellt habe, ist die nach einem Adressaten. Deshalb verblüfft sie mich im ersten Moment, als ich sie hier bei Ihnen lese. Und ich überprüfe dann doch noch einmal meine Motivation, denn klar, das Zeichen, das ich setze, geht ja nach außen, wird sichtbar für jeden, der hinsieht. Beabsichtigt oder unbeabsichtigt?
Die Ereignisse in Paris begleiten mich seit ich davon erfuhr in meinem Denken und Tun. Ich schrieb darüber ( http://iris-bluetenblaetter.blogspot.de/2015/11/koln-paris-koln-oder-jetzt-erst-recht.html ), persönlich und ohne Manifestcharakter, mehr in dem Sinn eines Entwicklungsschritts, dem mit Sicherheit weitere folgen werden. Während ich für mich zu einer „Jetzt erst recht“-Haltung kam, war mein Blick auf Paris und auf mein Inneres gerichtet, nicht auf einen möglichen Adressaten. Das Gefühl, meine Haltung der Welt zeigen zu müssen, kam später dazu, aber auch da ohne einen bestimmten Adressaten im Blick. Der Gedanke dahinter vor allem, dass ich es mir selbst schulde und – vielleicht etwas abstrakt – den Werten, die mir wichtig sind. Und eigentlich zeige ich es damit dann allen. Alle, die hinsehen, sollen sehen, was ich denke. Ich verstecke es/mich nicht.
Es klingt vielleicht nach einem unwesentlichen Unterschied in der Motivation, am Ergebnis kaum abzulesen, für mich aber doch bedeutend. Denn einen Adressaten im Blick zu haben, würde meine Beweggründe verwässern, würde mein Zeichensetzen, würde mein Reden und Schreiben beeinflussen, es wäre auf Wirkung ausgerichtet. Es wäre wie das Überstreifen einer (öffentlichkeitswirksamen) Maske. Ohne die Ausgerichtetheit auf einen Adressaten ist es aber genau das Gegenteil, nämlich das Ablegen einer Maske. Gesicht zeigen, das ist wohl das eigentliche Zeichen.
[...]“
Ich bin tatsächlich dankbar für den Anstoß, denn ich finde das Nachdenken über meine Beweggründe wichtig. Mir bedeutet es viel, nicht für jemanden zu schreiben, sondern aus mir. Wer regelmäßig hier liest, weiß das vielleicht, ich thematisiere es in regelmäßigen Abständen. Inwieweit mir das tatsächlich gelingt sei dahingestellt, ich lebe ja nicht in einem bezugslosen Raum. Es ist nur so, dass dieses Schreiben (und Reden und Handeln) nicht für jemanden, sondern aus mir heraus, für mich ein wesentliches Kriterium für Aufrichtigkeit ist. Und nur diese, glaube ich, bringt mich und uns weiter. Nicht zuletzt deshalb weil sie immer auch die Vorläufigkeit alles Denkens erkennt, die Möglichkeit des Irrens und Scheiterns und die Notwendigkeit des inneren und äußeren Dialogs.
Und raus damit.
(Metameta: Manchmal frage ich mich, ob Metatexte nicht sogar die eigentlichen Texte sind ...)
(Metameta: Manchmal frage ich mich, ob Metatexte nicht sogar die eigentlichen Texte sind ...)
Samstag, 21. November 2015
Du Land (Was nun?)
In den Krieg ziehen?
Liebesgedichte schreiben?
Ich sehe dich an, inneres Land, das du weit bist und schön und alt und verwüstet.
Ich sehe dich an und denke an das andere Land, das äußere, das ebenfalls weit ist und schön und alt und ach so verwüstet. Liegt da in Trümmern, trinkt das Blut von so vielen, so so vielen, schluckt das Lachen, das Weinen, frisst das Leben, die Liebe. Liegt da und schluckt und frisst und kann nichts dafür.
Ich sehe dich an, Land, das du weit bist und weit weg und fremd und sehe dich an, Land, das du nah bist und vertraut und sehe dich an, Land, das du innen liegst, so weit und durstig und salzig von den Tränen derer, die du nie gekannt.
Ich sehe dich an, Land, und ich verstehe nicht und ich weiß nicht, wie und was und ob und wohin und wozu.
Du Land, meine Worte sind zu nichts nütze, sind kein Schutz und kein Schild, sind kein Stein und sind keine Rose, sind, so scheint es mir, noch nicht einmal wirklich Wort, sind leer und sind dennoch das Einzige, das ich habe außer meiner Trauer, meiner Wut, meinem Trotz, meinem „Jetzt erst recht!“.
In den Krieg ziehen?
Ja, wenn es ein anderer ist als der, den du kennst, den du oh zur Genüge kennst.
Liebesgedichte schreiben?
Wenn dir ein Stammeln Beweis genug ist.
Manchmal gibt es keine Worte, aber auch die wollen hinaus.
Liebesgedichte schreiben?
Ich sehe dich an, inneres Land, das du weit bist und schön und alt und verwüstet.
Ich sehe dich an und denke an das andere Land, das äußere, das ebenfalls weit ist und schön und alt und ach so verwüstet. Liegt da in Trümmern, trinkt das Blut von so vielen, so so vielen, schluckt das Lachen, das Weinen, frisst das Leben, die Liebe. Liegt da und schluckt und frisst und kann nichts dafür.
Ich sehe dich an, Land, das du weit bist und weit weg und fremd und sehe dich an, Land, das du nah bist und vertraut und sehe dich an, Land, das du innen liegst, so weit und durstig und salzig von den Tränen derer, die du nie gekannt.
Ich sehe dich an, Land, und ich verstehe nicht und ich weiß nicht, wie und was und ob und wohin und wozu.
Du Land, meine Worte sind zu nichts nütze, sind kein Schutz und kein Schild, sind kein Stein und sind keine Rose, sind, so scheint es mir, noch nicht einmal wirklich Wort, sind leer und sind dennoch das Einzige, das ich habe außer meiner Trauer, meiner Wut, meinem Trotz, meinem „Jetzt erst recht!“.
In den Krieg ziehen?
Ja, wenn es ein anderer ist als der, den du kennst, den du oh zur Genüge kennst.
Liebesgedichte schreiben?
Wenn dir ein Stammeln Beweis genug ist.
Manchmal gibt es keine Worte, aber auch die wollen hinaus.
Donnerstag, 19. November 2015
In erster Linie Mensch – vom humanistischen Eigensinn
Gestern ging durch Facebook wieder einmal Jürgen Todenhöfers „Offener Brief an den Kalifen des [sogenannten] IS Abu Bakr al Baghdadi“ vom 3.Mai 2015, hier nachzulesen. In seinem Brief erklärt Todenhöfer dem Kalifen den Islam und warum die Aktionen des [sog.] IS zutiefst antiislamisch sind.
Warum nervt mich das?
Es gibt derlei Erklärungsansätze zuhauf. Sie stören mich nicht, wenn sie von Muslimen kommen und zu einer innerislamischen Diskussion und weiter zu einem klaren Signal an die Gesellschaft führen, in dem man sich von Gewalt und dem vermeintlichen Aufruf des Koran zu einem Glaubenskrieg distanziert. Das finde ich hilfreich, und ich bin dankbar, wenn eine solche öffentliche Erklärung erfolgt. Einen Anspruch darauf gibt es nicht. Deshalb nochmals: Danke. Zum Beispiel für Aktionen wie diese.
Meiner Ansicht nach lässt sich das in sich geschlossene System, das jede Religion darstellt, aber nicht öffnen, indem man sich von außen hineinbegibt und dann selbst innerhalb der vorgegebenen Grenzen diskutiert. Vielmehr muss von den Religionen, und zwar von allen, verlangt werden, sich ihrerseits einer übergeordneten Argumentation zu öffnen und die Verbindlichkeit zumindest der Regeln des Staates, in dem ihre Mitglieder leben, als primäres Gesetz anzuerkennen. Dass dies ein Spannungsfeld erzeugt, zumindest dann, wenn es sich um eine tiefe religiöse Überzeugung handelt, ist klar. Hier ist das Individuum gefragt. Und die Einsicht, dass wir alle in erster Linie Menschen sind.
Wir können uns, davon bin ich überzeugt, nur auf Augenhöhe begegnen, wenn wir dies als – im übertragenen Sinne – nackte Menschen tun, dem Gesetz von Geburt und Tod unterworfen, für eine begrenzte Zeit auf dem Planeten Erde lebend. Darin sind wir uns gleich. Alle.
Ich möchte von niemandem eine Diskussion über seine/ihre Religion aufgezwungen bekommen, darüber, welche Regeln in dieser Religionsgemeinschaft existieren und welche nicht und ob diese allgemeingültig sind und deshalb missionarische Tätigkeit nach sich ziehen. Dies alles interessiert mich ausschließlich im Zusammenhang mit der ebenbürtigen (freundschaftlichen) Beziehung zu einem Menschen, an dessen Leben und Denken ich aufgrund der freiwillgen Bindung natürlich teilhaben möchte.
Ich habe keine Lust, den Koran oder sonstige religiöse/„heilige“ Schriften zu studieren, um Argumente für eine Diskussion über Freiheitsrechte zu sammeln. Die Grundlage unseres Zusammenlebens ist eine andere, nämlich unsere Verfassung, sprich das Grundgesetz. Dieses gilt vollumfänglich und nichts darüber hinaus.
Ich wünsche mir sehr eine echte laizistische Gesellschaft.
Und bestehe ansonsten auf meinem humanistischen Eigensinn.
Warum nervt mich das?
Es gibt derlei Erklärungsansätze zuhauf. Sie stören mich nicht, wenn sie von Muslimen kommen und zu einer innerislamischen Diskussion und weiter zu einem klaren Signal an die Gesellschaft führen, in dem man sich von Gewalt und dem vermeintlichen Aufruf des Koran zu einem Glaubenskrieg distanziert. Das finde ich hilfreich, und ich bin dankbar, wenn eine solche öffentliche Erklärung erfolgt. Einen Anspruch darauf gibt es nicht. Deshalb nochmals: Danke. Zum Beispiel für Aktionen wie diese.
Meiner Ansicht nach lässt sich das in sich geschlossene System, das jede Religion darstellt, aber nicht öffnen, indem man sich von außen hineinbegibt und dann selbst innerhalb der vorgegebenen Grenzen diskutiert. Vielmehr muss von den Religionen, und zwar von allen, verlangt werden, sich ihrerseits einer übergeordneten Argumentation zu öffnen und die Verbindlichkeit zumindest der Regeln des Staates, in dem ihre Mitglieder leben, als primäres Gesetz anzuerkennen. Dass dies ein Spannungsfeld erzeugt, zumindest dann, wenn es sich um eine tiefe religiöse Überzeugung handelt, ist klar. Hier ist das Individuum gefragt. Und die Einsicht, dass wir alle in erster Linie Menschen sind.
Wir können uns, davon bin ich überzeugt, nur auf Augenhöhe begegnen, wenn wir dies als – im übertragenen Sinne – nackte Menschen tun, dem Gesetz von Geburt und Tod unterworfen, für eine begrenzte Zeit auf dem Planeten Erde lebend. Darin sind wir uns gleich. Alle.
Ich möchte von niemandem eine Diskussion über seine/ihre Religion aufgezwungen bekommen, darüber, welche Regeln in dieser Religionsgemeinschaft existieren und welche nicht und ob diese allgemeingültig sind und deshalb missionarische Tätigkeit nach sich ziehen. Dies alles interessiert mich ausschließlich im Zusammenhang mit der ebenbürtigen (freundschaftlichen) Beziehung zu einem Menschen, an dessen Leben und Denken ich aufgrund der freiwillgen Bindung natürlich teilhaben möchte.
Ich habe keine Lust, den Koran oder sonstige religiöse/„heilige“ Schriften zu studieren, um Argumente für eine Diskussion über Freiheitsrechte zu sammeln. Die Grundlage unseres Zusammenlebens ist eine andere, nämlich unsere Verfassung, sprich das Grundgesetz. Dieses gilt vollumfänglich und nichts darüber hinaus.
Ich wünsche mir sehr eine echte laizistische Gesellschaft.
Und bestehe ansonsten auf meinem humanistischen Eigensinn.
„Humanistischer Eigensinn ist das Bestehen auf persönlicher Urteilskraft gegenüber weltanschaulichen, wissenschaftlichen oder religiösen Wahrheitsansprüchen.
Wissenschaft und Kultur unterliegen vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Interessen. Ihr humanistischer Sinn aber besteht immer darin, das Leben auf der Erde so gut wie eben möglich zu gestalten.
Dabei gehört es zum humanistischen Eigensinn, sich stets ein persönliches Urteil vorzubehalten: Gegenüber jedweder weltanschaulichen oder religiösen Dogmatik, gegenüber diesem oder jenem modischen Meinungstrend und auch gegenüber den Wahrheitsansprüchen wissenschaftlicher Ergebnisse. Das Engagement für humanistische Überzeugungen und humanistische Praxis ist neben einer rationalen immer auch eine sehr persönliche – emotionale und sinnliche – Haltung zur Welt.
Humanistische Verantwortung bedeutet, eine Entscheidung für oder gegen etwas letztlich selbst verantworten zu müssen. Weltanschauungen, Religionen, naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten, überlieferte Texte oder kulturellen Traditionen können einem diese Verantwortung nicht abnehmen. Auch die Berufung auf eine humanistische Überzeugung entbindet nicht von eigenständiger ethischer Reflexion und eigenverantwortlichen Entscheidungen. Dies ist ein ständiger Prozess, der auch für unser Humanistisches Selbstverständnis gilt.“
(aus dem Entwurf des Humanistischen Verbandes Deutschlands HVD zum Humanistischen Selbstverständnis)
Montag, 16. November 2015
Köln – Paris – Köln oder: Jetzt erst recht!
Vier Tage, 12.11. bis 15.11. in meiner Heimatstadt Köln verbracht. In verschiedenen Ausstellungen* gewesen, im Kino** und in einem Friedenskonzert***, durch die Viertel gebummelt, am Rhein entlang spaziert, Brücken überquert, in Kneipen und Brauhäusern gesessen und gegessen, mein Leben, meine bisherigen und zukünftigen Wege überdacht. Wie immer, wenn ich unterwegs bin, gerät etwas in Bewegung.
Am Samstag früh noch im Hotelbett die Nachrichten gesehen, erschrocken und geweint. Gewohnheitsmäßig Twitter an: Alles hat seine Berechtigung, jeder Ausdruck. Die hilflosen, die unbeholfenen, die danebengreifenden sind für mich die ehrlichsten. Trotzdem ertrage ich sie nicht. Nicht in der Vielzahl. Noch weniger ertrage ich die vermeintlich klugen, die erklärenden, die, die schon die ersten Kommentare kommentieren, die alles besser wissen. Ich will keinen kritisieren, muss mir das aber nicht antun. Also Twitter wieder aus.
Anschließend Überdenken meines Plans für den Tag: Joan Mitchell-Retrospektive im Museum Ludwig. Kann ich das jetzt? Will ich? Darf ich angesichts des Terrors? Schnell komme ich zu dem Schluss: Jetzt erst recht! Ich weigere mich, mit Angst, Rückzug und Hass zu reagieren. Keine Macht dem Terror.
Also mache ich mich auf den Weg und muss dafür nicht ausblenden, was in Paris geschehen ist, sondern nehme es mit. Das entwickelt für mich eine ganz besondere Dynamik an diesem Tag, weitet meinen Blick. Unter anderem für die Bedeutung von Kunst.
Ganz abgesehen davon, dass ich Joan Mitchell einfach großartig finde. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ihre Bilder eine Offenbarung für mich sind. Ich habe seitenweise Notizen dazu gemacht. Vielleicht stelle ich sie irgendwann in geordneter Form hier ein. Die Retrospektive ist umfassend, absolut ansprechend präsentiert, abgerundet durch Archivmaterial und Filme. Sie läuft bis 21. Februar 2016. Empfehlung!
Am Ende der Ausstellung haben Besucher die Möglichkeit, sich in einem Atelier selbst an abstrakter Malerei zu versuchen, behutsam angeleitet und anhand verschiedener kleiner Anregungen. Das sagt mir spontan zu, jagt mir im zweiten Moment aber Angst ein (Ich kann doch gar nicht malen! etc.), so dass ich der freundlichen Betreuerin des Ateliers sage, ich käme lieber eventuell ein andermal, „Auf Wiedersehen!“, um nach drei Schritten zurückzukehren, immer noch das Motto „Jetzt erst recht!“ im Kopf, dem ersten Impuls zu folgen, die Angst zu ignorieren, sie ist ein schlechter Ratgeber, die Freiheit zu nutzen zu tun, was ich will und wozu sich die Möglichkeit bietet. Nichts auslassen. Jetzt erst recht.
Ich war schon früh im Museum, gleich als es öffnete, und hatte dadurch viel Raum für mich beim Betrachten der Bilder. War dann auch die erste Besucherin des Ateliers. Und die erste, die ihre fertigen Bilder in den dafür vorgesehenen Raum hängte (ich hätte sie auch mitnehmen können, wollte aber gerne Teil des Ganzen sein, und hab sie nur mit dem Handy abfotografiert). Das Ganze fühlte sich so gut an. Vielleicht ein Stück Selbsttherapie? Ach, das muss nicht alles analysiert werden. Ans Licht mit den unbekannten Seiten! Jetzt erst recht.
Thanks to Joan Mitchell for her inspiring work!
Am Abend das Konzert in der St. Agnes Kirche: „In Terra Pax“, eine Gedenkveranstaltung zu 70 Jahre Frieden, also Rückblick einerseits und gleichzeitig Blick in die Zukunft in der Formulierung des Wunsches nach und des Willens zum Frieden.
Ein schönes Konzert, vorgetragen vom Europäischen Kammerchor Köln unter Leitung von Michael Reif. Gerahmt von guten Vorträgen des Leiters des NS-Dokumentationszentrums Köln, Dr. Werner Jung, und dem Leiter des Friedensbildungswerks Köln, Roland Schüler.
Wie passend diese Veranstaltung ausgerechnet an diesem Tag.
Natürlich wurden die Ereignisse in Paris angesprochen, gab es eine Schweigeminute, war das ganze Konzert auch Ausdruck der Solidarität mit den Opfern des Terrors.
Das war eine gute, angemessene Veranstaltung.
Apropos „angemessen“: Wie reagiert man, reagiere ich angemessen auf die furchtbaren Morde in Paris und auf den Terror weltweit? Schlagartig entzünden sich ja immer die Metadiskussionen zu dieser Frage. Im Netz nervt mich das tierisch, inzwischen reagiere ich mit Abschalten. Ich weiß nicht, ob sich diese Frage eindeutig beantworten lässt. Was heißt denn „angemessen“? Ich denke für mich darüber nach und bin an diesem Wochenende, wiederum nur für mich, zu einer Antwort gekommen, die ich seitdem fast mantramäßig in mir trage: Jetzt erst recht. Die Freiheit, die mir mein Staat schriftlich garantiert, nicht nur theoretisch kennen, sondern praktisch leben. Weil ich sie damit zugleich verteidige.
Seit gestern bin ich zurück. Alltag? Irgendwie schon. Aber Paris ist in allem gegenwärtig.
* Schalcken im Wallraf-Richartz-Museum
Madonna trifft Uma, eine Kooperation der Museen Schnütgen und Rautenstrauch-Joest
Joan Mitchell Retrospective im Museum Ludwig
** Familienfest im Odeon, meinem Lieblingskino in Köln
*** In Terra Pax in der St. Agnes Kirche
Nachtrag am Abend: Astrid vom Le Monde de Kitchi-Blog hat in ihrer Reihe Great Women schon mal einen Artikel über Joan Mitchell geschrieben, sehr lesenswert und mit einigen von Mitchells Bildern.
Am Samstag früh noch im Hotelbett die Nachrichten gesehen, erschrocken und geweint. Gewohnheitsmäßig Twitter an: Alles hat seine Berechtigung, jeder Ausdruck. Die hilflosen, die unbeholfenen, die danebengreifenden sind für mich die ehrlichsten. Trotzdem ertrage ich sie nicht. Nicht in der Vielzahl. Noch weniger ertrage ich die vermeintlich klugen, die erklärenden, die, die schon die ersten Kommentare kommentieren, die alles besser wissen. Ich will keinen kritisieren, muss mir das aber nicht antun. Also Twitter wieder aus.
Anschließend Überdenken meines Plans für den Tag: Joan Mitchell-Retrospektive im Museum Ludwig. Kann ich das jetzt? Will ich? Darf ich angesichts des Terrors? Schnell komme ich zu dem Schluss: Jetzt erst recht! Ich weigere mich, mit Angst, Rückzug und Hass zu reagieren. Keine Macht dem Terror.
Also mache ich mich auf den Weg und muss dafür nicht ausblenden, was in Paris geschehen ist, sondern nehme es mit. Das entwickelt für mich eine ganz besondere Dynamik an diesem Tag, weitet meinen Blick. Unter anderem für die Bedeutung von Kunst.
Ganz abgesehen davon, dass ich Joan Mitchell einfach großartig finde. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ihre Bilder eine Offenbarung für mich sind. Ich habe seitenweise Notizen dazu gemacht. Vielleicht stelle ich sie irgendwann in geordneter Form hier ein. Die Retrospektive ist umfassend, absolut ansprechend präsentiert, abgerundet durch Archivmaterial und Filme. Sie läuft bis 21. Februar 2016. Empfehlung!
Am Ende der Ausstellung haben Besucher die Möglichkeit, sich in einem Atelier selbst an abstrakter Malerei zu versuchen, behutsam angeleitet und anhand verschiedener kleiner Anregungen. Das sagt mir spontan zu, jagt mir im zweiten Moment aber Angst ein (Ich kann doch gar nicht malen! etc.), so dass ich der freundlichen Betreuerin des Ateliers sage, ich käme lieber eventuell ein andermal, „Auf Wiedersehen!“, um nach drei Schritten zurückzukehren, immer noch das Motto „Jetzt erst recht!“ im Kopf, dem ersten Impuls zu folgen, die Angst zu ignorieren, sie ist ein schlechter Ratgeber, die Freiheit zu nutzen zu tun, was ich will und wozu sich die Möglichkeit bietet. Nichts auslassen. Jetzt erst recht.
Ich war schon früh im Museum, gleich als es öffnete, und hatte dadurch viel Raum für mich beim Betrachten der Bilder. War dann auch die erste Besucherin des Ateliers. Und die erste, die ihre fertigen Bilder in den dafür vorgesehenen Raum hängte (ich hätte sie auch mitnehmen können, wollte aber gerne Teil des Ganzen sein, und hab sie nur mit dem Handy abfotografiert). Das Ganze fühlte sich so gut an. Vielleicht ein Stück Selbsttherapie? Ach, das muss nicht alles analysiert werden. Ans Licht mit den unbekannten Seiten! Jetzt erst recht.
Thanks to Joan Mitchell for her inspiring work!
Am Abend das Konzert in der St. Agnes Kirche: „In Terra Pax“, eine Gedenkveranstaltung zu 70 Jahre Frieden, also Rückblick einerseits und gleichzeitig Blick in die Zukunft in der Formulierung des Wunsches nach und des Willens zum Frieden.
Ein schönes Konzert, vorgetragen vom Europäischen Kammerchor Köln unter Leitung von Michael Reif. Gerahmt von guten Vorträgen des Leiters des NS-Dokumentationszentrums Köln, Dr. Werner Jung, und dem Leiter des Friedensbildungswerks Köln, Roland Schüler.
Wie passend diese Veranstaltung ausgerechnet an diesem Tag.
Natürlich wurden die Ereignisse in Paris angesprochen, gab es eine Schweigeminute, war das ganze Konzert auch Ausdruck der Solidarität mit den Opfern des Terrors.
Das war eine gute, angemessene Veranstaltung.
Apropos „angemessen“: Wie reagiert man, reagiere ich angemessen auf die furchtbaren Morde in Paris und auf den Terror weltweit? Schlagartig entzünden sich ja immer die Metadiskussionen zu dieser Frage. Im Netz nervt mich das tierisch, inzwischen reagiere ich mit Abschalten. Ich weiß nicht, ob sich diese Frage eindeutig beantworten lässt. Was heißt denn „angemessen“? Ich denke für mich darüber nach und bin an diesem Wochenende, wiederum nur für mich, zu einer Antwort gekommen, die ich seitdem fast mantramäßig in mir trage: Jetzt erst recht. Die Freiheit, die mir mein Staat schriftlich garantiert, nicht nur theoretisch kennen, sondern praktisch leben. Weil ich sie damit zugleich verteidige.
Seit gestern bin ich zurück. Alltag? Irgendwie schon. Aber Paris ist in allem gegenwärtig.
* Schalcken im Wallraf-Richartz-Museum
Madonna trifft Uma, eine Kooperation der Museen Schnütgen und Rautenstrauch-Joest
Joan Mitchell Retrospective im Museum Ludwig
** Familienfest im Odeon, meinem Lieblingskino in Köln
*** In Terra Pax in der St. Agnes Kirche
***
Nachtrag am Abend: Astrid vom Le Monde de Kitchi-Blog hat in ihrer Reihe Great Women schon mal einen Artikel über Joan Mitchell geschrieben, sehr lesenswert und mit einigen von Mitchells Bildern.
Freitag, 13. November 2015
Weil Herbst ist ...
... fällt mir plötzlich das wieder ein:
Ganz schön herbstlich. Fallen, das; zu fallen. Könnte ein Thema sein wie die Schatten. Wenn ich nicht so träge/müde wäre gerade. Auch das irgendwie herbstlich. Melancholie. Melancholie? Würde gerne wieder mehr schreiben. Hätte Lust auf ein/dieses Thema. Will mich nicht festlegen, tue ich zu oft, hält nie lange, liegt mir nicht, diese Selbstverpflichtung (nur manchmal, in den wirklich wichtigen Zusammenhängen). Bin ein Blatt im Wind, bewegt, kein Stein. Wäre manchmal gerne einer.
Belanglosigkeiten. Hätte genauso gut schreiben können: Es gibt mich noch.
Schluss mit diesen trüben Gedanken. Habe vier freie Tage. Bin unterwegs, hier (Blatt im Wind oder Rolling Stone?). Heute: Museum und Brauhaus und Museum. Das ist der Plan. So.
Wie ich auf einmal falle, in alles falle ohne Unterlass und nicht mehr sein will ohne dieses Fallen, und ist doch gar kein Herbst - fall - autumn, harvest, fall - to fall - nein: fallen, wirklich fallen ließ ich mich im Frühling - spring - to spring, sprang, sprung - I sprang from your wholehearted gaze - entspringe neu in diesem Fallen, entspringe neu und sehend deinem Blick - bleibst du, wenn schließlich alles um uns fällt? -Es entstammt diesem Zusammenhang: Fallen (aus To Save a Nightingale)
Ganz schön herbstlich. Fallen, das; zu fallen. Könnte ein Thema sein wie die Schatten. Wenn ich nicht so träge/müde wäre gerade. Auch das irgendwie herbstlich. Melancholie. Melancholie? Würde gerne wieder mehr schreiben. Hätte Lust auf ein/dieses Thema. Will mich nicht festlegen, tue ich zu oft, hält nie lange, liegt mir nicht, diese Selbstverpflichtung (nur manchmal, in den wirklich wichtigen Zusammenhängen). Bin ein Blatt im Wind, bewegt, kein Stein. Wäre manchmal gerne einer.
Belanglosigkeiten. Hätte genauso gut schreiben können: Es gibt mich noch.
Schluss mit diesen trüben Gedanken. Habe vier freie Tage. Bin unterwegs, hier (Blatt im Wind oder Rolling Stone?). Heute: Museum und Brauhaus und Museum. Das ist der Plan. So.
Sonntag, 8. November 2015
(vom Worthunger) Beflügelungen ...
... durch die Worte der anderen
hier („Immer“ von Tikerscherk)
und hier („Sandsteinburg“ von Michael Perkampus)
und hier („Niemand kann jemand sein. Mein Zimmer für mich allein...“ von Jutta Pivecka)
und hier („Fremdkörper“ von Phyllis Kiehl) *
Die machen was mit mir, diese vollen Texte. Und ich lass sie machen, setze mich aus, verzichte auf kritische Distanz. Weil ich hungrig bin. Also spreche ich hier nicht nur eine nüchterne Empfehlung aus, sondern schreibe, wie immer, auch von mir.
hier („Immer“ von Tikerscherk)
und hier („Sandsteinburg“ von Michael Perkampus)
und hier („Niemand kann jemand sein. Mein Zimmer für mich allein...“ von Jutta Pivecka)
und hier („Fremdkörper“ von Phyllis Kiehl) *
Die machen was mit mir, diese vollen Texte. Und ich lass sie machen, setze mich aus, verzichte auf kritische Distanz. Weil ich hungrig bin. Also spreche ich hier nicht nur eine nüchterne Empfehlung aus, sondern schreibe, wie immer, auch von mir.
Diese Beflügelungen, diese inspirierenden Texte, die ich trinke wie Wasser und esse wie Brot, die ich verstoffwechsle, sie machen aus mir eine andere, eine mir Nähere, mehr mich ...
Ob das erlaubt ist, ein solch distanzaufhebendes, vereinnahmendes Lesen? Das frage ich mich nicht. Ich kann auch anders, ganz von außen, ohne Vermischung, mit kritisch distanziertem Blick, wertend. Kann ich. Tue ich. Oft oder meistens. Und manchmal ist es eben anders. Ist es so: distanzlos, aufsaugend, aus einem Hunger heraus oder aus purer Lust. Why not?
Das alles ist nur ein Bild. Ein anderes wäre: Da wächst mir etwas zu. (was mit Federn, oh ...)
Das alles ist nur ein Bild. Ein anderes wäre: Da wächst mir etwas zu. (was mit Federn, oh ...)
es wächst dir zu, wächst dir an, wächst in dich hinein und aus dir heraus
(nur fliegen musst du selbst)
Ich lese höre Texte. Die werfen Anker. Die strecken Wurzeln. Die sitzen dann fest. Und rühren in mir herum. Rühren etwas auf. Da fällt Staub ab. Und Schorf. Und schweres Tuch. Da rührt sich etwas in mir. Dieses Etwas, das Ich ist, greift nach den Wurzeln. Hält den Anker. Zieht an der Kette. Will. Schlingt sich hinein in das Durch-/Ein-/Vor-Dringende. Saugt daran. Streckt sich. Dringt selbst. Verwächst. Wächst. Hinaus! Bricht durch. Wird weiß von Licht. Fächert sich auf. Überlässt sich der Luft. Wächst weiter. Zu wissen. Zu kennen. Wohin? Keine Frage: Wiederholt: Hinaus! Das Ziel im Wachsen schaffend. Und dann: Eine Bewegung über das Wachsen hinaus: Ein Schritt. Ein Flügelschlag. Das, ja.
Es wächst dir zu. Fliegen musst du selbst.
Das Pathos des Notwendigen. Wasser und Brot. Ein Fest.
Die Worte der anderen und was sie mit mir machen (weil ich sie lasse).
* Tolle Texte finde ich an vielen Stellen. Wer sich durch meine Blogroll scrollt, kann da Verschiedenstes entdecken. Nachhaltig beeindruckt und beflügelt haben mich in den letzten Tagen/Wochen u.a. die oben verlinkten Texte aus den Blogs Kreuzberg Süd-Ost, Die Veranda, Gleisbauarbeiten, Tainted Talents.
Die Worte der anderen und was sie mit mir machen (weil ich sie lasse).
* Tolle Texte finde ich an vielen Stellen. Wer sich durch meine Blogroll scrollt, kann da Verschiedenstes entdecken. Nachhaltig beeindruckt und beflügelt haben mich in den letzten Tagen/Wochen u.a. die oben verlinkten Texte aus den Blogs Kreuzberg Süd-Ost, Die Veranda, Gleisbauarbeiten, Tainted Talents.
Freitag, 6. November 2015
Wo bin ich im Eigenen (ohne Punkt und Komma)
wo bin ich im Eigenen und gibt es das überhaupt frage ich angesichts des überalligen Fallens wie es nunmal üblich ist in dieser Jahreszeit die ich dennoch nie als trostlose bezeichnen würde habe sie früher gefeiert schrieb ich bereits Macht der Wiederholung nur nichts vergessen Rufer in der Wüste der Erinnerung Hier! Hier! wie weiter wie weiter wie weiter wie weiter écriture automatique en Dialoge üblicherweise die mir nicht bereits seit längerem folgen wird das verwirren was meint sie bloß egal darf man nachträglich Ausrufezeichen entfernen? und Frage Zeichen auch? und die Majuskeln oder sind solche Inkonsequenzen und Mischungen und Wertungen okay ganz okay nicht schlimm ja was denn nun ich finds chaotisch grade aber nur so gehts so muss das so wird das ordnet sich selbst von selbst schreibt sich in eine Ordnung hinein in eine echte Ordnung was wäre eine unechte Fragezeichen wer soll das lesen entziffern verstehen deuten wer soll sowas mögen aber darum gehts doch nicht aber warum schreibe ich dann öffentlich weil nur so auf der Bühne ist es echt ist das Lampenfieber da das die nötige Temperatur bringt nur so denke ich laut mir selbst in die Ohren und nicht immer stumm im kreis nur so gehts und lese ich nun doch mal über meinen Text und erschrecke stelle fest écrituere automatique ist ein ding der Unmöglichkeit wenn die autokorrektur sich einmischt Wörter verbessert wie sie will nicht lässt was ich an eingeschlichenen Rechtschreibfehlern drin habe und vor allem nicht die kleinschreibung lässt sondern eigenmächtig Großbuchstaben einfügt ha schon wieder es ist zum verzweifeln wie soll man da noch vernünftig scheitern wenn immer einer im Hintergrund nachbessert wie frage ich wie