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Sonntag, 19. Juli 2015

„Wir möchten mit Ihnen über Gott sprechen.“

Gestern hat ein Twitterer einen fünf Jahre alten Tweet von mir ausgegraben und retweetet. Seitdem macht er auf Twitter die Runde.  Damals gingen (und es gehen immer mal wieder) Minidialoge mit dem Ausgangssatz „Wir möchten mit Ihnen über Gott sprechen ...“ durch die Timeline. Mir fiel da spontan folgender Dialog ein:
„Wir möchten mit Ihnen über Gott sprechen.“
„Warum? Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?“
(Hier der Originaltweet )
Als ich ihn jetzt wieder gelesen habe, musste ich schmunzeln. Wie damals, als ich ihn verfasst habe. 

Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich über das Thema Gott keine Witze machen konnte. Eine Zeit, in etwa unterteilt in zehn Jahre und noch einmal zehn Jahre, in deren erster Hälfte ich Gott und Glaube und christliche Gemeinschaft sehr ernst genommen habe. Zu ernst. Ich habe mich damals für erleuchtet gehalten, war aber verblendet. Wir nannten es auch erweckt, waren aber in Wirklichkeit eingeschläfert. Eine fundamentalistische evangelikale Gemeinschaft war das. Eine Sekte. Und auch in den etwa zehn Jahren danach konnte ich noch nicht darüber lachen, nicht frei oder gar humorvoll mit dem Thema umgehen. Die Befreiung dauerte ungefähr so lang wie die Gefangenschaft. Das mag übertrieben drastisch formuliert klingen, entspricht aber exakt meinem Erleben. Wer selbst in einer solchen Situation war, wird das bestätigen können. 

Ich will aber hier und jetzt nicht über diese lang zurückliegende Zeit sprechen, habe schon viele Texte dazu verfasst, mal mehr, mal weniger direkt. Eigentlich dient ein großer Teil meines Schreibens der Aufarbeitung dieser Zeit. 

Mir wurde nur gestern beim Wiederlesen meines Tweets bewusst, wie wichtig es für mich ist und was für ein Zeichen eines [be]frei[t]en Geistes es für mich bedeutet, Witze über Gott machen zu können. Das Thema mit Humor und aus verschiedenen, auch auf den Kopf gestellten Winkeln zu beleuchten. Auch mal boshaft und respektlos sein zu können, ganz ohne Angst und auch ohne Groll ob der selbst erlittenen Bosheit und Respektlosigkeit. Keine Rachegelüste, die mich treiben. Darüber bin ich nicht nur längst hinaus, nein, das wäre mir auch zu primitiv. Es würde meinen Geist genauso beleidigen oder gar beschädigen wie die damals eingeimpfte Lehre. Nein, es geht mir wirklich und einzig um die ausgeübte Freiheit, die hinter einer solchen Form des Ausdrucks steht.

Ich habe mich dann auch gefragt, was wäre, wenn ich in meinem Tweet den Begriff Gott durch Allah oder Jahwe oder Jehova oder ... ersetzen würde ... Das weiterzudenken, überlasse ich Ihrer/Eurer Fantasie.

Die Freiheit des Geistes ist für mich das höchste Gut. Vielleicht wäre es anders, wenn ich Hunger leiden müsste oder in einem Kriegsgebiet wohnte oder in Gefangenschaft lebte. So aber ist meine Priorität klar.


„Wir möchten mit Ihnen über Gott sprechen.“
 „Okay. Dann machen Sie sich mal frei.“

4 Kommentare:

  1. Sich frei machen. Sehr schön! Und ein so langer Weg.

    Auch für mich ist die Freiheit des Geistes eines der höchsten Güter.

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    1. Ein langer Weg, ja. Und ein lohnender.
      Nicht wenige gehen für diese Freiheit ins Gefängnis.
      Manchmal frage ich mich, ob man sie erst dann richtig zu schätzen weiß, wenn man weiß oder erfahren hat, dass sie einem auch genommen werden kann.

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    2. Wahrscheeinlich ist da so.
      Das Bild an der Wand fällt erst dann (wieder) auf, wenn man es abgehängt hat.

      (Mich von meinen religiös bedingten Schuldgefühlen zu befreien hat sehr lange gedauert und war sehr schmerzhaft)

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    3. Ja.

      (Kann ich mir sehr gut vorstellen. Schön, dass du es geschafft hast.)

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