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Montag, 5. Dezember 2011

Staunen

Zum Schutz vor Überraschungen geben wir allem einen Namen, stopfen die Dinge in Wörter, versehen sie mit handlichen Griffen.
'Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose' sagen wir, aber versteht jeder diesen Satz gleich, und würde eine Rose dem zustimmen? Müssten wir sie nicht eigentlich, wenn wir es wirklich so meinten, aus dieser Buchstabenkombination herausschälen? 
Ein Buch ist ein Garten, in gewisser Weise, eine kultivierte Anregung der Fantasie. Wie sähe das Äquivalent zu Wildnis aus? Es müsste ja ohne Beschneidung auskommen.
Ist das unverfälschte Echo auf eine sinnliche Wahrnehmung nicht vielmehr sprachloses Staunen, sich ergreifen lassen, ohne beherrschen zu wollen? Aber wie kann ich dieses Staunen teilen, ohne es zu verkleinern? Und wie finden wir uns, wenn nicht in Sprache? Es müsste eine Sprache sein, die wuchern darf und über die Ufer treten, die abstrakt und ungebändigt sich ständig weiter und damit genauer macht, die sich ergreifen lässt von der Welt, statt diese in den Griff kriegen zu wollen.
Nichts gegen wissenschaftliche Abhandlungen und sowieso überhaupt gar nichts gegen Neugier und Wissensdurst. Ich wünschte mir nur, dass sie selbstverständlicher Hand in Hand gingen mit Ehrfurcht vor den Dingen und dem Einlassen auf eine Art Zwiesprache mit der Welt um uns herum, wie sie in Bildern, gemalten wie geschriebenen wie musizierten wie gespielten, ihren Ausdruck finden kann.

"Hier, riech mal! Hier, fühl mal! Weißt du, was das ist?"
"Ich finde keine Worte."
"Es ist eine Rose!"
"Oh, und ich dachte, es sei ein Wunder."

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