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Sonntag, 13. Januar 2013

Von Ungesagtem, längst Gesagtem und Unsagbarem

- Warum sagst du nichts?
- Damit noch ein paar Worte für die Nachfolgenden bleiben.
- Sollen sie doch neue erfinden!
- Aber dann müsste erst Welt nachwachsen.
- Das tut sie doch, Tag um Tag.
- Sie wiederholt sich nur mit jeder Umdrehung.
- Beschreibe mir, was du siehst.
- Wenn du willst, lese ich's dir vor, aus diesem jahrhundertalten Buch.
- Das sind nicht deine Worte.
- Doch, das sind sie. Sie wurden mir genommen, lange vor meiner Geburt.
- Also macht dich das Lesen verstummen.
- Es beweist mir, dass ich nichts Neues, nichts Eigenes sprechen kann.
- Noch einmal: Beschreibe mir, was du siehst.
- Ein Fenster.
- Und dahinter?
- Einen Garten.
- Und dahinter?
- Die nahende Nacht.
- Und dahinter?
- Den nahenden Tag.
- Den siehst du bereits?
- Ich ahne ihn und wünsche, dass er eintreffen möge.
- Beschreibe mir, was du dir wünschst.
- Auch das könnte ich dir vorlesen.
- Kennst du dich selbst denn nicht?
- Ich erkenne mich im längst Gesagten.
- Noch einmal: Beschreibe mir, was du dir wünschst.
- Einen weiteren Tag.
- Wie wirst du ihn nutzen?
- Ich werde in meinen Büchern blättern.
- Würdest du mich zu einem Spaziergang begleiten?
- Das wage ich nicht!
- Was fürchtest du?
- Die wilden Tiere, die Räuber und die Ansteckungsgefahr.
- ...

(An dieser Stelle bricht das Gespräch mangels weiterer Ideen der Fragestellerin ab. Aufgrund der hoffnungslos scheinenden Situation wählt sie zwischen den verbleibenden zwei Möglichkeiten, die da aufblitzen als Verzweiflung und Albernheit, letztere. Sie denkt kurz an Horaz, erklärt sich dies nicht, legt sämtliche Buchstaben ab, steigt durchs Fenster hinaus in den Garten, von dort in die Nacht und weiter in den folgenden Tag.)

4 Kommentare:

  1. Interessant, daß sie (es ist doch eine Sie?) die Ansteckungsgefahr fürchtet, die Ansteckung selbst aber - vielleicht - nicht.

    (Was für ein zarter Text.)

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    1. Sie (ja) fürchtet ja auch nicht das Gefressen- und Ausgeraubtwerden, es ist wohl eher das als diffus bedrohlich Wahrgenommene.

      (Danke.)

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  2. Das Gefressenwerden ersehnt sie. Genau daher rührt die Scheu, die in dem Dialog derart subtil zum Ausdruck kommt. Man läuft ja nicht durch die Stadt und ruft ständig aus: "Lösche mich aus! Lösche mich aus!" Das wäre absurd.

    (Kann ich mich hier irgendwie als Kommentator speichern, so daß ich nicht dauernd neu Name und URL eingeben muß?)

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    1. ... und fürchtet vielleicht das Tier, zu dem sie selbst werden könnte ...
      Gut analysiert.

      Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man nicht von einem Googlekonto aus kommentiert. Wenn ich bei Twoday oder Wordpress kommentiere, muss ich auch jedesmal Name und URL eingeben, nur bei Blogger geht es ohne Eingabe.
      Muss mich mal informieren.

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