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Mittwoch, 21. April 2010

Immer nur fast (Loses Blatt #17)

Ich drifte durch ein Meer von Scheinbarkeiten und berühre alles immer nur fast.

9 Kommentare:

  1. Kann es sein, dass du bei "Scheinbarkeit" den astronomischen Begriff im Kopf hast, während ich den philosophischen meine?

    Ich habe ein Wort gesucht, das meherere Dinge gleichzeitig ausdrückt: unfassbar, unglaublich, unbeschreiblich. Dies alles steckt in "unsäglich".
    Allerdings frage ich mich, ob diese Eigenschaft der "Scheinbarkeit" nicht sowieso innewohnt (sonst wäre sie vielleicht keine), und ob ich nicht eher das Quälende daran meine, was ich aber auch mit "berühre alles immer nur fast" übermitteln möchte ...
    *grübel*
    Du immer mit deinen Fragen! ;)

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  2. Liebe Iris!
    Kants Begriffsbestimmung des wohl eigens für seine Geistreicheleien erfundenen Wortes "Scheinbarkeit" halte ich als strikter Aussagenlogiker für eine Fehlkonstruktion.
    Denn "scheinbar" bedeutet für mich die Bezeichnung für einen Zustand, der so scheint wie er nicht ist. Mit diesem semantischen Inhalt erscheint das Adjektiv "unsäglich" als überflüssig. Von daher meine Rückfrage.
    Kant skaliert:
    1. Gewissheit, 2. Wahrscheinlichkeit, 3. Scheinbarkeit, 4. Ungewissheit. Ich vermisse zwischen 2. und 3. die "Anscheinhaftigkeit", die der Ungewissheit nahe kommt, und würde die Scheinbarkeit ans Ende der Skala setzen.
    An die Scheinbarkeit von Sternen hatte ich schon deshalb nicht gedacht, weil ich mich seit langem, aus Ärger über diese umständliche Tradition, lieber an eindeutig reproduzierbare Werte fester Skalen halte.
    Mit oder ohne "unsäglich" füge ich Deinen Aphorismus gern meiner Sammlung hinzu, wenn ich ihn so verstehen darf, wie ich ihn ausdrücken würde: Ich drifte (unsäglich) durch Scheinbarkeiten, die sich meiner Berührung entziehen.
    Fata Morgana? Ginko.

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  3. Lieber Ginko, Widerspruch!
    "Scheinbar" bedeutet für mich die Bezeichnung für einen Zustand, von dem nicht bewiesen/beweisbar ist, ob er so ist wie er scheint. Sobald bewiesen ist, dass der Zustand nicht ist wie er scheint, geht es m.E. nicht mehr um Scheinbarkeit, sondern um Täuschung.
    Ich könnte meinen Satz auch so formulieren: Ich treibe durch Mengen/Formen von Daseiendem und komme nicht über die Wahrnehmung/Erfassung ihres äußeren Scheins hinaus, schaffe es nicht wirklich, mit ihnen in Kontakt zu treten. Wobei nicht klar ist - aber interessant wäre, heraus zu finden - , woran die Kontaktaufnahme scheitert.
    Im Kern geht es mir also nicht bloß um die Scheinbarkeiten, sondern um die Schwierigkeit einer wie auch immer gearteten Kommunikation mit Unbekanntem, schwer Greifbarem (also z.B. mit einem anderen Menschen ;))
    Mit oder ohne "unsäglich" (darüber muss ich noch nachdenken) füge ich meinen Aphorismus gern deiner Sammlung hinzu, wenn er so bleiben darf, wie ich ihn gemeint habe. :)
    Keine Fata Morgana.
    Vorschlag: Schnittstelle.
    LG Iris

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  4. Widerwiderspruch: So wie Du "scheinbar" befrachtest, meinst Du den Zustand, für den das Adjektiv "anscheinend" zur Verfügung steht.
    Scheinheilig, Ginko.

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  5. Unheiliger Ginko, du hast Recht!
    Da bin ich allem Anschein nach einer Täuschung erlegen.Was mache ich nun? Mein Satz hatte sich so richtig angefühlt. Ich werde nicht einem Wort zuliebe seinen Inhalt aufgeben. Der Kant'sche Begriff der Scheinbarkeit passt meines Erachtens, wobei mir jetzt auch einleuchtet, weshalb du ihn für eine Fehlkonstruktion hältst und ihn durch Anscheinhaftigkeit ersetzen würdest.
    Gut: WAS ich sagen will, weiß ich, ist nur die Frage WIE; und ich will, dass jedes Wort sitzt. Ins Blaue hinein: "Ich drifte durch (unsägliche/ein Meer von) Anscheinhaftigkeiten (?)/ Rätselhaftigkeiten/ Geheimnisse(n)/ Mysterien und berühre alles immer nur fast." ???

    ("Schnittstelle" würde das m.E. bisher fehlende Element der Übermittlung/ des Austauschs von Informationen erfassen.)

    immer nur fast, Iris

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  6. So, ich umgehe jetzt meine unbegabte Vernunft und vertraue meinem Gefühl. Und das sagt mir, dass "unsäglich" ersetzt werden und "Scheinbarkeiten" bleiben muss.

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  7. Liebe Iris, anscheinend trifft Deine Wortwahl jetzt genau das, was Du ausdrücken möchtest. Ich würde nur noch darüber nachdenken, ob Du "alle" oder "alles" fast berührst.
    Gerührt, Ginko.

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  8. Darüber hatte ich bereits nachgedacht: "alles"

    Und nun insistiere ich noch ein bisschen:
    Zitat Ginko: "Mit oder ohne "unsäglich" füge ich Deinen Aphorismus gern meiner Sammlung hinzu, wenn ich ihn so verstehen darf, wie ich ihn ausdrücken würde."
    Zitat Iris: "Mit oder ohne "unsäglich" (darüber muss ich noch nachdenken) füge ich meinen Aphorismus gern deiner Sammlung hinzu, wenn er so bleiben darf, wie ich ihn gemeint habe."
    Für meine Begriffe passt er so oder so (es liegen ja keine Welten dazwischen), dennoch würde ich mir ein weiteres Label wünschen (s.o.), für den feinen Unterschied.

    Sonnige Sonntagsgrüße, Iris

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